Kommt die Insolvenzwelle im Jahr 2021?

Weshalb Spediteure bei Forderungsausfällen besonders gefährdet sind und welche neuen Möglichkeiten Unternehmen haben, innerhalb sowie außerhalb des Insolvenzsverfahrens zu sanieren, erklärt Christoph Niering, Vorsitzender des Berufsverbands der Insolvenzverwalter, im Gespräch mit der DVZ.

Foto: Istock

Das zurückliegende Jahr war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Das trifft auch auf Unternehmensinsolvenzen zu. Trotz einer Krise historischen Ausmaßes wurden 2020 weniger Insolvenzanträge in der Kep- und Logistikbranche gestellt als im Hochkonjunkturjahr 2019.

Nach Schätzungen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform handelt es sich dabei um einen Rückgang von 7,7 (Kep) beziehungsweise 24,7 (Logistik) Prozent. Dass diese Zahlen nicht die Realwirtschaft widerspiegeln, sollte klar sein. Nach Einschätzung von Christoph Niering, Vorsitzender des Berufsverbands der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID), sind aktuell mehrere Tausend Unternehmen am Markt, die eigentlich Insolvenz anmelden hätten müssen. Der Hauptgrund: die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht.

Insolvenzen sind notwendig

Doch obgleich durch diesen Schritt die Wirklichkeit teilweise verschleiert wird, wertet Niering das Handeln der Bundesregierung im März 2020 als richtig. „Diese Vollbremsung war ebenso notwendig wie die staatlichen Hilfen.“ Allerdings hat Berlin den Fuß für seinen Geschmack etwas zu lange auf der Bremse gelassen. Denn die Insolvenz gehöre zu einem gesunden Wirtschaftsleben dazu. Nur so könne gewährleistet werden, dass zahlungsunfähige Unternehmen vom Markt verschwinden. Andernfalls werden gesunde Anbieter gefährdet und im schlimmsten Fall mit in die Insolvenz gezogen. Niering hätte aber nicht mit den Politikern tauschen wollen, die diese Entscheidungen zu treffen hatten.

Klar sei auf jeden Fall, dass die Angst vor ausfallenden Forderungen aufgrund zahlungsunfähiger Kunden in der Transportbranche umgehe, meint Niering. Aktuelle Zahlen zum Zahlungsverhalten, die der DVZ exklusiv von Creditreform zur Verfügung gestellt wurden, belegen die Auffassung des Experten. Demnach zahlten Kunden ihre Rechnungen am Jahresende (13,26 Überfälligkeitstage) zwar im Schnitt 4 Tage eher als noch Anfang Juni (17,84 Überfälligkeitstage), aber die kumulierte Forderungshöhe ist bei gleichbleibender Anzahl der Rechnungen zwischen Januar und Dezember um nahezu 30 Prozent gesunken.

Vertrauen hat gelitten

Das lasse den Schluss zu, dass weniger Geschäfte mit hohen Forderungssummen geschlossen wurden. Niering, der selbst bereits viele Transport- und Logistikunternehmen durch die Insolvenz begleitet hat, weiß: „Insbesondere Spediteure gehören zu der Unternehmensgruppe, bei der oftmals höhere Forderungen ausfallen.“ Die Intransparenz aufgrund der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht habe dem Vertrauen innerhalb der Branche geschadet.

Ab dem 1. Februar ist die Insolvenzantragspflicht allerdings wieder in Kraft. Selbst wenn es nicht zu weiteren Verlängerungen dieses insolvenzrechtlichen Ausnahmezustands komme, erwartet Niering für das Jahr 2021 keine Insolvenzwelle. Nachholeffekte werde es zwar geben, aber mehr als eine 20-prozentige Steigerung in der Gesamtwirtschaft im Vergleich zum Vorjahr sehe er nicht. Mit dem Wissen, dass die Zahl der Insolvenzen 2020 trotz der Coronakrise um 13,5 Prozent im Vorjahresvergleich zurückging, ist das eine äußerst moderate Schätzung.

20

Prozent mehr Insolvenzen in 2021 als im Vorjahr erwartet. Christoph Niering

Ein Grund: Die Regierung hat zum 1. Januar 2021 mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) eine Möglichkeit geschaffen, Unternehmen außerhalb des Insolvenzverfahrens zu sanieren. Dabei sollen die Gläubigerinteressen weiterhin gewahrt bleiben. Eine notwendige Entscheidung, meint Niering: „Bislang war die Zustimmung aller Gläubiger notwendig, um ein Unternehmen zu sanieren. Das war nicht richtig.“ Durch das StaRUG muss nun lediglich die Mehrheit der Gläubiger zustimmen.

Neue Lösung für KMU

Aufgrund des hohen Beratungsaufwands und entsprechender Kosten sei das StaRUG allerdings größeren Unternehmen vorbehalten, unterstreicht Niering. Da diese maximal 10 Prozent aller Insolvenzen stellen, werde man damit nicht alle Probleme lösen. Den kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU bis 250 Mitarbeiter), die über 90 Prozent aller Insolvenzfälle betreffen, müsse zusätzlich geholfen werden.

Dafür hat der Experte dem Rechtsausschuss des Bundestages eine Erleichterung für Covid-Opfer vorgestellt, die Ende Dezember auch vom Bundestag in Form einer Gesetzesänderung verabschiedet wurde. Dabei handelt es sich um eine Art Covid-Schutzschirmverfahren, in dessen Rahmen sich der Unternehmer, der aufgrund der Coronakrise in wirtschaftliche Schieflage geraten ist, innerhalb eines Insolvenzverfahrens selbst verwaltet. Das spare Kosten für den Insolvenzverwalter und wahre das Gesicht des Geschäftsführers nach außen. „Sowohl die Mitarbeiter als auch die Kunden assoziieren mit einer Insolvenz in Eigenverwaltung eine positive Fortbestehungsprognose des Unternehmens.“ Demnach sei es richtig, dass der Bundestag hier nachgebessert habe, betont Niering.

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