Katma Clean Control: Zwei Brüder und ein Hühnerstall

Die Reinigung eines Lkw-Aufliegers ist lästig und zeitaufwendig. Das Ostwestfalener Start-up Katma Clean Control will den Hochdruckreiniger mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ablösen – und damit eine Marktlücke schließen.

Das junge Unternehmen bietet automatisierte Lkw-Auflieger-Laderaumreinigungen an. (Foto: Max Zdunek)

Von der Tüftlergarage zum Weltkonzern. Der Gründungsmythos um Global Player wie Google, Apple, HP, Disney oder Amazon hält sich bis heute hartnäckig. Und tatsächlich bietet sich die hauseigene Garage wohl am besten an, um unternehmerische Ideen in die Wirklichkeit umzusetzen. Doch was tun, wenn die Garage zu klein wird? Ganz einfach: Man zieht in einen Hühnerstall um – so wie Felix und Patrick Kathöfer, Gründer des Ostwestfalener Start-ups Katma Clean Control.

Alles begann mit einer aufmerksamen Beobachtung im ländlichen Rietberg in Nordrhein-Westfalen: die regelmäßige, zeitaufwendige Reinigung von Lkw-Aufliegern; vor allem nach Lebensmittel- oder Viehtransporten. „Dass da jemand samstags mit einem Hochdruckreiniger im Auflieger steht und den händisch sauber machen muss, war für uns nicht logisch. Also haben wir uns überlegt, was man besser machen könnte“, beschreibt Felix Kathöfer den Startschuss für die spätere Unternehmensgründung 2019.

So begannen die Brüder in unmittelbarer Nähe zum anvisierten Problem mit der Entwicklung einer vollautomatisierten Reinigungsmaschine. Um diese zu bedienen, muss der Fahrer das Fahrzeug lediglich korrekt platzieren, die Türen fixieren und das gewünschte Reinigungsprogramm über ein digitales Bedienpanel starten. So kann er sich während der Reinigung anderen Aufgaben widmen oder die Beine vertreten. Im Anschluss wird durch eine angebundene Cloud ein digitales Zertifikat ausgestellt, um die Reinigung und den entsprechenden Zeitraum verlässlich zu dokumentieren.

Als Geschwister gründen

Mit dem eigenen Bruder ein Unternehmen zu gründen, birgt aber immer auch Risiken. Wie schnell berufliche Uneinigkeiten zu familiären Zerwürfnissen führen können, haben beide Brüder im eigenen Umfeld miterlebt – und daraus gelernt. Geschäft ist Geschäft, und Privates ist privat, lautet die Devise.

Für ihr gemeinsames
Unternehmen sind sie
volles Risiko gegangen:
Felix (links) und sein
Bruder Patrick Kathöfer
wollen einen neuen
Sauberkeitsstandard in
der Branche etablieren. (Foto: Max Zdunek)

„Selbstständigkeit war in unserer Familie immer präsent“, erinnert sich Patrick Kathöfer. „Sowohl die positiven als auch negativen Seiten.“ Um ihre große gemeinsame Vision finanzieren zu können, haben die beiden Gründer sogar private Kredite aufgenommen.

„Wir kennen uns in- und auswendig. Das ist für mich mit Abstand der größte Vorteil; zu wissen, wie der jeweils andere gerade in Stresssituationen reagiert“, beschreibt Felix Kathöfer die Zusammenarbeit mit seinem älteren Bruder. „Dennoch sind wir uns bewusst, dass wir zwei verschiedene Charaktere vereinen: geschäftlich und privat.“

Eine klare Aufgabentrennung ist schon durch die unterschiedlichen Werdegänge der Geschwister gegeben. Beide haben nach der Schule zunächst eine Ausbildung beim Gütersloher Hausgerätehersteller Miele absolviert; Patrick im elektronischen und Felix im metalltechnischen Bereich. Eine Erfahrung, die beide für ihr eigenes Unternehmen sehr geprägt hat – „gerade was die Mentalität und die Firmenkultur angeht“, so Felix Kathöfer.

Schneller und nachhaltiger

Mit seiner Lösung will das mittlerweile 14-köpfige Team einen neuen Sauberkeitsstandard in der Branche etablieren und auch dem Fachkräftemangel in der Logistik und an Tank- und Waschanlagen entgegenwirken. „Das ist auf jeden Fall ein wichtiger Punkt“, betont Felix Kathöfer. „Das ist ein Job, den einfach niemand machen will. Wir rationalisieren keine Arbeitsplätze weg, sondern automatisieren eine Aufgabe, die lästig und zeitaufwendig ist.“

Auch Qualitätsschwankungen bei der Reinigung können durch den automatisierten Prozess beseitigt werden. Die Entscheidung darüber, was wirklich „sauber“ ist, liegt bislang häufig im subjektiven Ermessen – eine Grauzone, gerade wenn sensible Produkte wie Lebensmittel transportiert werden. „Durch einen planbaren Prozess können Reinigungen auch viel öfter durchgeführt werden“, erklärt Felix Kathöfer. Ein passender Zeitslot kann vorab für das jeweilige Gerät gebucht werden, bezahlt wird pro Reinigung.

Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt bei der Lösung des Jungunternehmens eine große Rolle. Das für die Reinigung verwendete Wasser wird aufgefangen, gereinigt und wiederverwendet, so dass es nach Angaben des Start-ups zu einem um 75 Prozent geringeren Wasserverbrauch, 90 Prozent geringeren Chemieverbrauch und 60 Prozent geringeren Energieverbrauch kommt. Die Komplettreinigung per Roboter dauert inklusive Desinfektion und Einwirkzeit rund 20 Minuten, je nachdem, welches Programm vorab ausgewählt wird. Auch um die verwendete Chemie kümmert sich das Jungunternehmen zusammen mit dem Bielefelder Familienunternehmen Stockmeier Chemie selbst.

Regionale Identität erhalten

Den Erfolg ihres Jungunternehmens führen Felix und Patrick Kathöfer aber auch auf die Region und die dort ansässigen industriellen Großunternehmen und Mittelständler zurück. „Wir sind hier aufgewachsen, dementsprechend gut vernetzt und wissen gleichzeitig auch, was die Region zurückgeben kann.“ Wie den Hühnerstall – eine „Nettigkeit“ von Freunden, die die immerhin überdachte Fläche zur Verfügung gestellt haben.

„Dort haben wir die Karre mit minimalsten Mitteln zusammengebaut“, erinnern sich die Brüder amüsiert an die Herstellung ihres ersten Prototyps zurück. Auch fließend Wasser oder Strom gab es in dem spontan zur Werkstatt umfunktionierten Gerüst damals nicht, ebenso wenig wie Heizmöglichkeiten. „Es hat eigentlich an allem gemangelt“, resümiert Patrick. Die Währung zu jener Zeit: Bierkästen. Damit haben die Geschwister auch die „Miete“ für den Hühnerstall bezahlt.

„Wir sind hier aufgewachsen und wissen, was die Region zurückgeben kann." Felix und Patrick Kathöfer, Gründer von Katma Clean Control

Um das Fachpersonal vor Ort zu fördern und das angesammelte Wissen weiterzugeben, will das Start-up bald auch eigene Ausbildungsstellen anbieten und dank eines Investors aus der Region weiter wachsen und die ersten Vorbestellungen abarbeiten. Verkauft werden die Maschinen aber nicht, sondern lediglich an einer Tankstelle oder auf dem Gelände eines großen Logistikunternehmens platziert. So können freie Slots von jedem Unternehmen nach Belieben gebucht werden.

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