Streusalz für den Schweizer Winter

Während in der Schweiz Bodenschätze wie Erz, Kohle oder Erdöl fehlen, ist Salz in großen Mengen vorhanden. Es dient nicht nur dem Konsum und der Industrie, sondern sichert im Winter auch die Verkehrssicherheit auf den Straßen. Produziert wird es an drei Standorten der Schweizer Salinen: in Schweizerhalle (Kanton Basel-Landschaft) und Riburg (Kanton Aargau) sowie in Bex (Kanton Waadt). Dort wird neben Salz für Speisen, Landwirtschaft, Pharma, Regenerierung, Wellness sowie Industrie und Gewerbe auch Auftausalz hergestellt. Von den jährlich produzierten 400.000 bis 600.000 Tonnen entfallen darauf 40 bis 60 Prozent. Im Winter sorgt das Auftausalz für befahrbare Straßen.
Für die Logistik besonders relevant ist der Standort Riburg: Dort werden nicht nur 80 bis 90 Prozent des Schweizer Streu- und Regeneriersalzes gefördert, sondern das Werk verfügt auch über ein Anschlussgleis. Der Bahnanteil beim lose transportierten Auftausalz lag im vergangenen Jahr bei einem guten Viertel. Bezieht man das palettierte Auftausalz ein, wurden knapp 30 Prozent des Salzes per Bahn transportiert. Bis 2024 wurde die Loseware in zweiachsigen UCS Bahnwagen – wie sie auch für den Zementtransport eingesetzt wurden – transportiert. Nach dem Wegfall dieses Waggontyps und der Einführung vierachsiger Tragwagen für Silo-Container fand ein Systemwechsel statt. Seither ist der Umschlag von der Bahn auf den Lkw zwingend erforderlich.
Da jedoch nicht alle bislang auf der Schiene angefahrenen Terminals über das notwendige Umschlag-Equipment verfügen, konnte das bisherige Netzwerk nicht mehr in seiner bisherigen Form erhalten werden. „Trotzdem möchten wir den Bahnanteil in den kommenden Jahren erhöhen“, sagt Frank Butz, Leiter Unternehmenskommunikation der Schweizer Salinen. „Das Ziel von 45 Prozent und den Zeithorizont von 2027 bewerten wir aktuell neu – unter der grundsätzlichen Ausrichtung hin zu mehr Bahntransport.“
16 regionale Salzdepots
Dieser führt von den Salinen südöstlich von Basel in die Ostschweiz, die Romandie, das Wallis, das Tessin und in das Gebirgskanton Graubünden. Dazu stellt die firmeneigene Rangierdiesellok die beladenen Wagen jeweils an den nächstgelegenen Bahnhof in Möhlin, wo SBB Cargo übernimmt. Über die Rangierbahnhöfe in Muttenz bei Basel und im Limmattal im Raum Zürch erreichen sie im Einzelwagenladungsverkehr die 16 regionalen Salzdepots der Kunden – meist Kantone und Gemeinden mit ihren Werkhöfen. Auftausalz wird zudem verpackt über Groß- und Einzelhändler verkauft – etwa zum Auftauen von Garageneinfahrten.
Alternativen zum Auftausalz spielen in der Schweiz bislang kaum eine Rolle: „Sand, Bims, organische Zusätze im Sprühwasser zur Reduktion des Salzgehalts sind uns bekannt. Aber in der Schweiz wird hauptsächlich Auftausalz oder Sole für den Winterdienst auf Straßen genutzt“, sagt Butz. Der Klimawandel mit steigenden Schneefallgrenzen und kürzeren Wintern sei bereits spürbar: „Der Bedarf an Auftausalz kann bereits heute um den Faktor 3 bis 4 je nach Verlauf eines Winters schwanken.“ Da extreme Wettersituationen vermehrt und kurzfristig auftreten könnten, sei eine zuverlässige Versorgung weiterhin entscheidend. Die Bedürfnisse der 24/7-Gesellschaft erforderten auch einen vermehrten Einsatz der Straßen-Winterdienste. „Daher gehen die Schweizer Salinen davon aus, dass der Bedarf an Auftausalz trotz eventuell öfter auftretender milder Winter konstant bleiben dürfte.“
Im Sommer an den Winter denken
Auftausalz wird vor allem im Winter benötigt. Da der Einsatz in höheren Lagen meist schon ab Mitte Oktober beginnt, müssen die dezentralen Salzlager bereits im Sommer, spätestens im Frühherbst aufgefüllt werden. Je nach Winterverlauf beziehen die Kunden bis ins Frühjahr das körnige Weiß. Vor diesem Hintergrund betrifft die Reorganisation der Einzelwagen bei SBB Cargo auch die Schweizer Salinen: „Die angekündigten Entwicklungen erfordern mittelfristig alternative Lösungen, um den Bahntransport weiter erhöhen zu können“, sagt Butz.
Enteist werden müssen aber nicht nur die Straßen, sondern auch Flughäfen. Der Engadin Airport St. Moritz-Samedan, der mit 1.707 Metern über Meer (m ü. M.; schweizerische Höhenangabe) als der höchstgelegene Flughafen Europas gilt, setzt dabei auf eine andere Strategie: „Grundsätzlich verzichten wir auf Enteisungsmittel,“ unterstreicht COO Martin Binkert. „Wir streben die Schwarzräumung mit mechanischen Mitteln an.“ Zum Einsatz kommen dafür Kombi-Kehrblasgeräte, die den Schnee wegpflügen, dann mit der Bürste die Fläche säubern und zuletzt mit einem Gebläse den Schneestaub wegpusten. Nur bei Klareis verwendet das Airport-Team einen flüssigen, auf Kaliumsalz basierten Landebahnenteiser, der per Lkw in 1.000-Liter-Bulk-Containern angeliefert wird.
Dank Schneepflügen, Schneeschleudern und Auftausalz kann das Oberengadin auf den Kantonsstraßen über die Pässe Julier (2.284 m ü. M.) aus Richtung Norden und Bernina (2.328 m ü. M) aus dem Süden sowie über die Autoverladung Vereina (Klosters–Sagliains, 1.432 m ü. M) ganzjährig erreicht werden. Der Transport erfolgt in Silocontainern per Bahn: zunächst mit der SBB auf der Normalspur von Riburg über Muttenz nach Landquart, anschließend nach Reachstacker-Umladung auf der meterspurigen Rhätischen Bahn zum Terminal von Samedan. Dort werden die Container auf Lkw umgeschlagen und zu den Silos gebracht. Palettiertes Streusalz wird in Schiebewandwagen für Stückgut-Logistikkunden und den Einzelhandel auf der Schiene geliefert. Die Lieferfrist beträgt rund zwei Tage. Und die Kosten für diese anspruchsvolle Logistikkette? „Eine Tonne Auftausalz kostet schweizweit gleich viel“, erklärt Butz, „egal, ob der Transport zwei Stunden oder zwei Tage dauert. Mit dem fixen Preis unterstützen wir solidarisch die Schweizer Randregionen.“ (cb)
