Druck auf KEP-Dienste bleibt hoch

Das Volumen in der KEP-Branche ist 2023 zwar wieder leicht gewachsen, aber von einer deutlichen Erholung kann nicht die Rede sein. Das ist der Tenor des Bundesverbands Paket- und Expresslogistik (BPEX) vor Veröffentlichung der jährlichen KEP-Studie am 3. Juli. 2022 sank das deutschlandweite Aufkommen erstmals nach Jahren des Wachstums im Vergleich zum Jahr zuvor von 4,5 auf 4,2 Milliarden Sendungen.
Trotz der stabileren Mengen stünden alle Paketdienste unter enormem Druck durch hohe Lohnkosten, einen verhaltenen Konsum der Verbraucher und regulatorische Auflagen, erklärt Branchenkenner Rico Back im Gespräch mit der DVZ. In diesem Jahr erwartet der Unternehmensberater und ehemalige Royal-
Mail- und GLS-Chef keine großen Spielräume für Preiserhöhungen, wie sie die Dienste im vergangenen Jahr zum Teil durchsetzen konnten. „Insbesondere der B2C-Markt ist sehr preissensibel“, sagt Back. Dienste wie Hermes und DPD, die einen hohen Anteil an Privatkundengeschäft abwickeln, hätten dadurch massive Ertragsprobleme.
„Das Einzige, was derzeit wächst, sind die Kosten“, sagt Alexander Kohnen, Geschäftsführer des Nachtexpressdienstes Nox Germany. Er nehme eher eine Stagnation der Mengen und einen Kampf um Marktanteile wahr. Um den steigenden Kosten zu begegnen, versucht er, in seinem Unternehmen die Produktivität zu steigern und behutsam Preiserhöhungen durchsetzen. Daran führe aus seiner Sicht kein Weg vorbei. Sich die Mengen über einen Preiskampf zu ergattern, hält Kohnen für „verrückt“ und den falschen Weg.
Back ist überzeugt, dass die höheren Lebenshaltungskosten auch den Erfolg von Plattformen wie Temu und Shein begründen. Die Verbraucher hätten trotz der gestiegenen Kosten weiterhin ein Bedürfnis zu konsumieren und würden billigere Produkte kaufen. „Dieser Trend wird anhalten“, ist er sicher.
Back geht davon aus, dass Temu und Shein in den nächsten Jahren ihre Position in Europa weiter ausbauen und parallel Läger in Europa errichten werden, um die ab voraussichtlich 2028 geltenden strengeren Zollregelungen der EU zu erfüllen. Denn das bisherige Geschäftsmodell – die massenhafte Einführung von günstigen Waren, die unter der jetzigen Zollfreigrenze liegen – würde unter den neuen Regeln nicht mehr funktionieren. „Die Politik darf nicht glauben, dass sich die Wirtschaft von der Regulatorik abhalten lässt. Es gibt immer einen Weg.“
Systemveränderung nötig
Zwar gehen sowohl Back als auch der BPEX von weiterhin wachsenden Paketmengen aus, das allein sei aber kein Garant für ein gutes wirtschaftliches Auskommen. Damit die Dienste langfristig profitabel sind, empfiehlt Berater Back eine Systemveränderung. Dabei gehe es darum, sowohl Prozesse mit digitaler Hilfe zu optimieren als auch die Netze und Zustellung auf der letzten Meile neu zu denken. „Die strategische Entwicklung muss von dem Wissen getrieben sein, dass man künftig weniger Fahrer und flexible Arbeitskräfte zur Verfügung hat und somit die Standorte optimieren muss.“
Das sei einfacher gesagt als getan. Besonders großes Einsparpotenzial sieht Back in der Frequenz der Zustellung. „Die tägliche Zustellung in einem Gebiet ist noch eine heilige Kuh. Bislang traut sich niemand, daran etwas zu ändern, aber das wird kommen“, ist Back überzeugt. Ihm zufolge spart DHL durch die Verlängerung der Brieflaufzeiten als Teil der Postgesetznovelle jährlich rund 500 Millionen Euro Kosten ein. Eine Zahl, die DHL nicht kommentieren will und als „Spekulation“ bezeichnet.
Zudem sollten Kunden mehr mit in den Entscheidungsprozess eingebunden werden und je nach Notwendigkeit wählen können, ob sie eine schnelle Lieferung, gegen einen Aufpreis, oder eine langsamere und damit günstigere Zustellung wünschen, sagt Back.
Auch im kürzlich veröffentlichten „E-Commerce Trends Report“ von DHL findet sich der Ratschlag, die Verbraucher entscheiden zu lassen, wo und wie sie ihre Sendungen zugestellt haben möchten. Von den 12.000 befragten Kunden weltweit brechen 41 Prozent die Bestellvorgänge ab, weil die Versandkosten zu hoch sind. Mehr als zwei Drittel wünschen sich eine kostenfreie Lieferung. Da dieses Angebot für viele Händler keine Option sein dürfte, rät der Report, die Versandkosten indirekt in den Produktpreis mit einzupreisen. Knapp die Hälfte der Konsumenten würde diesen Weg bevorzugen. Wichtiger als die Schnelligkeit ist für Privatkunden in Backs Augen sowieso die Zuverlässigkeit der Lieferung.
Ein weiteres wichtiges Instrument für die Optimierung der letzten Meile sieht Back in den nutzeroffenen Whitelabel-Packstationen. Seit knapp zwei Jahren ist der österreichische Anbieter MyFlexbox auf dem deutschen Markt aktiv, der von den Salzburger Stadtwerken gegründet wurde und hinter dem kein Paketdienstleister steht. Zuletzt hat auch Marktführer DHL im März dieses Jahres den Aufbau eines offenen Netzwerks über eine Tochterfirma angekündigt, die allerdings zu 100 Prozent in der Hand des Bonner Konzerns ist. Back sieht in der Lösung einen sehr guten Weg, wenn „alle Dienste gleichermaßen sicher darauf zugreifen können und sich die Bedingungen nicht zugunsten eines Wettbewerbers ändern“. Schlussendlich wird die wirtschaftliche Not der Dienste diese Entwicklung vorantreiben. Denn die hohen Kosten für die Investition in eine Packstation ließen sich nur durch eine bestmögliche Auslastung kompensieren.