Roboter optimieren Palettentransporte bei Hermes Fulfilment

Im Logistikzentrum Löhne setzt der Dienstleister autonome mobile Roboter für den Palettentransport ein. Die Integration der Technologie verändert Abläufe, interne Prozesse und Qualifikationsanforderungen für Mitarbeitende.

Thomas Saltenbrock (r.) und Vinort Mahalingam (2. v. r.) mit Kollegen bei der Vorstellung der Roboter in Löhne. (Foto: Hermes Fulfilment)

Seit Juni 2025 setzt Hermes Fulfilment im Logistikzentrum Löhne erstmals autonome mobile Roboter (AMR) für den Transport von Großpaletten in größerer Stückzahl ein. Dieser Schritt ist Teil einer konsequenten Automatisierungsstrategie, mit der das Unternehmen seine intralogistischen Prozesse an veränderte Marktbedingungen und wachsende Anforderungen an Effizienz und Flexibilität anpasst. Der 100.000 Quadratmeter große Standort in Nordrhein-Westfalen zählt zu den größten Großstück-Logistikzentren der Otto Group und ist auf die Handhabung schwerer und sperriger Güter wie Möbel, Elektrogroßgeräte, Polstermöbel und Matratzen spezialisiert. Auch Bestellungen mit mehreren Packstücken und Gewichten weit jenseits der 31,5-Kilogramm-Grenze sind hier Standard.

Die Besonderheit der Prozesslandschaft in Löhne sind die langen innerbetrieblichen Transportwege. Die kommissionierte Ware wird in der Regel bodennah auf Großpaletten bereitgestellt und anschließend im Warenausgang an den Hermes Einrichtungs Service übergeben, der die AMR parallel einführte und die Auslieferung im Zwei-Mann-Handling übernimmt. Bislang erfolgte dieser innerbetriebliche Transport durch Mitarbeitende mit klassisch gesteuerten Niederhubwagen. Künftig werden autonome mobile Roboter den Materialfluss ergänzen. Die 222 Kilogramm schweren Fahrzeuge stammen vom Hersteller Melkus Mechatronic und können jeweils bis zu 1.200 Kilogramm Nutzlast transportieren. Dank ihrer kompakten Bauweise und einer Hubhöhe von 240 Millimetern eignen sie sich für verschiedene Palettentypen, darunter Europaletten, Großpaletten und Corletten. Im Betrieb bewegen sich die AMR mit durchschnittlich 1,5 Metern pro Sekunde und navigieren mit Hilfe von Laserscannern sowie einer cloudbasierten Steuerungsplattform eigenständig durch die Lagerhalle.

Besondere Rahmenbedingungen

Die Entscheidung für die Einführung der neuen Technologie folgte auf eine intensive Strategie- und Evaluationsphase. „Zunächst haben wir eine ganzheitliche Vision entwickelt, um zu klären, welchen Mehrwert wir mit den Robotiklösungen schaffen wollen. Nachdem wir diese Frage beantwortet hatten, haben wir geschaut, welche Einzellösungen es am Markt gibt“, erläutert Vinort Mahalingam, der bei Hermes Fulfilment für die Robotikstrategie verantwortlich ist. Für Löhne als Pilotstandort sprachen die betrieblichen Rahmenbedingungen. Mahalingam weiter: „Das Sortiment in Löhne ist nicht homogen. Das bringt gewisse Herausforderungen mit sich, die wir dann natürlich auch im Projekt gespürt haben. Die langen Wege und das herausfordernde Sortiment waren die beiden Gründe, warum wir Löhne als ersten Standort ausgewählt haben.“

Laut Unternehmensangaben soll die Robotiklösung nicht nur die Effizienz und Sicherheit steigern, sondern auch Arbeitsplätze langfristig erhalten und neu definieren. „Bei uns arbeiten Mensch und Roboter Hand in Hand. Der Roboter ist ein Kollege des Menschen – das ist eine unserer obersten Prämissen. Unser Lager der Zukunft soll eine intelligente, flexible und vor allem menschenzentrierte Umgebung sein“, so Mahalingam weiter.

