Vorbereitet sein auf den Belt-Boom

Der Bau des Fehmarnbelttunnels kurbelt die Nachfrage nach Logistikflächen an. Sowohl auf der dänischen als auch auf der deutschen Seite werden neue Logistik- und Gewerbeparks entwickelt.

Blick auf die Fehmarnbelt-Baustelle in Rødbyhavn im Mai 2023. (Foto: Femern A/S)

Es ist das größte Infrastrukturvorhaben in Nordeuropa. Und doch ist es zumindest in Deutschland kaum überregional bekannt: die feste Fehmarnbeltquerung, die ab 2029 die Insel Fehmarn per 18 Kilometer langem Auto- und Eisenbahntunnel mit der dänischen Insel Lolland verbinden soll. Und dabei Mitteleuropa und Skandinavien, Hamburg und Kopenhagen ein gutes Stück näher aneinanderrücken soll. Das dänische Konsortium Femern A/S arbeitet seit 2021 mit Hochdruck an der Umsetzung der Beltquerung (siehe Kasten).

Die Immobilien- und Logistikbranche beobachtet das Projekt sehr genau. Mehr noch: Sie schafft wie die Bagger von Femern inzwischen Fakten. Und zwar auf der dänischen wie der deutschen Seite der alten „Vogelfluglinie“ zwischen Mitteleuropa und Skandinavien.

Maribo als zentraler Umschlagpunkt

Da ist zum Beispiel der bremische Immobilienentwickler Peper & Söhne, der sich auf Gewerbeflächen spezialisiert hat. Im dänischen Maribo, zentral auf der Insel Lolland an der Autobahn E47 und mithin der „Vogelfluglinie“ gelegen, entwickeln die Bremer auf 50.000 Quadratmetern den Gewerbepark „Hub 48 Maribo“. Aktuell entstehen dort bereits sieben Handwerkerhöfe und vier Gewerbeflächen; im kommenden Jahr sollen noch mehrere „Light-Industrial“-Flächen für produzierendes Gewerbe sowie eine große Logistikhalle mit rund 8.000 Quadratmetern folgen.

Die Bauarbeiten im Belt

Rund 90 Prozent der Aushubarbeiten für den 18 Kilometer langen Belttunnel sind bereits abgeschlossen. Die drei Hallen der Tunnelelemente-Fabrik in Rödbyhavn sollen bis Ende 2023 fertig sein. Die Produktion des ersten der insgesamt 89 benötigten Tunnelelemente steht kurz bevor. Das dortige provisorische „Dorf“ für die Tunnelarbeiter ist mit rund 1.000 Personen belegt. Die Arbeiten an den Tunnelportalen in Puttgarden und Rödbyhavn laufen.

Nach Auskunft von Femern A/S liegen die Arbeiten im Zeitplan. Im Jahr 2029 sollen sowohl der Straßen- als auch der Bahntunnel in Betrieb gehen. Dänemark finanziert den Bau allein, darf für die Verbindung daher aber auch Mautgebühren erheben.

Für die Hinterlandanbindung auf der deutschen Seite ist ein Tunnel durch den Fehmarnsund parallel zur bestehenden denkmalgeschützten Fehmarnsundbrücke geplant, die künftig nur noch dem lokalen Verkehr dienen soll. Der Baubeginn ist noch offen. Die Kosten wurden zuletzt auf 714 Millionen Euro geschätzt.

Das Argument für diesen Standort ist klar: Er liegt nur 15 Autominuten von der künftigen dänischen Tunnelzufahrt in Rödbyhavn entfernt. Peper & Söhne geht von einem „starken ökonomischen Aufschwung“ auf Lolland aus, sagt Marco Dibbern, als Operations Director der Tochtergesellschaft Peper & Soehne ApS für das Projekt Hub 48 Maribo verantwortlich: „Als Early Mover wollen wir an dieser Entwicklung partizipieren und sie unterstützen.“ Maribo liege verkehrlich auf der Nord-Süd- wie der Ost-West-Achse und sei sehr gut erschlossen. Hinzu komme eine Verwaltung, die Investoren sehr gut unterstütze und an die Hand nehme.

Dibbern sieht Maribo durch seine Tunnelnähe als künftigen „Umschlagpunkt“. Wichtig ist ihm auch der Hinweis, dass das Projekt nachhaltig entwickelt wird und eine Zertifizierung nach dem deutschen DGNB-Gold-Standard anstrebt.

