DGB-Chefin: „Die Tarifforderungen meiner Mitgliedsgewerkschaften sind immer nachvollziehbar“
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Yasmin Fahimi mischt sich zwar nicht direkt in laufende Tarifverhandlungen ein, wie sie betont. Allerdings zeigt sie klare Kante, wenn es um Grundsätzliches geht und sendet damit doch Signale an die Arbeitgeber. So geschehen vergangene Woche beim Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten in Richtung Deutsche Post. Die befindet sich bekanntermaßen gerade im Tarifstreit mit Verdi um eine Erhöhung der Entgelte von bis zu 15 Prozent. Ab dem 9. März droht ein wochenlanger Streik.
Immer wieder komme es dazu, dass Arbeitgeber in Tarifverhandlungen mit Betriebsaufspaltungen drohten und dadurch versuchten, sich der Mitbestimmung und schlussendlich Tariferhöhungen zu entziehen. „Das muss abgeschafft werden“, stellte Fahimi klar. Sie hoffe, dass es dazu noch im laufenden Jahr einen Konsens gebe.
Ihre Worte waren grundsätzlich gehalten, aber mit Sicherheit wohlüberlegt. Denn just vor gut einer Woche hatte sich Post-Personalvorstand Thomas Ogilvie mit Äußerungen zu einer möglichen Fremdvergabe in der Briefzustellung vorgewagt. „Wenn Verdi das jetzt alles vor dem Hintergrund kurzfristiger maximaler Lohnsteigerungen infrage stellt, werden wir unser Betriebsmodell überdenken müssen“, sagte Ogilvie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Eine längere Streikwelle ist nicht zu befürchten
Fahimi hält ein Lohnplus von 15 Prozent bei der Post für angemessen. „Die Tarifforderungen meiner Mitgliedsgewerkschaften sind immer nachvollziehbar“, sagte sie. Zugleich geht sie nicht davon aus, dass Deutschland in den kommenden Wochen durch eine Streikwelle lahmgelegt wird. Außer bei der Post wird auch im öffentlichen Dienst und mit der EVG im Bahnsektor um höhere Löhne gerungen.
Doch Fahimi denkt weiter als bis zum nächsten Tarifabschluss. „Die künftige Gestaltung der Lieferketten ist für uns ein zentrales Thema“, betonte sie vor den Journalisten in Hamburg. Das in der Vergangenheit weit verbreitete Single Sourcing sei ein Beispiel für schlechtes Risikomanagement. „Das waren falsche unternehmerische Entscheidungen“, so die Gewerkschaftschefin. Aber was folgt daraus? Es müsse darüber nachgedacht werden, hierzulande wieder mehr Zulieferer anzusiedeln, und es stelle sich die Frage, ob man auch bereit sei, für mehr Resilienz höhere Preise zu zahlen. Konkret wünscht sich Fahimi, dass in bestimmten sensiblen Bereichen hierzulande wieder Produktionskapazitäten aufgebaut werden. „Und wir sollten eine gemeinsame, europaweit koordinierte Bevorratung in besonders sensiblen Bereichen wie dem Pharmasektor aufbauen“, sagte sie.
Zustimmung in der Logistikbranche dürfte Fahimi für ihre Forderung ernten, die öffentliche Verwaltung in Deutschland „zu revitalisieren“. Sie versteht darunter vor allem eine stärkere Digitalisierung der Behörden. „Und wir brauchen dringend einen Ausbau der Infrastruktur“, unterstreicht sie.
Künstliche Intelligenz braucht Rechtsrahmen
Ein weiteres wichtiges Transformationsthema ist für Fahimi die verstärkte Automatisierung sowie der Einsatz von künstlicher Intelligenz. Insbesondere bei KI brauche es proaktive Mitbestimmungsrechte und damit ganz neue Verabredungen. Denn sei eine KI erst einmal eingeführt, sei es dafür zu spät.
Gleichwohl glaubt Fahimi nicht daran, dass durch Automatisierung und künstliche Intelligenz Arbeitsplätze in der Breite verloren gehen. Im Gegenteil: „Um unser Fachkräfteproblem zu lösen, benötigen wir die Produktivitätssteigerungen im Zuge einer stärkeren Digitalisierung.“
In einem Bereich sieht sie den Einsatz von KI dann aber doch kritisch – bei Lieferdiensten. Die dort vorherrschende App-Steuerung der Fahrer sei nichts anderes als eine neue Form der digitalen Akkordarbeit und damit Ausbeutung, macht sie deutlich. „Dem muss der Gesetzgeber einen Riegel vorschieben“, so Fahimi.