Erwartungen und Versprechen zur Europawahl
Weniger Regulierung und mehr Förderung für die europäische Wirtschaft: Das wünschen sich etliche EU-Interessenvertreter aus der Transportwirtschaft. Der Fokus der EU solle zunächst auf der Umsetzung der beschlossenen Regeln liegen, meint etwa der EU-Seehafenverband ESPO. Etwaige Widersprüche in verschiedenen Gesetzen müssten ausgebügelt werden, und es müsse auf faire Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU und gegenüber Konkurrenten aus Drittstaaten geachtet werden.
Mehr Unterstützung für EU-Industrie
Für den europäischen Verband der Fertigfahrzeuglogistiker ECG steht an erster Stelle, die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie zu erhalten, besonders in der Automobilbranche. Auch der Verband privater Hafenoperateure FEPORT nennt an erster Stelle Unterstützung für die EU-Industrie und den Schutz ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Die EU müsse durch stärkere Verteidigungs- und Außenpolitik das Risiko minimieren, dass Drittstaaten gegenüber Europa eine Politik des „Teile und herrsche“ verfolgen können.
Für den EU-Schiffseignerverband ECSA besteht der Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der Branche zum einen darin, für eine ausreichende Produktion alternativer Treibstoffe und die öffentliche und private Finanzierung der Antriebswende zu sorgen sowie dafür, dass die EU-Klimaschutzvorgaben mit den internationalen Vorschriften der IMO vergleichbar sind. Zum anderen dringt ECSA darauf, der europäischen Schiffsindustrie durch eine reformierte Finanzmarktregulierung bessere Finanzierungsmöglichkeiten durch Banken und private Kapitalgeber zu eröffnen.
Jede Menge Finanzierungsbedarf
Die Finanzierung der verkehrspolitischen Ziele sehen viele in der Branche als vordringliche Aufgabe. Alle Verbraucher müssten beim Übergang zu saubererer Mobilität unterstützt werden, und die EU müsse mehr Geld für die Belange der Transportwirtschaft mobilisieren, meint ECG. Für die Seehäfen beziffert ESPO den Investitionsbedarf auf 80 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre. Auch für den EU-Spediteursverband CLECAT stehen ein besserer Zugang des Mittelstands zu Finanzierungsquellen und mehr Förderprogramme, etwa für die Flottenerneuerung, ganz oben auf der Wunschliste. Brückentechnologien wie moderne Biokraftstoffe müssten ebenfalls unterstützt werden.
Zudem solle sich die EU darum kümmern, dass mehr nachhaltige Flugzeug- und Schiffstreibstoffe hergestellt und eine ausreichende Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität geschaffen wird. Dabei geht es laut CLECAT auch um vereinfachte Genehmigungsverfahren.
Die EU soll nach dem Willen von ECSA für offenen Welthandel eintreten und wichtige Schifffahrtsrouten besser sichern, etwa gegen Angriffe auf Schiffe. Seeleute müssten für künftige Aufgaben ausgebildet werden, beispielsweise für den Umgang mit alternativen Kraftstoffen.
Bahnverbände fordern Instrumente zu Verkehrsverlagerung
Der EU-Güterbahnverband ERFA wünscht sich ein Umdenken bei der Trassenpreispolitik. Diese müsse ein „Instrument zur Verkehrsverlagerung“ werden. Zu lange überfällig sei zudem eine neue Lokführerrichtlinie mit einer Bewegung hin zu einer Verkehrssprache für grenzüberschreitende Fahrten. Der Verband vermisst auch ein Geschäftsmodell für die Einführung des europäischen Zugmanagementsystems ERTMS. Das stetige „Upgrading“ bremse hier Innovationen. Eine Strategie für die weitere Entwicklung sei nötig.
