KI-Boom zwingt Logistik zum Handeln

Bis sich durch künstliche Intelligenz auf breiter Basis Produktivitätsverbesserungen zeigen, könnte es noch dauern. Unterdessen müssen sich Unternehmen auf den nächsten Wandel vorbereiten, meint DVZ-Redakteur Robert Kümmerlen.

Transport- und Logistikunternehmen loten derzeit aus, wie sie künstliche Intelligenz am besten nutzen können. Der Fokus liegt dabei auf internen Prozessen wie Sendungsverfolgung, Kapazitätsplanung, Dokumentenverarbeitung, Wissensmanagement und Vorhersagen. Das ist vernünftig und strategisch sinnvoll. Denn KI entfaltet ihren Mehrwert vor allem dort, wo klare, strukturierte Daten vorliegen und wiederkehrende Abläufe automatisiert werden können.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen allerdings auch, dass sich die Erwartungen nicht immer erfüllen. Experten zufolge stellt sich der wahre Nutzen ohnehin erst langfristig ein. Der Produktivitätsgewinn durch KI kann sich verzögern und weniger ausgeprägt sein als erhofft. In diesem Zusammenhang sprechen Ökonomen von einem Produktivitätsparadoxon: Große technologische Umwälzungen zeigen ihren messbaren Nutzen oft erst nach Jahren. Das war bei der Elektrifizierung oder der Verbreitung des Computers ähnlich. Es sind zunächst erhebliche Investitionen notwendig, die nur wenig messbare Verbesserungen liefern, bevor sich dauerhaft profitable Effekte einstellen. Wie groß diese dann tatsächlich ausfallen und wie schnell sie eintreten, ist derzeit jedoch nicht exakt vorhersehbar.

Es gibt Gründe, warum sich KI nur vergleichsweise langsam verbreitet, obwohl sie zugleich einen tiefgreifenden Wandel auslöst. Unternehmensinterne Reibungsverluste, unvollständige Datenintegration, fehlende Cloud-Infrastruktur oder hohe Lernkurven verzögern die Einführung neuer Systeme. Viele Unternehmen zögern zudem aus Angst vor organisatorischen Disruptionen. Dabei wirken menschliche Faktoren wie Misstrauen, Unsicherheit und interne Strukturen hemmend.

Bis die produktive Wirkung eintritt, sind also mehrere Investitionsrunden und organisatorische Anpassungen erforderlich. Und nicht zuletzt liegt es an der Technologie selbst. Speziell die generative KI liefert zwar einerseits beeindruckende Ergebnisse, ist aber andererseits für manche Anwendungen noch nicht ausgereift. Doch mit der weiteren Entwicklung wird die Fehleranfälligkeit sicherlich abnehmen.

Für die Logistikwirtschaft sind KI-Projekte somit einerseits experimentell und andererseits Teil eines systematischen Reifeprozesses. Sie helfen dabei, Kosten, Nutzen, Beschaffungsmöglichkeiten und Akzeptanz zu prüfen und sich schrittweise an ein Ziel heranzutasten. Nur so können Unternehmen herausfinden, welche KI-Anwendungen funktionieren und wo sich diese nicht rentieren.

Als ob das nicht schon genug wäre. Es gibt noch eine weitere relevante Entwicklung, die nicht nur Prozesse, sondern ganze Geschäftsmodelle fundamental betrifft. Denn die Technologie verändert nicht nur interne Arbeitsabläufe, sondern auch das Nutzungsverhalten von Menschen im Internet. Immer mehr Informationen werden nicht mehr über klassische Suchmaschinen gefunden. Google hat bereits darauf reagiert. Anfragen an ChatGPT, Claude, Perplexity oder Gemini werden direkt beantwortet. Der Besuch einer Webseite über einen Link wird überflüssig. Der Zugang zu Informationen ändert sich ebenso wie deren Auffindbarkeit. KI ist sowohl Portal (Einstieg) als auch Plattform (Interaktion).

Wer also in der KI-Welt nicht präsent ist, verliert möglicherweise an Reichweite und Einfluss. Unternehmen, die auf digitale Reichweite und Markenpräsenz angewiesen sind – etwa Logistikdienstleister mit erklärungsbedürftigen Angeboten oder solche, die neue Zielgruppen erschließen wollen –, müssen sich auch darauf einstellen.

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