Die 222 Kilogramm schweren AMRs können jeweils bis zu 1.200 Kilogramm Nutzlast transportieren.(Foto: Hermes Fulfilment)

Die Umstellung auf automatisierten Palettentransport erforderte eine weitgehende Anpassung der Betriebs- und Sicherheitskonzepte. Thomas Saltenbrock, Betriebsleiter in Löhne, beschreibt die Entwicklung: „Wir haben an anderen Standorten bereits vor über zehn Jahren fahrerlose Transportsysteme eingeführt und seither überlegt, ob wir diese auch in der Großstück-Logistik einsetzen können. Bislang gab es aber keine Lösung für unser Sortiment, die allen unseren Anforderungen genügt hätte.“ Insbesondere die Kombination verschiedener Flurförderzeuge und Arbeitsweisen stellte Anforderungen an die Verkehrssteuerung. Saltenbrock weiter: „Die größte Herausforderung ist das Zusammenspiel zwischen Menschen, manuell betriebenen Flurförderfahrzeugen und den AMR. Wir mussten die Vorfahrtsregeln im gesamten Lager ändern – jetzt haben die AMR immer Vorrang.“

Wenige skeptische Mitarbeiter

Zur Förderung der Integration wurden die Mitarbeitenden frühzeitig in den Veränderungsprozess eingebunden. „Wir haben das Personal von Anfang an eingeweiht und offen kommuniziert. Unsere Mannschaft war informiert, wir haben große Plakate aufgehängt und regelmäßig den jeweiligen Status erklärt. Es war extrem wichtig für den Erfolg des Projekts, unsere Mitarbeiter von Anfang an mitzunehmen“, sagt Saltenbrock. Begleitende Schulungen, praktische Tests und Projektgruppen ermöglichten es den Beschäftigten, die neue Technik unter realen Bedingungen kennenzulernen und eventuelle Hemmschwellen abzubauen. Mittlerweile treiben laut Saltenbrock sogar ein Drittel der Beschäftigten aktiv Verbesserungen im Umgang mit der neuen Technologie voran, während sich nur ein sehr kleiner Teil skeptisch zeigt.

Insgesamt wurden bislang 25 akkubetriebene Roboter im Logistikzentrum Löhne integriert, weitere sind vorgesehen. Im Tagesbetrieb absolvieren die AMR rund 1.000 Transporte und legen dabei gemeinsam etwa 30 Kilometer zurück. Etwa 20 Prozent der Transporte werden weiterhin mit herkömmlichen Niederhubwagen durchgeführt, sodass auch bewährte Abläufe erhalten bleiben. In der Startphase übernehmen die Roboter 60 Prozent der Palettentransporte; mittelfristig soll dieser Anteil auf bis zu 80 Prozent steigen. Es werden regelmäßig weitere Optimierungspotenziale identifiziert, beispielsweise bei der Gestaltung von Übergabeplätzen und der Entzerrung von Verkehrswegen zwischen Menschen, AMR und klassischen Flurförderzeugen.

Die AMR sind mit einer cloudbasierten Leitstandsoftware ausgestattet, die sämtliche Bewegungen, Transportaufträge und Sicherheitszonen in Echtzeit überwacht und steuert. Mit Hilfe von Sensorik und Schnittstellen zur Lagerverwaltungssoftware können Hindernisse erkannt und umfahren sowie die vorgegebenen Routen eingehalten werden. Auch im Bereich Arbeitssicherheit wurden neue Standards gesetzt: Die AMR verfügen über eigene Prioritätsrechte im Verkehrsfluss und stoppen automatisch bei Gefahr. Alle Mitarbeitenden werden in den neuen Regelungen unterwiesen.

Hermes Fulfilment bewertet den Robotereinsatz als Pilotprojekt. Die dabei gewonnenen Erfahrungen und Daten sollen als Grundlage für eine mögliche Ausweitung auf weitere Standorte dienen. Nach Abschluss der Pilotphase ist zunächst eine Übertragung des Systems auf den Zwei-Mann-Handling-Standort der Hermes Fulfilment Gruppe in Ansbach geplant. Darüber hinaus gibt es Überlegungen, die Technik in zusätzliche logistische Bereiche wie den Wareneingang oder das Retourenmanagement einzubinden. Auch vertikale Automatisierungslösungen, etwa durch autonome Schubmaststapler, werden geprüft. Die zentrale Projektsteuerung und die Zusammenarbeit mit der Otto Group bilden den Rahmen für eine konzernweite Innovationsstrategie.

Das Unternehmen setzt auf eine Kombination aus Kontinuität und Innovation: Zwei Jahrzehnte Automatisierungserfahrung fließen in die aktuellen Projekte ein, während gleichzeitig neue Qualifikations- und Aufgabenprofile für gewerbliche Mitarbeitende geschaffen werden. Zusätzliche Weiterbildungsangebote ermöglichen eine aktive Mitgestaltung des Wandels. So entsteht ein Logistikstandort, der auf Personalknappheit, steigende Bestandsanforderungen und technischen Fortschritt gleichermaßen vorbereitet ist.

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ, DVZ-Brief oder DVZ plus 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt 4 Wochen kostenlos testen

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ, DVZ-Brief oder DVZ plus 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt 4 Wochen kostenlos testen

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Nach oben