Welthandel kommt kaum vom Fleck

Nur noch um weniger als 1 Prozent dürfte das Volumen des Warenhandels zunehmen. Im nächsten Jahr könnte das Wachstum wieder anziehen. Alles in allem zeigt sich der Welthandel in einer robusten Verfassung. Allerdings belastet die lahmende Weltkonjunktur die deutsche Exportwirtschaft.

Illustration: Carsten Lüdemann

Die Ökonomen der Welthandelsorganisation (WTO) haben die Prognosen für das Wachstum des weltweiten Warenhandels für 2023 deutlich nach unten korrigiert. Das Volumen werde nun voraussichtlich um 0,8 Prozent in diesem Jahr wachsen. Im April hatten sie noch einen Anstieg von 1,7 Prozent vorhergesagt.

Im nächsten Jahr dürfte das Handelswachstum wieder anziehen. Das für 2024 prognostizierte Wachstum von 3,3 Prozent bleibt gegenüber der früheren Schätzung nahezu unverändert, wie die WTO am Donnerstag mitteilte. Die Experten rechnen außerdem mit einem Wachstum der Weltwirtschaft um real 2,6 Prozent in diesem Jahr und um 2,5 Prozent im kommenden Jahr.

„Die Abschwächung des Handels scheint auf breiter Basis zu erfolgen und eine große Anzahl von Ländern und eine breite Palette von Waren zu betreffen“, teilte die WTO weiter mit. Zudem gebe es erste Anzeichen für eine Fragmentierung der Lieferketten, die die relativ positiven Aussichten für 2024 gefährden könnten. So sei beispielsweise der Anteil der Vorleistungsgüter am Welthandel, ein Indikator für die globale Lieferkettenaktivität, in der ersten Hälfte des Jahres 2023 auf 48,5 Prozent gesunken, verglichen mit einem Durchschnitt von 51,0 Prozent in den drei vorangegangenen Jahren.

Eine Deglobalisierung im weiteren Sinne ist nach Einschätzung von WTO-Chefökonom Ralph Ossa aber noch nicht eingetreten. „Die Daten deuten darauf hin, dass Waren nach wie vor über komplexe Lieferketten hergestellt werden.“

Seitwärtsbewegung im September

Im September dürfte es im Welthandel eine Stagnation gegeben haben, wie der Kiel Trade Indicator des Kieler Wirtschaftsforschungsinstituts IfW anzeigt. Das jüngste Datenupdate hat im Vergleich zum Vormonat August ein Plus von 0,2 Prozent ergeben (preis- und saisonbereinigt). Das geht aus Schiffsbewegungen hervor, die das IfW regelmäßig auswertet. Der daraus ermittelte Frühindikator schätzt die Im- und Exporte von 75 Ländern und Regionen weltweit. Für Deutschland liegen die September-Werte recht eindeutig im Minus.

Deutscher Exportmotor stottert

Die Ausfuhren „Made in Germany“ waren im August sowohl gegenüber dem Vorjahresmonat als auch zum Vormonat gesunken, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Werte sind im Gegensatz zum Kiel Trade Indicator nicht inflationsbereinigt. Der Rückgang fiel teils deutlicher aus als von Branchenexperten erwartet. „Die sonst sichere Stütze Außenhandel der deutschen Wirtschaft wackelt bedenklich“, sagte Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).

Handel eher Bremse als Wachstumsmotor

„Letztlich muss der schwache Export nicht weiter verwundern, denn das globale Exportvolumen stagniert nun seit zwei Jahren“, sagt VP-Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel. Die deutsche Industrie mit ihrem hohen Anteil ausländischer Kundschaft leide darunter. Nach Einschätzung von ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski ist der Handel nicht mehr wie in der Vergangenheit der „starke, belastbare Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft, sondern eher eine Bremse“. Lieferkettenprobleme, eine stärker fragmentierte Weltwirtschaft und die zunehmende Fähigkeit Chinas, Waren zu produzieren, die es zuvor in Deutschland gekauft habe, belasteten den deutschen Exportsektor. „Die Abkühlung der globalen Nachfrage verschärft derzeit die strukturellen Probleme.“

Stimmung der Exporteure auf Talfahrt

Die Stimmung unter den deutschen Exporteuren trübte sich zuletzt deutlich ein. Die Exporterwartungen der vom Ifo Institut befragten Unternehmen fielen von minus 6,5 Punkten im August auf minus 11,3 Punkte im September. Das ist der schlechteste Wert seit drei Jahren. „Die Ausfuhr in alle wichtigen Regionen ist gegenwärtig rückläufig“, sagte Umfrageleiter Klaus Wohlrabe unlängst.

Immerhin: Exporteure können sich nach Einschätzung des IfW weiter über deutlich gefallene Preise für Transporte auf See freuen – zum Leidwesen der Containerreedereien. Mittlerweile seien die Frachtraten unter den Durchschnitt der Jahre vor der Pandemie gefallen, berichtete das Institut am Donnerstag. Insbesondere zu US-Häfen seien die Kosten je Container binnen eines Jahres von über 8.000 auf etwas mehr als 1.000 Dollar gesunken.

Der Trend geht mit der Normalisierung der weltweiten Warentransporte auf See einher, die während der Pandemie mit Lockdowns in wichtigen Häfen und entsprechenden Staus erheblich gestört waren. Weil Schiffe samt der transportierten Container oft nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren, schossen die Frachtraten bis zum vergangenen Jahr in die Höhe. Staus wie während der Pandemie gibt es inzwischen nach IfW-Beobachtung nicht mehr. „Nur noch gut 7 Prozent aller weltweit verschifften Waren stecken derzeit fest, ein im historischen Vergleich unauffälliger Wert.“ In der Spitze waren es während der Pandemie an die 14 Prozent.

Insgesamt zeigt der Welthandel laut IfW nach einem schwachen Jahresverlauf aber auch Zeichen der Widerstandsfähigkeit. Die geschätzte Menge an global verschifften Standardcontainern stieg nach Berechnungen der Forscher im September sprunghaft an und übertraf die Marke von 14 Millionen deutlich. Dies sei auch auf die positive Entwicklung des vergangenen Monats zurückzuführen, denn im August verschiffte Ladung dürfte auf vielen Strecken auch im September noch unterwegs gewesen sein. Außerdem verlaufe die konjunkturelle Entwicklung der asiatischen Schwellenländer inklusive Chinas vergleichsweise dynamisch. Dort sei die Nutzung von Containerschiffen das Transportmittel erster Wahl. (cs/dpa)

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