Drei Hubs auf Lolland

Maribo ist damit auf Lolland nicht allein. Zwei weitere Logistikstandorte entstehen in Nakskov und Rödbyhavn direkt am Tunneleingang. Im letzten Fall ist es die Nachnutzung für die Tunnelelemente-Fabrik von Femern A/S, die von der dänischen Politik mittlerweile angestrebt wird. Sowohl die Gewerbeflächen in Nakskov im Westen der Insel als auch in Rödbyhavn würden größer werden als die in Maribo, sagt Thomas Knudsen, Kommunaldirektor der Lolland-Kommune. Alle drei Projekte entstünden im Rahmen der Entwicklung Lollands zu einem Standort für „grüne Industrie und Tourismus“.

Auch auf der Insel Seeland, auf der Kopenhagen liegt, ist die Entwicklung in vollem Gang. Rhenus Logistics aus Holzwickede kauft sich mit 103.000 Quadratmetern in den Gewerbepark Ringsted an der E20 ein, der sogenannten „Jütlandroute“ nach Kopenhagen. Dieser Standort ist aber auch nur etwa 20 Kilometer von der E47 und dem südlichen Großraum Kopenhagen entfernt und liegt damit ähnlich verkehrsgünstig wie Hub 48 Maribo.

Rhenus sieht Potenzial

Das Gebiet rund um Ringsted werde sich „zukünftig zu einem Zentrum der Logistik“ entwickeln, gibt sich Rhenus überzeugt. Die Holzwickeder sprechen von einer strategischen Entscheidung und davon, dass der Standort wichtig sei für die „weitere Entwicklung der Warehousing-Aktivitäten“ in Dänemark. Insbesondere der künftige Fehmarnbelttunnel werde nach seiner Fertigstellung 2029 eine entscheidende Rolle spielen: Der „gesamte Nord-Süd-Verkehr in die Region Kopenhagen und nach Schweden“ werde dann darüber abgewickelt: „Ringsted liegt in der Nähe dieses wichtigen Nord-Süd-Korridors.“

Zwei Projekte an der A1

Auf der deutschen Seite der Magistrale Hamburg–Kopenhagen ist es die E-Gruppe, die die Dinge ins Rollen bringt. Der Gelsenkirchener Projektentwickler baut derzeit zwei neue Logistikzentren im Kreis Ostholstein direkt an der Autobahn A1. In Lensahn entstehen 22.900 Quadratmeter Gebäudefläche auf einem rund 42.000 Quadratmeter großen Grundstück. Im weiter nördlich gelegenen Gremersdorf, nur noch 15 Kilometer von der alten Fehmarnsundbrücke entfernt, werden 28.000 Quadratmeter Gebäude auf einem 62.000 Quadratmeter großen Grundstück errichtet.

Die beiden Projekte lägen verkehrstechnisch optimal an der Vogelfluglinie und seien sowohl für Straßen- als auch für Schienentransfers vorgesehen, heißt es aus Gelsenkirchen. Wie Peper & Söhne strebt auch die E-Gruppe eine DGNB-Gold oder DGNB-Platin-Zertifizierung an. Die Logistikzentren sollen mit Photovoltaik- und Kleinwindkraftanlagen versorgt und mit Wärmepumpen beheizt werden.

In die Anlage in Gremersdorf, die im kommenden Frühjahr fertiggestellt sein soll, wird als Hauptmieter der Reifenhändler Delticom einziehen; für die Gebäude in Lensahn, Fertigstellung im Herbst 2023, laufen noch Gespräche, die aber kurz vor dem Abschluss stehen sollen.

Der Entwickler aus Gelsenkirchener hält weitere Projekte an der Strecke für möglich. Die bessere Anbindung an die skandinavischen Märkte werfe ihren Schatten voraus, sagt E-Gruppe-Sprecher Nicolas Potrysch: „Die Perspektive, beispielsweise auf der Strecke Hamburg–Kopenhagen zukünftig 160 Kilometer zu sparen, liefert für die Region einen wichtigen Impuls.“

Das deckt sich mit den Aussagen der Industrie- und Handelskammer Lübeck (IHK), die von vermehrten Anfragen nach Gewerbegrundstücken entlang der Autobahnen A1 und A24 (Berlin–Hamburg) spricht. Bis 2040 würden in der Hansebelt-Region östlich und nordöstlich von Hamburg rund 700 bis 800 Hektar zusätzliche Gewerbeflächen benötigt. (sr)

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