Neues Rezept gegen den Parkplatzmangel

Nach wie vor gibt es entlang der Autobahnen zu wenig öffentliche Lkw-Parkplätze. Über das digitale Mautsystem ließe sich das Problem lösen – wenn die Regularien angepasst werden. Ein Konzeptvorschlag.

Auf zahlungspflichtigen Parkplätzen finden Lkw freie Stellplätze. (Foto: Imago)

Das Drama beginnt jeden Werktag gegen 17.00 Uhr. Mehr und mehr Lkw steuern Rastplätze entlang der Autobahnen an, wo die Fahrer ihre Ruhezeit zwischen zwei Arbeitsschichten verbringen wollen. Das Problem: Je später sie nach einem Stellplatz suchen, umso schwieriger wird es, einen zu finden.

In Deutschland fehlen laut einer aktuellen Erhebung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) aus dem Jahr 2023 etwa 19.630 Lkw-Stellplätze entlang der Autobahnen. Was zunächst abstrakt klingt, hat sehr reale Konsequenzen: 19.630 Lkw-Fahrer suchen entlang der deutschen Autobahnen vergeblich nach einem Stellplatz – und das jeden Tag aufs Neue.

Über den Autor:

Jan-Philipp Weers ist Abteilungsleiter bei Bosch Service Solutions GmbH in Frankfurt und verantwortet die Bosch Road Service Angebote „Bosch Secure Truck Parking“ und „Bosch Truck Charging“. Er ist Mitglied des Beirats für die Studie zur Verfügbarkeit geeigneter Ruheeinrichtungen für Berufskraftfahrer und gesicherter Parkeinrichtungen sowie zur Entwicklung sicherer und geschützter Parkmöglichkeiten in der EU (MOVE/C1/SER/2023-138).

Da Lkw-Fahrer jedoch gesetzlich verpflichtet sind, Pausen einzulegen, um ihre vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten, führt diese Situation für alle betroffenen Fahrer zu erheblichem Stress. Wer keinen Stellplatz findet, ist gezwungen, verkehrswidrig und damit verkehrsgefährdend zu parken – etwa auf Zufahrten zu Raststätten oder in Wohngebieten. Angesichts der Tatsache, dass Lkw für jeden Kilometer auf deutschen Autobahnen hohe Mautgebühren zahlen, könnte man erwarten, dass ihnen ein „angemessener“ Stellplatz zusteht. Doch die Realität sieht anders aus.

Das Problem wird durch die Elektrifizierung der Lkw künftig noch verschärft. Einerseits führt die Installation von Ladeinfrastruktur auf Stellplätzen zu einem Platzverlust von bis zu 30 Prozent (wenn Ladepunkte erdgebunden zwischen den Lkw installiert werden). Andererseits werden voraussichtlich separate Stellflächen für Elektro-Lkw ausgewiesen, was die ohnehin angespannte Parksituation weiter verschärfen wird.

Maßnahmen der Politik

Die Bundesregierung hat einen 5-Punkte-Plan entwickelt, um die Schaffung zusätzlicher Lkw-Stellplätze voranzutreiben:

  • 1. Ausbau der Parkkapazitäten
    Es sollen weitere Lkw-Parkkapazitäten entlang der Autobahnen geschaffen werden. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) weist jedoch darauf hin, dass aufgrund begrenzter Bauflächen und langwieriger Planungsverfahren die Stellplatzlücke allein durch diese konventionelle Maßnahme nicht geschlossen werden kann.
  • 2. Telematische Parkverfahren
    Mit Hilfe telematischer Systeme soll das sogenannte „Kolonnenparken“ ermöglicht werden, um die vorhandenen Flächen effizienter zu nutzen. Dieser Ansatz macht jedoch den Aufbau einer kostspieligen und wartungsintensiven Infrastruktur notwendig. Daher sind derzeit nur vier Anlagen in Betrieb. Bis Ende 2025 sollen lediglich drei weitere Anlagen hinzukommen.
  • 3. Effizientere Nutzung vorhandener Flächen
    Hierzu zählt die Freigabe von Pkw-Stellflächen für Lkw während der Nacht sowie die Optimierung der Parkraumgestaltung, etwa durch das Zulassen von Rückwärtsparken.
  • 4. Digitalisierung und Stellplatzinformationsdienst
    Ein digitaler Informationsdienst soll Lkw-Fahrern ab Mitte 2026 in Echtzeit anzeigen, wo freie Stellplätze verfügbar sind. Dieser Dienst basiert auf Daten von Toll Collect, die mit Hilfe der in den Lkw verbauten On-Board-Units erhoben werden. Auch wenn keine zusätzlichen Stellplätze geschaffen werden, profitieren Fahrer von einer besseren Übersicht, wo noch Stellplätze verfügbar sind. Diese Technik hat erhebliches Potenzial über einen reinen Informationsdienst hinaus.
  • 5. Förderung privater Investitionen
    Das im Juli 2021 aufgelegte Förderprogramm SteP hat ein Volumen von 110 Millionen Euro. Bezuschusst werden Neu- und Ausbaumaßnahmen von Lkw-Stellplätzen in unmittelbarer Autobahnnähe, beispielsweise auf Betriebs- und Autohöfen. Auf diesem Weg konnten bereits von privaten Investoren in relativ kurzer Zeit 2.200 zusätzliche Lkw-Stellplätze (Stand 11/2024) geschaffen werden. Im Schnitt kostet ein geförderter, privat errichteter Lkw-Stellplatz den Steuerzahler unter 50.000 Euro je Stellplatz, was wesentlich günstiger ist, als wenn der Bund Lkw-Parkplätze errichtet. Hinzu kommt, dass der Steuerzahler nicht an den laufenden Kosten für den Betrieb der privat geschaffenen Stellplätze beteiligt wird.

