Lieferkette: Renault führt neuartigen Control Tower ein

Shippeo will mit einem neuen Ansatz Lieferketten transparenter und resilienter machen. Erstmals zum Einsatz kommt die Transport Process Automation genannte Lösung im Supply Chain Control Tower des französischen Autobauers Renault.

Erstmals zum Einsatz kommt Transport Process Automation im neuen Supply Chain Control Tower des Autobauers Renault. (Foto: Shippeo)

Wie viel Potenzial in der Lieferkette in puncto Transparenz bei Konzernen noch besteht, zeigt aktuell das Beispiel Renault. Bei dem französischen Autobauer kommt seit Kurzem der gemeinsam mit dem Tracking-Plattform-Anbieter Shippeo entwickelte datengetriebene Ansatz für automatisierte Anwendungen in der Transportlogistik das erste Mal zum Einsatz.

Die Grundlage für die Transport Process Automation (TPA) genannte Lösung bilden Daten von Shippeo. An der Umsetzung beteiligt sind außer Google auch die Softwareunternehmen E2open, Snowflake, IBM und der deutsche 4PL-Anbieter 4flow. IT-seitig basiert TPA auf den bestehenden Machine-Learning- und Workflow-Automatisierungsfunktionen von Shippeo, die eine aktive Kommunikation zwischen Spediteuren und Kunden sowie eine beschleunigte Vorfakturierung ermöglichen und Verzögerungen reduzieren.

Echtzeitsteuerung der Inbound-Logistik

Sechs Monate haben Renault und Shippeo zusammen mit Google einen Supply Chain Control Tower entwickelt, um es dem Autobauer zu ermöglichen, die Inbound-Logistik in seinen 35 Werken rund um die Welt in Echtzeit steuern zu können. Dadurch sollen 260 Millionen Euro im Bestand eingespart werden.

„Damit Supply Chains in einer immer komplexeren, volatileren und unsichereren Welt nicht nur zuverlässig laufen, sondern auch widerstandsfähig sind, muss das Transportwesen agiler als jemals zuvor werden“, erklärt Anand Medepalli, der Produktchef bei Shippeo. „Agiler zu sein heißt, die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt zur Hand zu haben, um Entscheidungen zu treffen.“

Bisher ist es allerdings oft so, dass Verlader in Bezug auf Statusinformationen auf die Carrier angewiesen sind, und datenseitig nicht verknüpft ist, was sich im Werk und was sich auf dem Lkw befindet. Ziel von TPA ist es daher, Unternehmen dabei zu unterstützen, Risiken innerhalb ihrer Lieferkette vorherzusehen, um entsprechend gegensteuern zu können. Außerdem sollen die Zusammenarbeit zwischen Teams gefördert und End-to-End-Transportprozesse automatisiert werden, um die Leistungsfähigkeit, Resilienz und Kundenzufriedenheit zu steigern.

Datenqualität hat Priorität

„Dabei entscheidend ist die Datenqualität, die auch für uns als Unternehmen insgesamt das bedeutendste Anliegen ist“, unterstreicht Lucien Besse, der Mitgründer und COO von Shippeo. Diesbezüglich gibt es große Unterschiede zwischen den Beteiligten. So wird von Straßentransportunternehmen in der Regel gar keine ETA (Estimated Time of Arrival; voraussichtliche Ankunftszeit) angegeben, bei den Reedern kann sie korrekt sein, muss sie aber nicht. Und auch bei sogenannten Blank Sailings, also wenn Linienreedereien auf ihrer festen Route einen geplanten Hafen oder eine Region auslassen, muss die Ankunftszeit berichtigt werden.

