Das neue Gesicht bei der Kravag
Lobbyistin, so sagt Anja Ludwig, sei eigentlich nicht unbedingt ihr Berufswunsch gewesen. Da ist die Juristin „eher so reingeraten“. Doch Unternehmer beraten, eine Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft sein und der Politik auch mal erklären, wie Unternehmer ticken, „das kann ich“, sagt die 48-Jährige selbstbewusst. „Ich interessiere mich für Menschen und Netzwerke, fühle mich als Lobbyisten wohl.“ Man glaubt es ihr angesichts ihrer Aufgeschlossenheit im persönlichen Gespräch sofort.
Nachdem Ludwig zwölf Jahre beim Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (BDO) tätig war – zuletzt als stellvertretende Hauptgeschäftsführerin – ist sie seit Mitte dieses Jahres Leiterin des Kompetenzzentrums Straßengüterverkehr und Logistik bei dem gewerbenahen Versicherer Kravag. In dieser Funktion hat sie vor wenigen Wochen die Nachfolge von Axel Salzmann angetreten.
Was tut eine Leiterin des Kompetenzzentrums? Erst einmal ist sie eine Netzwerkerin und als Gesicht der Kravag auf vielen Veranstaltungen rund um das Straßengüterverkehrsgewerbe präsent. Das ist für sie auch Lobbyismus, aber etwas anders als bei einem Verband.
Ideenschmiede
„Es geht darum, die Entwicklungen und Strömungen des Marktes aufzunehmen und gemeinsam mit der Branche Lösungsansätze für Problemstellungen zu entwickeln“, erklärt sie. Daher sehe sich das Kravag-Kompetenzzentrum auch als Ideenschmiede. Die Kravag Truck Parking App ist ein Beispiel. Über diese App können Lkw-Parkplätze auf den Betriebshöfen teilnehmender Speditionen gefunden und gebucht werden.
Es geht darum, mit der Branche Lösungsansätze für Problemstellungen zu entwickeln. Anja Ludwig
Ein anderes aktuelles Beispiel: Gerade kleinere Unternehmen würden sich gern stärker mit dem Kombinierten Verkehr beschäftigen. „Das trage ich dann in die Kravag hinein.“ Die Folge: Gemeinsam mit dem nahestehenden Branchenverband BGL und der Allianz pro Schiene wird im Rahmen des Vorhabens „truck2train“ nun nach versicherungstechnischen Lösungen gesucht, „was gar nicht so einfach ist“. Grundsätzlich verfolgen „wir einen partnerschaftlichen Ansatz, wollen der Branche einen Mehrwert bieten, aber letztlich natürlich auch Kunden binden und unsere Produkte verkaufen“, beschreibt sie.
Ludwig ist aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Brandenburg, ein Kind der DDR. Der Mauerfall sein ein Glücksfall für sie persönlich gewesen. Nachdem sie aus der SED-nahen Jugendorganisation FDJ ausgetreten war, sollte sie kein Abitur mehr machen können. Nach dem 9. November 1989 war dies kein Problem mehr. Seit 1991 lebt sie in Berlin, „die schönste Stadt Deutschlands, da können mich auch meine neuen Hamburger Kollegen und Kolleginnen nicht von abbringen“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
Nach einem Jura-Studium und einem Trainee-Programm in Cottbus startete sie 2007 beim BDO als Referentin. Später wurde sie Leiterin der Rechtsabteilung, dann stellvertretende Hauptgeschäftsführerin. Seit Anfang 2022 ist sie bei der Kravag.
„Eigentlich ging es in meinem Leben immer bergauf“, sinniert die Mutter einer 17-jährigen Tochter und eines 13-jährigen Sohnes. Corona, vor allem aber die weltpolitischen Entwicklungen und der Klimawandel machen sie nachdenklich. Auch wenn – oder gerade, weil – sie beruflich viel mit dem Thema Mobilität zu tun hat und das „wahnsinnig spannend“ findet, bewegt sie die Frage, wie es mit der Mobilität in diesem gesellschaftlichen Umfeld weitergeht. „Wir sollten alle erst einmal bei uns selbst anfangen und auf etwas verzichten, als nur nach der Politik zu rufen“, findet sie.
Und ein weiteres Thema bewegt sie als Frau intensiv: Es könne doch nicht angehen, dass es im Jahr 2022 noch No-Go-Areas in Deutschland für Frauen ab 22 Uhr gibt wie Tiefgaragen oder bestimmte Stadtviertel. „Das will ich einfach nicht hinnehmen und für diese unsägliche Situation sensibilisieren, damit sich das für unsere Töchter ändert.“
Über diese Themen denkt sie besonders intensiv nach, wenn sie sich bewegt. „Ich bin nicht nur ein Handy-Junkie, sondern auch ein Bewegungsjunkie“, sagt Ludwig von sich selbst. „Wenn ich zu lange am Schreibtisch sitze, werde ich böse.“ Daher läuft sie, fährt Fahrrad, geht sehr gern spazieren und ist im Fitnessstudio anzutreffen. Und macht gern Gartenarbeit – wenn sie nicht gerade am Backen ihrer Spezialität New York Cheesecake ist. „Das ist ein schöner Ausgleich, denn im Gegensatz zur Lobbyarbeit sieht man beim Backen gleich Erfolge“, sagt sie mit einem Schmunzeln.