Die Transformation von Reimer Logistics

Nach dem Tod des Firmeninhabers Simon Reimer 2019 stand das Unternehmen vor großen Herausforderungen. Sie wurden alle gemeistert.

Reimer Logistics ist das erste Unternehmen, das nicht als Dienstleister
für den Automotive-Sektor arbeitet
und dennoch im Gewerbegebiet an
der Hansalinie bauen durfte. (Foto: Reimer Logistics)

Wenn der Chef und Gesellschafter eines Unternehmens unerwartet stirbt, dann kommt zur Trauer bei Angehörigen und Mitarbeitern noch die Unsicherheit dazu, wie es jetzt weitergehen wird. Passiert das Ganze auch noch während einer entscheidenden Transformations- und Umzugsphase, sind die Herausforderungen doppelt groß. In dieser Situation befand sich 2019 Reimer Logistics nach dem Tod von Inhaber und Geschäftsführer Simon Reimer.

Die Bremer Gruppe mit 250 Mitarbeitenden arbeitete zu der Zeit an vielen Stellen daran, ihr etwas angestaubtes Image abzulegen, wie sich Heike Nickel, die heute zusammen mit Marc Soupart die Geschäftsführung bildet, erinnert. „Mit unserem ehemaligen Zusatz BWG im Firmennamen war eher die Assoziation mit Stückgut und Lkw verbunden. Wir haben in Bremen weit mehr gemacht, aber als Logistiker, der professionell Warehousing betreibt, wurden wir kaum wahrgenommen.“

Mit der Namensänderung in Reimer Logistics und einem neuen Logo wurde 2014 der Anfang gemacht, um auch nach außen stärker auf dem Markt zu erscheinen – die Firma Reimer Logistics gibt es immerhin schon seit 1925. Doch beim Wandel vom Dienstleister für Transport, Umschlag und Lagerung (TUL) zum Full-Service-Logistiker sollte es nicht bleiben. Parallel zum wachsenden Geschäft vor allem mit Kunden aus der Chemiebranche wurde auch das Firmengelände in der Bremer Überseestadt zu klein.

41 Mio.

Euro hat der Neubau des Verwaltungs- und Terminalgebäudes von Reimer Logistics gekostet.

Noch zu Lebzeiten suchte Simon Reimer nach einem neuen Standort mit mehr Entwicklungsperspektive. „In der Überseestadt hatten wir die 26.300 Quadratmeter Grundstück mit 10.000 Quadratmeter bebauter Fläche ausgeschöpft. Die Weser und angrenzende Bebauung machten eine Expansion unmöglich“, sagt Nickel (61), die schon seit 2011 für Reimer arbeitet und 2019 zunächst das Unternehmen alleine führte, bis Marc Soupart (44) Anfang 2022 Co-Geschäftsführer wurde. Im Hause Reimer ist Soupart bereits seit 2016 als Niederlassungleiter Malsfeld tätig.

Lange Suche nach Flächen

Die Erweiterung des Unternehmensstandortes Bremen gestaltete sich schwieriger als erwartet. „Wir waren sogar in Niedersachsen und haben uns da umgesehen“, berichtet Nickel. Favorisiert war aber schon das Bremer Stadtgebiet, und am Ende fand sich im Gewerbegebiet an der Hansalinie das gewünschte Grundstück. „Wir sind der erste Dienstleister, der nicht zum Automotive-Sektor zählt, der sich hier ansiedeln durfte. Lange Zeit war das nicht möglich, weil die Stadt da bestimmte Vorstellungen zur Entwicklung hatte. Das hängt mit der Nähe zum Mercedes-Benz-Werk in Bremen-Sebaldsbrück zusammen“, erläutert Nickel. Letztlich fand der Umzug doch in die direkte Nähe der A1 statt, was die Verkehrsplanung und -abwicklung sehr erleichtert, wie die Geschäftsführerin findet.

