Die Dekarbonisierung braucht politischen Mut

Der Lkw-Verkehr soll schnell deutlich weniger CO₂ ausstoßen – und der Kompromiss auf EU-Ebene soll für einen langfristigen Planungshorizont sorgen. Leider geht dabei der Blick für Quick Wins verloren, meint DVZ-Redakteur Sven Bennühr.

Noch ist die neue CO₂-Grenzwertverordnung für Lkw weder von den EU-Staaten noch vom Europäischen Parlament verabschiedet worden. Dennoch dürfte der jüngste Kompromisstext, der nach tagelangem Ringen ausgehandelt wurde, bei vielen Transporteuren für enttäuschte Gesichter sorgen. Da wieder einmal die Chance verpasst wurde, anstatt der CO₂-Emissionen am Auspuff den CO₂-Ausstoß entlang der gesamten Kraftstoff-Prozesskette als grundlegendes Kriterium zu wählen, werden biogene Kraftstoffe wie HVO100 oder auch E-Fuels ihre positive Umweltwirkung nur zeitlich begrenzt entfalten können.

Keine Abgrenzung

Zwar besteht noch die Hoffnung, dass klimaneutrale Bio- und E-Fuels ein Jahr nach der Verordnung – also 2025 – eine weitere Chance bekommen könnten, aber das würde eine neue Herausforderung mit sich bringen. Schließlich unterscheiden sich E-Diesel und HVO100 nicht oder nur kaum von fossilem Diesel. Wenn es also einen „Carbon Correction Factor“ für Lkw geben soll, die ausschließlich mit Bio- oder E-Fuels betrieben werden, dann muss gewährleistet werden, dass kein anderer Kraftstoff in den Tank gelangt – was sich wohl schwer bewerkstelligen ließe.

Der Umbau der Lkw-Flotten auf nachhaltige Energieträger geschieht nicht über Nacht, sondern ist – je nach Investitionskraft der Unternehmen – in den meisten Fällen ein Projekt, das über viele Jahre laufen wird. Diesel-Lkw bleiben also hierzulande noch eine Weile präsent, und in anderen Regionen wird er noch viel länger das Straßenbild prägen.

Der Umbau der Lkw-Flotten auf nachhaltige Energieträger ist in den meisten Fällen ein Projekt, das über viele Jahre läuft.

Die Frage ist nur, mit welchem Kraftstoff diese Fahrzeuge künftig betrieben werden sollen. Eines ist klar: Bis in großem Stil E-Fuels produziert werden können, werden noch Jahre ins Land gehen. Schließlich muss zuerst einmal die notwendige Wasserstoffproduktion auf ein nennenswertes Level gebracht werden – und im gleichen Zug gilt es, energieintensive Anlagen aufzubauen, um das CO₂ aus der Luft abzuscheiden. Aus den beiden Rohstoffen lassen sich dann klimaneutrale Kraftstoffe erzeugen – die aufgrund des Aufwands vergleichsweise teuer sein dürften. Ob der Preis niedriger ausfällt als der für Diesel oder auch HVO100, der ab 2027 durch den Emissionshandel deutlich steigen wird, sei dahingestellt.

Was in dem Zusammenhang zu denken gibt, ist, dass alle Betrachtungen auf der politischen Ebene langfristig ausgelegt sind. Das ist sinnvoll, wenn es um ein strategisches Ziel geht. Doch jede Strategie bedarf auch zu bestimmten Zeitpunkten taktischer Entscheidungen. Wie zum Beispiel die, durch die forcierte Produktion von HVO den CO₂-Ausstoß im Straßengüterverkehr kurzfristig und effektiv um 80 Prozent und mehr zu senken. Nur zur Erinnerung: Durch die Verbrennung von HVO wird nur das CO₂ freigesetzt, das zuvor von den Pflanzen, die zur HVO-Herstellung eingesetzt werden, der Luft entzogen wurde.

Energiesteuer senken

Um diesen wünschenswerten Effekt zu erreichen, bedarf es in Deutschland nur einer einzigen mutigen politischen Entscheidung: Die Energiesteuer, die sich pro Liter Diesel auf 47 Cent beläuft, müsste für HVO auf die EU-Mindeststeuer von 33 Cent pro Liter gesenkt werden. In dem Fall greifen die Marktmechanismen und die Produktion und der Absatz des Ökokraftstoffs werden sich im Handumdrehen auf substanzielle Mengen erhöhen. Die Umwelt würde rasch von diesen Quick Wins profitieren.

Bleibt noch ein Punkt: Vonseiten der Transportunternehmen heißt es oft, es fehle an Planbarkeit und Investitionssicherheit. Das aber stimmt nicht. Das Dekarbonisierungsziel ist seit Jahren bekannt, genauso wie der Ansatz, die Lkw-Flotten schrittweise umzubauen. Und dieser Umbau lässt sich langfristig planen – vor allem da jetzt wirklich klar ist, dass es in Richtung E- und Brennstoffzellen-Lkw geht. Und ob man in dieser Phase seine Diesel-Lkw mit umweltschonendem HVO100 betankt oder nicht, bleibt eine Gewissensfrage der Unternehmer.

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