Welthandel legt stark zu – 2026 droht Stagnation

Der weltweite Warenhandel ist nach einer Analyse der Welthandelsorganisation (WTO) im ersten Halbjahr 2025 überraschend deutlich gestiegen. Gründe seien unter anderem hohe Einfuhren in die USA, wo viele Firmen sich vor den Zollerhöhungen noch eindecken wollten, wie aus einer Welthandelsprognose der WTO hervorgeht. Zudem sei der Welthandel mit allem deutlich gestiegen, was im Bereich künstliche Intelligenz gebraucht werde: Halbleiter, Server und Telekommunikationsausrüstung.
Nach einer Analyse der New York University Stern School of Business im Auftrag von DHL ist der Welthandel in der ersten Jahreshälfte sogar schneller gewachsen als in jedem anderen Halbjahr seit 2010 – mit Ausnahme der Pandemie-Erholung. „Der Welthandel zeigt sich robust – trotz US-Zöllen, die derzeit so hoch sind wie zuletzt in den 1930er-Jahren“, teilte der Bonner Logistikkonzern mit. Der aktualisierte DHL Global Connectedness Tracker basiert auf mehr als 20 Millionen Datenpunkten aus etwa 25 Quellen.
WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala spricht angesichts der US-Zollpolitik von den größten Handelsstörungen seit 80 Jahren. Trotzdem verlaufe weiterhin Dreiviertel des Welthandels nach den ausgehandelten Regeln, andere Länder hätten mit wenigen Ausnahmen nicht mit Vergeltungsmaßnahmen reagiert. Das System habe sich also bewährt, sagt sie. Natürlich seien Alleingänge wie die der USA unerwünscht. Sie analysiere, was die WTO tun könne, um so etwas zu vermeiden. Die Organisation müsse schneller, agiler und relevanter im heutigen Zeitalter werden. Die Mitglieder arbeiteten mit Hochdruck an Reformen.
Die WTO hat ihre Prognose für 2025 wegen des starken ersten Halbjahres (plus 4,9 Prozent Volumenwachstum) erhöht. Im April ging sie wegen der angedrohten US-Zölle noch von minus 0,2 Prozent aus. Für 2026 hat sie ihre Prognose jedoch gesenkt: von plus 2,5 auf nur noch 0,5 Prozent, unter anderem, weil viele Geschäfte wegen der drohenden US-Zölle vorgezogen worden seien.
Die Experten des DHL Global Connectedness Tracker wagen ebenfalls eine Prognose. Sie gehen davon aus, dass das globale Handelsvolumen im Zeitraum von 2025 bis 2029 jährlich um durchschnittlich 2,5 Prozent zulegt – und damit etwa gleich schnell wie im vergangenen Jahrzehnt. Im Januar, vor der aktuellen Welle von Zollerhöhungen, waren die Experten noch von einem jährlichen Plus von durchschnittlich 3,1 Prozent ausgegangen bis 2029. Die stärkste Herabstufung betrifft Nordamerika: Der Ausblick für die Region fiel von 2,7 Prozent im Januar 2025 auf nur noch 1,5 Prozent im September.
Ein Grund, warum der Handel trotz steigender US-Zölle weiterwachsen kann: Die USA stehen laut DHL-Analyse nur für circa 13 Prozent der weltweiten Warenimporte (2024) und lediglich 9 Prozent der Exporte. Ein weiterer Faktor sei, dass die meisten Länder dem Kurs der USA bei der Einführung weitreichender Zollerhöhungen nicht gefolgt sind.
Da Vergeltungsmaßnahmen gegen US-Zölle größtenteils ausgeblieben sind, haben sich die Aussichten für Nordamerika laut WTO seit April deutlich verbessert. Dennoch dürften die Im- wie auch die Exporte aufgrund der zunehmenden Schwäche in der zweiten Jahreshälfte laut neuer Prognose zurückgehen. Für Asien wird das stärkste Exportwachstum aller Regionen 2025 erwartet. Knapp dahinter folgt Afrika.
Der Containerumschlag-Index ist zuletzt nahezu stabil geblieben, wobei Europas Häfen ein widersprüchliches Bild zeigen: Der Trend weist eigentlich nach oben – im August aber fiel der Umschlag deutlich. Insgesamt ist das Niveau aber hoch. Allerdings: „Die vollen Preiseffekte der Zölle sind noch nicht sichtbar. Daher dürfte der Umschlag künftig schwächer werden“, sagt RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt.
Der im Rahmen der Einkäuferumfragen ermittelte Index für neue Exportaufträge gilt ebenfalls als zuverlässiger Frühindikator für den Welthandel. In der Industrie sind die Indizes der meisten Volkswirtschaften zwischen Januar und August gesunken. Eine größere Ausnahme ist hier Italien. Auffällig sind die Rückgänge in Kanada, UK und Japan. Die Indizes der USA und Chinas gingen leicht zurück.
KI-bezogene Güter – darunter Halbleiter, Server und Telekommunikationsgeräte – trugen fast die Hälfte zum Handelswachstum im ersten Halbjahr bei und stiegen wertmäßig um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Handelswachstum erstreckte sich über die gesamte digitale Wertschöpfungskette, von Rohsilizium und Spezialgasen bis hin zu Geräten für Cloud-Plattformen und KI-Anwendungen. (cs)
Die USA sind zwar weiterhin der wichtigste Exportmarkt für Deutschland. Im August gab es jedoch den fünften Rückgang in Folge – und zugleich den niedrigsten Wert seit November 2021. China befindet sich als Exportmarkt bereits länger im Abschwung. Ursachen sind die erfolgreiche Umsetzung der chinesischen Industriepolitik und damit eine zunehmende Eigenständigkeit des chinesischen Markts.