„Grundsätzlich kann man aber sagen, dass beispielsweise im Bereich der Seetransportunternehmen unsere Vorhersagen der Ankunftszeiten um 20 bis 40 Prozent korrekter sind im Vergleich zu Berechnungen, die ohne unsere Echtzeittransparenzdaten erstellt wurden“, sagt Besse. Daher werden in einem ersten Schritt die Rohdaten bearbeitet. „Zuerst bereinigen wir die Daten, etwa von Reedereien, dadurch, dass wir fehlerhafte korrigieren. Als Nächstes werden sie angereichert, indem wir etwa die Ankunftszeit berechnen“, erläutert der COO. „Dafür greifen wir auf die Echtzeittransparenzdaten und Machine-Learning-Modelle aus unserer Visibility-Plattform zurück.“

Vielfach sind die benötigten Informationen aber auch nicht verfügbar, nicht zugänglich oder abgeschottet im Datensilo. „Mit unserem neuen Ansatz verknüpfen wir Datensilos und bilden den gesamten Transportprozess von der Planung bis zur Bezahlung ab“, sagt Chief Product Officer Medepalli. Den Kunden ermöglicht das Unternehmen dadurch, Latenzzeiten zu verringern, Handlungsempfehlungen zu verbessern und agiler als bislang datenbasierte Entscheidungen zu treffen.

Vermeidung und Entschärfung von Störungen

Im Fall von Renault bedeutet das: „Nehmen wir ein typisches Störungsszenario, bei dem ein Werk auf eine Teilelieferung wartet, der Transport sich aber verzögert“, sagt Jean-François Salles, Vice President Supply Chain bei der Renault Group. „Früher bedeutete eine verspätete Lieferung verpasste Liefertermine, hohe Verweildauer, Vertragsstrafen, unzufriedene Kunden oder sogar einen Produktionsstopp. Inzwischen hilft unser Supply Chain Control Tower unseren Produktionsleitern, all dies zu vermeiden.“ Durch rechtzeitige Prognosen und Just-in-Time-Empfehlungen könnten derartige Störungen entschärft werden.

Der Renault Control Tower arbeitet dabei in zwei Schritten, um Störungen zu entschärfen. Zunächst gibt das System im Zuge des Transports eine Warnung aus, sobald die voraussichtliche Ankunftszeit eine Unterbrechung der Produktion verursachen könnte. Als Nächstes nutzt die Plattform Googles Intelligenz, um logische Gegenmaßnahmen verzögerungsfrei zu empfehlen. Das System liefert zusätzlich auch Kostenschätzungen, um die Nutzer dabei zu unterstützen, die bestmögliche Entscheidung zu treffen und einen Produktionsstopp zu vermeiden.

TPA braucht Change Management

Entscheidend dabei: Es sind die Mitarbeiter, die dann die Entscheidung treffen, etwa ein Teil aus einem anderen Werk zu organisieren, woraus zugleich wiederum das System lernt. „Das senkt den Stresspegel unserer Mitarbeitenden erheblich und nimmt ihnen die Angst vor falschen Entscheidungen“, sagt Salles weiter. „Außerdem haben wir seit Einführung des Supply Chain Control Tower die Anzahl von Expedits, Produktionsstopps und unfertiger Fahrzeuge um 50 Prozent reduziert.“ Natürlich bedeutet das aber auch einige Veränderungen für die Mitarbeiter: „TPA erfordert eine Veränderung des Mindsets und sollte auch durch ein Change Management begleitet werden“, sagt Medepalli.

Stichwort: Expedits

Mit Expedits – vom englischen „expedite“ abgeleitet – sind spezielle Dienstleistungen oder Maßnahmen gemeint, die ergriffen werden, um den Transport oder die Lieferung von Waren oder Sendungen zu beschleunigen. Es handelt sich also um eine beschleunigte Versandmethode, die in Situationen angewendet wird, in denen eine schnellere Lieferung als der normale Zeitplan erforderlich ist.

Shippeo arbeitet kontinuierlich an weiteren Anwendungen: „Wir haben zuletzt auf unserer Plattform Workflow-Management-, Automatisierungs- und erweiterte Kollaborationsfunktionen eingeführt“, fügt Medepalli hinzu. „In den kommenden Releases werden wir unsere Plattform mit immer weiteren Automatisierungsfunktionen aufwerten.“ Die TPA-Lösungen wollen Shippeo und seine Launch-Partner Google, E2open und 4Flow gemeinsam über sämtliche Transportmodi und in allen Regionen weltweit einführen. (cs)

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