Mit einem Investitionsvolumen von 41 Millionen Euro wurde das 120.000 Quadratmeter Grundstück in zwei Teilen entwickelt. Die eigene Bewirtschaftung durch Reimer Logistics findet auf 70.000 Quadratmetern statt. Dort wurden zwei Hallen mit jeweils 20.000 Quadratmetern gebaut und 2019 beziehungsweise 2020 in Betrieb genommen. Hinzu kommt das Bürogebäude mit rund 1.100 Quadratmetern für die Niederlassung und zentrale Funktionen des Unternehmens, das noch vier weitere Standorte in Malsfeld, Kassel, Witzenhausen und Quickborn unterhält. Zwei weitere Hallen mit 18.200 Quadratmetern sind an einen Kunden aus dem Automotive-Sektor verpachtet. „Wir können uns aber vorstellen, dass wir diese Hallen irgendwann auch selbst bewirtschaften“, sagt Nickel, die sich auch darüber freut, dass noch weitere Flächenreserven am neuen Domizil vorhanden sind. Dort könnten nochmals 10.000 Quadratmeter Hallenfläche geschaffen werden.

In den eigenen Anlagen in Bremen werden vor allem Produkte von Kunden aus den Kernbranchen Chemie, Lebensmittel und Consumer Goods gelagert, kommissioniert und versendet. Dazu kommen wertschöpfende Dienstleistungen wie Produktionsver- und -entsorgung, Musterzug, Etikettierung, Neutralisierung und Ähnliches. „Etwas Stückgut handeln wir auch“. Es gibt elf separate Lagerzellen für Gefahrstoffe mit 1.400 Stellplätzen. Beide Hallen können laut Nickel auch autark voneinander betrieben werden. Das ist insofern wichtig, als Reimer das IFS Food Zertifikat anstrebt. „Baulich sind wir dafür vorgerüstet“, sagt Nickel.

Eine Besonderheit bei Reimer ist die Transparenz gegenüber den Kunden. Bei der Digitalisierung werde darauf geachtet, dass Bestände jederzeit einsehbar sind. Dafür liefert Nickel ein Beispiel. „Wir haben auch kleine Kunden aus dem E-Commerce-Sektor, für die wir ein paar Paletten einlagern. Sie betreiben von zu Hause einen Shop und beauftragen uns mit dem Paketversand. Die wollen natürlich wissen, wo ihre Palette steht und welche Artikel noch vorhanden sind. Wir bieten den Kunden auch an, ihren Shop über unsere IT anzubinden.“

Reimer geht sogar so weit, Start-ups für ihre Tätigkeiten Büroräume anzubieten. Die gelernte Betriebswirtin Nickel hat dabei noch einen Trumpf im Ärmel: Sie hat während des Studiums selbst programmiert. „Mein Interesse an IT und Datenbanken ist immer noch groß, auch wenn ich jetzt keine Programme mehr schreibe“, sagt sie mit einem Lachen.

70.000

Quadratmeter Hallenfläche werden im Logistikzentrum selbst bewirtschaftet beziehungsweise verpachtet.

Leistungssteigerung mit eigener IT

Welche Bedeutung eine ausgeklügelte IT hat, lässt sich am Standort von Reimer in Malsfeld ablesen. Dort ist das Unternehmen seit vielen Jahren als Dienstleister für das Pharma- und Medizinbedarfsunternehmen B. Braun aus dem benachbarten Melsungen tätig. Verteilt über sechs Hallen mit 50.000 Quadratmeter Fläche werden dort alle Facetten der Logistik angeboten. 2016 führte Reimer dort eine eigene Software für die Lagerverwaltung ein. Bis dahin war im System von Braun gearbeitet worden. „Mit der eigenen Lösung konnte eine Leistungssteigerung um über 10 Prozent erreicht werden“, berichtet Nickel nicht ohne Stolz.

Jetzt wird die Software validiert, das heißt, sie muss in kritischen Prozessen bei Produktion, Vertrieb und Logistik von Arzneimitteln besondere Anforderungen erfüllen. Dazu gibt es verschiedene Regularien wie zum Beispiel den EU-GMP-Leitfaden. „Aktuell arbeitet unsere Software gemäß der Regularien unter der Kundensoftware. Nach der Validierung können wir selbstständig parallel zur Kundensoftware arbeiten“, verdeutlicht Nickel den Unterschied.

Einen Unterschied macht auch der neue Firmensitz gegenüber anderen Logistikimmobilien. Vor der Verwaltung liegt eine Wiese, die Insekten anziehen soll. Der Gedanke der Nachhaltigkeit findet sich auch bei der Konstruktion der Hallen wieder, die für Photovoltaik-Anlagen vorbereitet sind. „Wir werden uns in Bezug auf den Energieverbrauch umstellen müssen. Nicht immer mehr, mehr ist die Devise, sondern aus dem, was man hat, das Beste machen“, sagt Nickel.

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