Das System bestraft Frachtunternehmer

Der Staat kann die Lücke an fehlenden Lkw-Stellplätzen mit konventionellen Maßnahmen nicht schließen. Auch Optimierungen des Bestands werden keinen signifikanten Beitrag leisten können. Allerdings wird die Digitalisierung forciert, wobei private Investitionen gefördert werden. So können relativ rasch dringend benötigte Zusatzkapazitäten geschaffen werden und dies zu günstigeren Kosten, als wenn von staatlicher Seite Lkw-Parkplätze gebaut würden.

Das Problem ist allerdings, dass private Stellplätze kostenpflichtig sind und die Kapazitäten daher nicht ausgeschöpft werden. Die Auslastung der privat betriebenen, kostenpflichtigen Stellplätze liegt – je nach Region – nur zwischen 60 und 80 Prozent, während die Auslastung der öffentlichen Stellplätze bei über 100 Prozent liegt – dort parken mehr Lkw, als Stellplätze ausgewiesen sind.

Hintergrund dieses Ungleichgewichts ist, dass Lkw, die auf private Stellplatzkapazitäten ausweichen, doppelt bezahlen müssen. Zum einen werden sie (indirekt) über die Maut pauschal an den Kosten für die öffentliche Parkplatzinfrastruktur beteiligt und zusätzlich müssen sie Parkgebühren auf privaten Parkplätzen entrichten. Fuhrunternehmen, die aus Rücksicht auf die Verkehrssicherheit ihre Lkw auf private und damit auch kostenpflichtige Stellplätze ausweichen lassen, wenn die öffentlichen Stellplätze voll sind, haben tendenziell einen Kostennachteil gegenüber Wettbewerbern, die ihren Fahrern das Parken auf privaten Stellplätzen untersagen.

Nutzungsbezogene Maut löst Probleme

Für einen gerechten Ausgleich könnte eine Umgestaltung der Maut sorgen: Diese könnte nicht nur strecken-, sondern nutzungsbezogen erhoben werden. In diesem Fall würde nicht nur die Wegstrecke, sondern auch das Parken auf öffentlichen Stellplätzen zur Nutzung der öffentlichen Infrastruktur gehören.

Der Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass ein Lkw, der auf einen privaten Stellplatz ausweicht, nicht mehr doppelt belastet würde. Eine Incentivierung über einen Mautrabatt von zum Beispiel 12 Euro würde dazu führen, dass sich die Mehrkosten für die Nutzung eines privaten Parkplatzes auf einem Autohof deutlich reduzieren.

Auch das Problem des verkehrswidrigen Parkens kann damit gelöst werden: Weist ein Frachtführer seinen Fahrer zum Beispiel an, auf einem nicht ausgewiesenen Lkw-Parkplatz zu übernachten, also etwa in einem Wohngebiet, wird kein Mautrabatt gewährt. Dieses Vorgehen lohnt sich also finanziell nicht mehr. Die Umstellung auf eine nutzungsabhängige Lkw-Maut ist übrigens ohne großen Aufwand möglich. Das von Toll Collect betriebene System ist dazu schon jetzt technisch in der Lage – und zwar ohne nennenswerte Zusatzkosten. Gleichzeitig ist es möglich, neben den öffentlichen Lkw-Stellplätzen auch alle privat betriebenen, Lkw-tauglichen Stellplätze in Autobahnnähe auszuweisen. Allerdings müsste die Politik dafür noch einen entsprechenden rechtlichen Rahmen schaffen.

Mehr Investitionen, Wettbewerb und Sicherheit

Der Lösungsansatz schafft übrigens keinen Subventionstatbestand, sondern ist eine rein ordnungspolitische Maßnahme, die die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzt, um die Maut verursachungsgerechter abzurechnen.  Die Abschaffung der Preisunterschiede für private Stellplatzbetreiber wird zu vermehrter Investitionstätigkeit und mehr Wettbewerb führen. Insofern ist zu erwarten, dass das Angebot an Lkw-Stellplätzen und gleichzeitig auch die Qualität des Angebots zunehmen wird. (ben)

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