Terror in Israel: Eskalation könnte Lieferketten stören

Noch ist unklar, welche Folgen der Krieg im Nahen Osten auf die internationale Logistik haben wird. Nach Einschätzung von Risikomanagement-Experten befinden sich jedoch Hunderte von Zulieferern im Konfliktgebiet, zu deren Kunden internationale Konzerne zählen.

Ein israelischer Feuerwehrmann versucht nach einem Raketenbeschuss, ein Feuer in einem Gebäude zu löschen. (Foto: picture alliance / AA | Mostafa Alkharouf)

Der Terrorangriff der Hamas auf Israel hat eine militärische Auseinandersetzung mit bereits Hunderten Toten auf beiden Seiten ausgelöst. Der Krieg fordert nicht nur Menschenleben. Nach Angaben von Everstream Analytics, einem Unternehmen für Risikomanagement in der Lieferkette, ist die kritische Infrastruktur in der Konfliktregion nahezu lahmgelegt. Dies könnte den Experten zufolge starke Auswirkungen auf die internationale Logistik haben.

Denn nach Analysen der Spezialisten befinden sich mehr als 350 Zulieferer in der Kriegszone nahe dem Gazastreifen. Diese lieferten Waren für die Medizintechnik, Maschinen, Elektronik, Chemikalien, die Automobilindustrie und andere Fertigungsbranchen. Internationale Unternehmen seien auf diese Lieferanten auf vorgelagerten Wertschöpfungsstufen angewiesen, so unter anderem 3M, Stanley Black & Decker, Bombardier oder Daimler Truck.

In einigen Städten und Dörfern entlang des Gazastreifens befänden sich Industriezonen. Straßen zu und von diesen Standorten seien gesperrt. „Auf absehbare Zeit wird dies zu Werksschließungen führen“, teilte Everstream am Dienstagnachmittag mit.

Zu den betroffenen Lieferanten zähle zum Beispiel Polyrit Zikim, ein Anbieter von Polyurethan-integrierten Produkten, die später auch Teil der Produkte von Stanley Black & Decker, Bombardier und Daimler Truck seien. Oder Polymer G, ein Anbieter von speziellen Klebe- und Gießlösungen, dessen Kunden 3M einschließen. Der Elektronikkonzern Flex aus Singapur wiederum zählt laut Everstream zu den Abnehmern von Isralaser, einem Hersteller von mechanischer Ausrüstung.

„Die Firma Polyrit Zikim ist kein direkter Lieferant von Daimler Truck. Unsere Lieferkette ist stabil“, teilte ein Sprecher von Daimler Truck der DVZ auf Anfrage mit.

Mehrere internationale Fluggesellschaften haben Flüge zum und vom Hauptflughafen Israels in Tel Aviv gestrichen, darunter American Airlines, Delta, United Airlines, Lufthansa, Air France-KLM und Cathay Pacific. Der Straßenverkehr im Süden Israels ist aufgrund von Kontrollpunkten entlang wichtiger Autobahnen gestört. Der Hafen von Ashkelon ist nach Everstream-Angaben geschlossen, während andere wichtige Häfen wie Haifa und Ashdod geöffnet blieben.

„Unternehmen in den USA, Europa und anderswo werden in den kommenden Tagen und Wochen weiterhin von Störungen bei ihren Lieferanten betroffen sein“, teilte Everstream weiter mit. Arbeitskräftemangel aufgrund der Einberufung von Reservisten werde Unternehmen in ganz Israel zwingen, die Produktionsleistung in den kommenden Tagen und Wochen zu reduzieren.

IfW: Entwicklung des Ölpreises ist entscheidend

„Für die ökonomischen Folgen dieses Konflikts ist die Reaktion des Ölpreises zentral“, sagte Prof. Moritz Schularick, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) am Montag in Kiel. „Solange die großen Ölproduzenten in der Region nicht reagieren oder von dem Konflikt betroffen sind, werden die unmittelbaren konjunkturellen Auswirkungen gering sein“, ist er überzeugt. Die Beziehungen von Saudi-Arabien und der Vereinigten Arabischen Emirate zu Israel hätten sich zuletzt eher verbessert, merkte er an.

Der Ölpreis habe zwar mit einem kurzfristigen Anstieg reagiert, das Ausmaß sei aber bislang nicht dramatisch. „Die hohen Niveaus, die er Ende September verzeichnete, wurden bislang noch nicht wieder erreicht“, fügte Schularick hinzu. Auch Hinweise auf Störungen in wichtigen Handelsrouten seien bislang nicht erkennbar. „Insgesamt erscheint damit derzeit das Risiko für die Weltkonjunktur eher gering“, meint er.

Allerdings komme ein weiterer potenzieller Spannungsherd in der geopolitischen Auseinandersetzung zwischen den USA und Europa auf der einen und den BRICS-Ländern auf der anderen Seite hinzu. „Zu diesen gehören inzwischen auch Iran und Saudi-Arabien. Sollte es in Folge des Konflikts zu einer Verschärfung der Sanktionen oder deren Durchsetzung gegen den Iran kommen, dann könnten auch die Ölpreise weiter steigen“, sagte der Wirtschaftsforscher.

Für den deutschen Außenhandel spiele Israel quantitativ keine bedeutende Rolle. Nur 0,4 Prozent der Warenexporte gingen zuletzt in das Land. Der Anteil der Importe ist laut IfW sogar nur halb so groß.

Der Angriff auf Israel hatte zudem die Ölpreise am Montag deutlich steigen lassen. Zwar spielt Israel für die weltweite Ölversorgung nur eine begrenzte Rolle, doch droht der Konflikt sowohl die USA als auch den Iran zu verwickeln. Dies hätte möglicherweise Folgen für die Durchfahrt von Schiffen durch die Straße von Hormus, durch die ein Großteil des weltweiten Rohöls transportiert wird. (cs/mit dpa)

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