Die ERTMS-Implementierung steht auch für Europas Bahn- und Infrastrukturbetreiber (CER) ganz oben auf der politischen Wunschliste. CER verweist, ebenso wie der internationale Wagenhalterverband UIP, auf den Bericht zur Weiterentwicklung des EU-Binnenmarktes von Enrico Letta, in dem auch die Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung, Digitales Kapazitätsmanagement und eine bessere Finanzierung der Bahn als Ziele genannt würden. Zudem ist für CER ein „wirklich fairer Wettbewerb“ zwischen den Verkehrsträgern unter Berücksichtigung „aller internen und externen Kosten“ ein politisches Ziel.
Kritik am "Silodenken" in der Branche
Wie die EU-Vorschriften für das Kapazitätsmanagement bei der Bahn und für den Kombinierten Verkehr am Ende aussehen, ist von größter Bedeutung für den KV-Verband UIRR, ebenso wie für UIP und CLECAT. Die Spediteure wünschen sich „robuste“ nationale Förderprogramme für nachhaltige, intermodale Transportketten, die EU müsse aber über die KV-Richtlinie einen „Flickenteppich“ bei der Förderpolitik vermeiden.
Die UIRR dringt darauf, dass die verfügbare Bahnkapazität so verteilt wird, dass der größtmögliche soziale, wirtschaftliche und umweltpolitische Nutzen entsteht. Das „Silodenken“ bei der Regulierung einzelner Verkehrsträger müsse überwunden werden, um die Chancen intermodaler Transportketten besser auszunutzen. Auch die knappen Ressourcen Energie und Arbeitskräfte müssten im Verkehr effizienter genutzt werden, meint der Verband.
Die Union europäischer Handelskammern für den Verkehr (UECC) fordert ebenfalls, den intermodalen Verkehr attraktiver zu machen und dazu etwa Umschlagterminals stärker zu fördern. Der Verband dringt auf den Ausbau von Bahn- und Binnenschifffahrtskapazitäten. Letzteres ist auch für den europäischen Binnenschifffahrtsverband EBU vordringlich. Neben mehr Geld für die Infrastruktur sei auch Unterstützung für die Verkehrsverlagerung auf Binnenschiffe, für deren Umrüstung auf alternative Antriebe und bei der Gewinnung von Arbeitskräften nötig.
Gegen den Lkw-Fahrermangel muss die EU ebenfalls dringend etwas tun, meint UECC. Sie soll auch längere Lkw zulassen und bei Vorgaben wie der Luftqualitätsrichtlinie einen sanfteren Kurs fahren, „um den Unternehmensstandort Europa nicht zu beeinträchtigen“.
Lang-Lkw bleiben Streitthema
Die Straßengüterverkehrsverbände aus Deutschland (BGL), Frankreich (FNTR) und Skandinavien (NLA) erwarten, dass sich die EU in der nächsten Legislaturperiode besonders um die Finanzierung der Verkehrswende und den Aufbau einer ausreichenden Ladeinfrastruktur für E-Lkw kümmert. Außerdem soll die EU „offen sein für alle Arten von erneuerbaren Kraftstoffen“ und für den Einsatz längerer und schwererer Lkw.
Ganz ähnlich äußern sich CLECAT und der Weltverband International Road Transport Union (IRU). Alle Vertreter der Bahnbranche warnen dagegen vor Erleichterungen für Lang-Lkw.
Die IRU fordert, dass auch die Verlader eine Rolle bei der Umstellung auf umweltfreundlichere Fahrzeuge spielen müssen. Der Verband meint, dass die EU-Gesetzgeber „unrealistisch hohe Ziele für die Emissionsreduktion bei schweren Nutzfahrzeugen“ gesetzt haben, begrüßt aber, dass diese bis spätestens 2027 nochmals überprüft werden sollen.
Gegen den Fahrermangel können nach Meinung von BGL, FNTR und NLA unter anderem reformierte Ausbildungsregeln und mehr sichere Parkplätze helfen, ebenso die Durchsetzung der Sozial- und Wettbewerbsregeln des EU-Mobilitätspakets. Dafür wünschen sich die Verbände eine neue EU-Agentur für den Straßenverkehr.