Eiertanz um die Lkw-Maut

Der Streit über die Mautanpassung zeigt das Auseinanderdriften von Einzelinteressen. Besser wäre es, die großen Ziele Klimaschutz und Infrastrukturfinanzierung im Blick zu behalten, meint DVZ-Redakteurin Susanne Landwehr.

Maut für Luft und Lärm, Maut für CO₂-Emissionen, Maut für Nutzfahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen, Mautkompensation, Finanzierungskreislauf Straße: Die Ampel-Regierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag auf viele Änderungen des Bundesfernstraßenmautgesetzes verständigt. Die Richtung ist klar: mehr Geld für die Infrastruktur und weniger Emissionen zugunsten des Klimas. Doch trotz dieses Konsenses haben einige Abgeordnete offenbar den Blick für das Wesentliche verloren.

Eine seit April geplante Lkw-Mautanpassung zum 1. Januar 2023 drohte zu scheitern. Statt einen technischen Akt – nämlich die Umsetzung des jüngsten Wegekostengutachtens – schlank auf den Weg zu bringen, ergötzte sich die Politik im parteipolitischen Groß-Groß. Kurzzeitig landete das Thema sogar auf höchster Ebene beim Kanzler, weil sich die Damen und Herren im Verkehrsausschuss nicht einigen konnten.

Streit um Lkw-Maut beigelegt

Seit Freitag ist der Streit nun beigelegt. Die Vereinbarung lautet: Die Mautanpassung kommt wie geplant zum Jahresanfang, die Vorbereitungen für alle anderen Punkte in der Lkw-Mautgesetzgebung sollen zum 1. Januar 2024 stehen. Das ist sportlich und möglicherweise nicht umsetzbar, wie vor einigen Wochen bei einer Anhörung im Verkehrsausschuss zu vernehmen war.

Das Ganze ist eine unwürdige Auseinandersetzung. Sie raubt Zeit, Nerven, Geld und Vertrauen in die Politik. Zugleich offenbart sie in der Verkehrsbranche die vielen Einzelinteressen, die in schwierigen Zeiten wie diesen eher gebündelt werden sollten.

Von Anbeginn begleiten Skandale die Maut in Deutschland. Bei der Einführung für Lkw, bei dem Scheitern für Pkw, beim Untersuchungsausschuss, um das Debakel von Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer aufzuarbeiten. Offenbar macht das Lust auf mehr.

Tagesordnungspunkt wird zur News

Das Denken bewegt sich zwischen bösen Lkw und der lieben Bahn, bösen Straßen und schönen Schienen, Richtig und Falsch. Zugleich wurde das Thema in den vergangenen Wochen hochgejazzt und hochemotional begleitet. Die Verschiebung eines Tagesordnungspunktes im Verkehrsausschuss war plötzlich eine große Neuigkeit, es folgte der Run auf die Politiker mit den Fragen: „Wer will was? Wann? Warum?“.

Das Für und Wider einer Teilanpassung oder eines kompletten und großen Mautpakets hatte die Branche bis dahin schon ausführlich diskutiert. Es geht um Planbarkeit für die Vertragsverhandlungen mit Kunden, um zu große Belastungen für kleine und mittelständische Transportunternehmen vor dem Hintergrund exorbitant hoher Energiepreise. Es geht auch um eine mögliche Klageflut, sollte der Teilmautsatz für die Infrastruktur nicht zum 1. Januar 2023 gesenkt werden, so wie es das Wegekostengutachten empfiehlt.

Experten bezweifeln die schnelle Umsetzbarkeit des gesamten Vorhabens. So steht der versprochene Kompensationsmechanismus immer noch aus, weil er, wie es im Ministerium heißt, sehr kompliziert zu realisieren ist. Ohne Lösung fürchtet die Transportbranche, dass sie wegen des CO₂-Preises und des CO₂-Mautaufschlags doppelt belastet werden könnte.

Lieferschwierigkeiten bei On-Board-Units

Der Vertreter des Mautbetreibers Toll Collect sagte im Oktober in einer Anhörung im Bundestags-Verkehrsausschuss klar, dass die Ausstattung von Fahrzeugen ab 3,5 Tonnen mit On-Board Units (OBU) wegen der allseits bekannten Lieferschwierigkeiten nicht so schnell realisiert werden kann. Was bringen also Anhörungen, wenn starke Argumente nicht gehört werden und zuletzt eine politische Entscheidung die Realität ignoriert.

Der Kompromiss vom vergangenen Freitag zwingt das Bundesverkehrsministerium nun, bis Ende 2023 einen Gesetzentwurf vorzulegen. Das heißt: Es muss sich ab sofort darum kümmern. Im Sinne des Klimaschutzes ist das richtig, doch der nächste Skandal liegt schon in der Luft. Die Einführung wird zum 1. Januar 2024 nicht klappen.

Damit diskreditiert die Politik ein gutes Instrument und schwächt die eigene Botschaft: Wer Infrastruktur nutzt, muss auch dafür sorgen, dass sie erhalten bleibt. Das Vorgehen ist nun klar. Es bleibt das Gefühl, dass die Politik schon wieder an der Maut scheitert.

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