Bei Audi steht der E-Lkw erst am Ende der Roadmap

Die Automobilindustrie befindet sich in einem Strukturwandel. Sie muss nicht nur ihre Produkte, sondern auch ihre Lieferketten so weit wie möglich dekarbonisieren. Darüber sprachen Topmanager kürzlich beim Forum Automobillogistik.

 

Audis Supply-Chain-Chef Dieter Braun Ende Februar beim Forum Automobillogistik in Wörth am Rhein. (Foto: BVL/Bublitz)

Die Daimler Truck AG, die auch E-Lkw produziert, setzt laut Vorstandsmitglied Karin Radström bei der Dekarbonisierung ihrer Inbound-Logistik im Werk in Wörth auf einen Beitrag dieser Fahrzeuge. Einige davon gingen an Kunden, die das Werk beliefern. Derzeit liefen etwa 50 der täglichen Transporte nach Wörth per E-Lkw, Ende 2026 wolle man „voll elektrisch“ sein, sagte Radström kürzlich beim Forum Automobillogistik von Bundesvereinigung Logistik (BVL) und Automobilverband VDA in Wörth am Rhein.

Weniger Bedeutung hat der in der Anschaffung noch deutlich kostspieligere E-Lkw derzeit für Audi. „Wir haben bei uns in der Logistik eine ganz klare Roadmap“, sagte Supply-Chain-Chef Dieter Braun in seinem Vortrag, und der Elektro-Lkw stehe dort „am Ende“. Man sei nicht davon überzeugt, dass der E-Lkw die mit der Dekarbonisierung verbundenen Anforderungen von Audi „heute, morgen oder übermorgen“ erfülle. Denn – und das sei einer der Widersprüche – die dekarbonisierte Logistik solle „zu gleichen Kosten funktionieren“.

Wenn mehr erneuerbare Energie im Netz verfügbar sei und der geplante Ausbau zustande komme, werde alternative Energie günstiger als fossile Kraftstoffe, sagte Braun. Und wenn die Anfangsinvestition in den E-Lkw gelinge, werde dieser „auch ein Erfolgsmodell“. Aber „eine nennenswerte Dekarbonisierung“ werde man „nicht in den nächsten sieben oder acht Jahren“ damit erreichen. Andere Fachleute sind aber der Ansicht, dass ein E-Lkw sich unter bestimmten Bedingungen schon heute rechnen kann.

Nach Brauns Angaben will Audi die CO2-Reduktion vor allem mit biogenen Kraftstoffen und einer Erhöhung des Bahnanteils erreichen. Über eine neue Zugverbindung zwischen Ungarn und Regensburg, die ab Anfang April täglich befahren wird, will Audi laut Braun in Osteuropa „eingesammelte“ Güter nach Westen bringen und umgekehrt. Eigentlich gehe es dabei um Kombinierten Verkehr, denn der Zug nutze das neue Trailer-Konzept von Helrom, das die horizontale Trailer-Verladung ermöglicht. Braun erinnerte auch daran, dass Audi in Ungarn produzierte Batteriemodule und -zellen inzwischen per Bahn nach Brüssel bringt und so Lkw-Fahrten einspart.

Ein weiteres Thema ist die Umstellung auf die Bio-Kraftstoffe Bio-LNG und HVO Fuel. Für Braun sind alternative Kraftstoffe eine „Brückentechnologie“ auf dem Weg zum E-Lkw-Zeitalter. Ein Thema sei dabei die Verfügbarkeit. „Wir durchfahren auch Länder, wo es noch kein Tankstellennetz gibt“, sagte er. Mitte März treffe man sich deshalb mit den 25 Top-Spediteuren von Audi sowie mit Tankstellenbetreibern zu einem „Green-Deal-Day“ – um zu besprechen, wo man Lkw und Tankstellen brauche.

Die Brückentechnologie bringe Audi in Sachen CO2-Ausstoß „nicht auf null“, aber sie ermögliche in kurzer Zeit eine deutliche Reduktion. Und wenn man dann „irgendwann“ mit grüner Energie betriebene E-Lkw „einphasen“ könne, „dann, glaube ich, haben wir unseren Reduktionspfad erfüllt“. Braun ergänzte zudem, bei der Planung CO2-reduzierter Transporte habe man hinsichtlich der Kosten eine positive Überraschung erlebt. Man habe dem Team dafür einen Kostenrahmen vorgegeben. Der sei aber „Stand heute“ nicht ausgeschöpft. „Wir sind bei plus minus null – und machen zusätzlich mit alternativer Energie Transporte.“

„Es wird für jede Technologie einen Markt geben“

„Unser zentraler Ansatz in der Logistik ist ‚Local for local‘“, sagte Michael Nikolaides, Senior Vice President Production Network, Logistics bei BMW. So sollen an den Standorten, an denen später E-Wagen der „Neuen Klasse“ gebaut werden, auch Produktionsstätten für die Hochvoltspeicher entstehen. Im neuen ungarischen BMW-Werk Debrecen, das 2025 als erstes Werk die neuen Wagen produziert, erprobe man zudem innovative Transportkonzepte. So werde die Speicher-Fertigung über einen „voll-elektrischen Routenzug“ an die Montage angebunden. Virtuell laufe die Fabrik bereits – als digitaler Zwilling auf der Nvidia-Plattform Omniverse.

So erprobe der Autobauer „virtuell schon neue Intralogistik-Konzepte neben allen Anlagentechniken“ und könne Innovationen schneller „und ohne operative Einschläge“ in Betrieb nehmen. Für die verbleibenden Transportkilometer nutze man „sämtliche Ansätze von alternativen Transportmöglichkeiten“, wobei die Bahn, mit der mehr als die Hälfte der Neuwagen die Werke verließen, ein wesentlicher Punkt sei.

Auf der Straße teste BMW mit Speditionsdienstleistern E-Lkw und biogene Kraftstoffe. Über letztere müsse man auch mit den Reedereien sprechen. Wasserstoff werde in der zweiten Hälfte der Dekade „durchaus eine Rolle spielen“, in der Intralogistik am Standort Leipzig habe BMW schon alle Stapler darauf umgestellt. „Es wird für jede Technologie einen Markt geben“, ist Nikolaides überzeugt. Das gelte nicht nur für die eigenen Produkte, sondern auch für Intralogistik und Logistik allgemein. So werde es Fälle geben, in denen der E-Lkw das Mittel der Wahl sei, in anderen sei es der Wasserstoff-Lkw.

Für Axel Frey von der Ulmer Seifert Logistics Group sind – wie für die anderen – die Mitarbeiter auf dem Weg zur Dekarbonisierung besonders wichtig. Man müsse „offen und ehrlich“ mit Herausforderungen umgehen, sich die Sorgen der Beschäftigten anhören und ihnen Veränderungen erklären. Denn: „Wir werden es am Ende nicht alleine bewegen, sondern unsere Mitarbeitenden werden es umsetzen.“ (cs)

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