Mit dem E-Lkw von Zürich bis Valencia

Das Schweizer Unternehmen Krummen Kerzers setzt auf unterschiedliche Lkw-Antriebe. Unter anderem sind auch E-Lkw dabei. Deren europaweiter Einsatz fordert aber erheblichen Planungsaufwand.

Mit einem E-Lkw hat ein Fahrer von Krummen Kerzers die Strecke von Zürich nach Valencia und zurück absolviert. (Foto: Krummen Kerzers)

Wohl nur wenige Lkw-Fahrer sind bei der Rückkehr von einer internationalen Tour von zwei Unternehmenschefs empfangen worden. Balint Schnell hat dies erlebt. Als der erfahrene Trucker am 23. Januar 2023 in Zürich aus der Fahrerkabine des Volvo FH Electric kletterte, warteten Peter Krummen, Co-Geschäftsführer von Krummen Kerzers, und Boris Jost, Inhaber des Biofruchthändlers Casa de Mas, auf ihn. Schnell hatte einen Rekord aufgestellt und eine 3.000 Kilometer lange Tour von Zürich nach Valencia und zurück mit einem elektrisch angetriebenen 40-Tonner zurückgelegt. Im Trailer transportierte er Zitrusfrüchte von Casa de Mas.

Für die Rekordtour nahm Schnell einige Nachteile in Kauf. Weil er festgelegte Ladepunkte anfahren musste, mit vorausschauender Fahrweise den Verbrauch reduzieren und auf Topographie und Gegenwind achten sollte, dauerte die Tour fast eine Woche statt vier Tage. Die Einzelheiten hatte Peter Krummen ausgetüftelt und festgestellt, dass trotz der noch dünnen Ladenetzwerke vor allem in Spanien eine durchgehende Tour mit einem E-Lkw möglich ist. „Diese Fahrt setzt neue Maßstäbe“, meint Krummen. „Ich bin zuversichtlich, dass E-Trucks auf Langstrecken in einigen Jahren zum Alltag gehören.“

Nachhaltigkeit erfordert Vielfalt

Auf dieses Ziel arbeitet der Logistiker, der das Familienunternehmen mit seinem Bruder Hans seit 1996 leitet, seit Jahren hin. Gerne positionieren die Brüder den Dienstleister aus dem westschweizerischen Kerzers als „modernes und nachhaltiges“ Unternehmen, das „höchste Ansprüche an seine Leistungen“ stellt. Vor allem in puncto Klimaschutz soll der Dienstleister, der 420 Mitarbeiter in der Schweiz und in Deutschland beschäftigt, Vorreiter sein. Seit 2016 werden alle betrieblichen Emissionen erfasst und Pläne für deren Reduktion entwickelt. Weil der Fuhrpark über 90 Prozent der Emissionen verursacht, steht er im Fokus der Transformationsstrategie.

Knapp jeder dritte der rund 200 Lkw fährt mittlerweile mit alternativen Antrieben, Tendenz weiter steigend. Die Krummens nutzen hierfür das komplette Technologieportfolio. „Wir sind der festen Überzeugung, dass Nachhaltigkeit Vielfalt erfordert“, lautet ihr Credo.

Als Spezialist für Food-Logistik und Pharmatransporte haben die Westschweizer Erfahrung mit anspruchsvollen Branchenlösungen. Außerdem bieten sie Containertrucking für die Terminals Basel und Charvorney an und haben Baustellen- und andere Spezialfahrzeuge im Portfolio. Während der vergangenen Jahre ist das Unternehmen mit 300 nationalen und internationalen Stammkunden vor allem mit europäischen Lebensmittelverkehren kontinuierlich gewachsen und meldet für 2023 nochmals einen zweistelligen Zuwachs.

Internationale Transporte

Ohne dieses Wachstum wäre die Nachhaltigkeitsstrategie kaum finanzierbar. Rund 90 Prozent der Investitionen fließen in alternative Antriebstechnologien. Weil in keinem Geschäftsfeld herkömmliche Dieselfahrzeuge ohne Abstriche ersetzt werden können, investieren sie in einen Mix aus erneuerbaren Technologien. Für jeden Einsatzbereich wollen sie den passenden Alternativantrieb haben und möglichst viele Emissionen überflüssig machen.

Die ersten Erfolge sind offenbar bereits da. Für 2023 haben die Westschweizer 4,2 Kilogramm CO₂ pro beförderter Palette errechnet, 2019 waren es noch 7,5 Kilogramm. Als Konsequenz gab es bereits mehrere Branchenpreise. 2022 wurde Krummen Kerzers mit dem zweiten Lean & Green-Stern des landesweiten Logistics Award ausgezeichnet, 2023 gewann der Dienstleister den europäischen Eco Performance Award. Außerdem ist er Mitglied des Wirtschaftsverbands Swiss Cleantech, der die Schweiz bis 2050 klimaneutral machen will.

1/3 der rund 200 Lkw von Krummen Kerzers fährt mit alternativen Antrieben.

90 Prozent der Investitionen fließen in alternative Antriebstechnologien.

(Quelle: Unternehmensangaben)

LBG-Konzept zu teuer

Gegenwärtig fußt das pluralistische Fuhrparkkonzept vor allem auf Elektro-Lkw mit Batterie (BEV). Mit 15 BEV gehört Krummen Kerzers zu den größten Betreibern von E-Flotten in der Schweiz, 16 weitere E-Lkw werden 2024 und 2025 ausgeliefert. Außerdem setzt das Unternehmen Lkw ein, die mit Liquified Natural Gas (LNG) und Liquified Biogas (LBG) betrieben werden. Die aktuell 30 LNG-Fahrzeuge fahren vor allem für Lidl Schweiz. Mit dem Discounter hat der Dienstleister ein landesweites Distributionskonzept entwickelt. Weil jedoch LNG verflüssigtes Erdgas ist, wird dieser Energieträger wohl nie Favorit der Schweizer werden. Sie wollen unabhängig von fossilen Energien werden.

Mit LBG scheint dieses Ziel auch deshalb gewährleistet, weil eine originär eidgenössische Lösung möglich ist. Aus Kuhmist und Gülle von heimischen Weiden soll verflüssigtes Methan in lokalen Anlagen produziert werden. Allerdings sind Biogas-Lkw im Gegensatz zu E-Lkw nicht von der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA), der Schweizer Version der Lkw-Maut, befreit. Weil die aktuellen Rahmenbedingungen eine eigene LBG-Produktion im großen Stil unwirtschaftlich machen, importiert Krummen Kerzers LBG aus dem nahen Ausland, was den Nachhaltigkeitseffekt mindert. Trotzdem konnten die Schweizer 2023 rund 400.000 Kilometer mit Biogas zurücklegen und so gegenüber herkömmlichen Diesel-Lkw 350 Tonnen CO₂ einsparen.

Ansonsten können sie ihr Fuhrparkkonzept jederzeit an neue Rahmenbedingungen anpassen. Spätestens 2031 sind diese zu erwarten, wenn die LSVA auch für E-Lkw erhoben werden soll. Ob dann durchgehende Transporte mit E-Lkw nach Spanien und anderen südeuropäischen Ländern zum Alltag gehören, bleibt abzuwarten. Aktuell planen die Schweizer nach der Valencia-Tour 2023 keine weiteren Pionierfahrten. Die Lücken in Lkw- Ladenetzwerken sind noch zu groß. Trucker Schnell musste bei seiner Tour wiederholt Pkw-Ladestationen aufsuchen. Vor allem wegen deren längerer Ladedauer war er fast eine Woche unterwegs. (fh)

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