Welthandel: WTO sieht Anzeichen einer Erholung

Der Wert für das sogenannte Goods Trade Barometer hat sich zwar seit Mai weiter verschlechtert. Andere Frühindikatoren deuten laut Welthandelsorganisation WTO aber auf eine beginnende Erholung hin.

Die WTO hat zwar Anzeichen für eine Erholung des Welthandels ausgemacht. Die Unsicherheit bleibt aber weiterhin hoch. (Foto: Istock)

Der Welthandel dürfte im zweiten Quartal 2020 einen historischen Rückgang verzeichnet haben. Das unterstreichen die jüngsten Werte für das am Mittwoch von der Welthandelsorganisation (WTO) veröffentlichte „Goods Trade Barometer“. Der Index liegt derzeit bei 84,5 Punkten, nach 87,6 im Mai. Der Welthandel bleibt damit zunächst weiterhin deutlich hinter dem mittelfristigen Wachstumstrend (Indexwert 100) zurück. Zum Vergleich: Im Vorjahr lag der Wert zu diesem Zeitpunkt bei 103,1 Punkten.

Das aktuelle Barometer stehe im Großen und Ganzen im Einklang mit der Prognose vom Juni, als die WTO den Rückgang des globalen Warenhandels im zweiten Quartal auf minus 18,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum geschätzt hatte. Das genaue Ausmaß werde erst im Laufe dieses Jahres bestätigt, wenn offizielle Daten zum Handelsvolumen für den Zeitraum von April bis Juni vorliegen.

Erste Anzeichen einer Erholung

Im April hatte die WTO geschätzt, dass der Welthandel in diesem Jahr um 13 bis 32 Prozent zurückgehen könnte, je nach Dauer der Pandemie und der Wirksamkeit der politischen Maßnahmen. Aktuell deute aber alles darauf hin, dass sich der Welthandel eher nach dem weniger pessimistischen Szenario entwickelt. Zwar gebe es Indikatoren, zum Beispiel für den Flugverkehr und die Hafenanläufe von Containerschiffen (Grafiken siehe unten), die anzeigten, dass der Welthandel und die Weltproduktion im dritten Quartal teilweise wieder anziehen werden. „Aber die Stärke einer solchen Erholung bleibt höchst ungewiss: Eine L-förmige statt einer V-förmigen Entwicklung kann nicht ausgeschlossen werden“, teilt die WTO jetzt mit. Dadurch würde der Welthandel weit unter seinem vor der Pandemie verzeichneten Verlauf zurückbleiben.

Alle Barometer-Indizes im roten Bereich

Alle Komponentenindizes des WTO-Barometers jedoch liegen nach wie vor deutlich unter dem Trend, wobei viele historische Tiefststände verzeichnen, „auch wenn sich einige bereits zu stabilisieren begonnen haben“, teilt die WTO weiter mit. Die Werte für Automobilprodukte (71,8) und Luftfracht (76,5) seien bei weitem die schlechtesten, die seit 2007 verzeichnet wurden. Auch die Containerschifffahrt (86,9) entwickelt sich nach wie vor stark rückläufig. Der Exportauftragsindex (88,4, nach 83,3 im Mai) zeigt Anzeichen einer Erholung. Die Indizes für elektronische Komponenten (92,8) und landwirtschaftliche Rohstoffe (92,5) haben sich relativ gut gehalten und zeigen nur leichte Rückgänge.

Der Handel hatte sich bereits vor der Pandemie im Jahr 2019 verlangsamt, belastet durch anhaltende Handelsspannungen und ein sich abschwächendes Wirtschaftswachstum. Im November 2019 lag der Wert bei 96,6 und im Februar bei 95,5 Punkten. Die WTO-Statistiken zeigen zudem, dass das Volumen des Welthandels mit Waren im vergangenen Jahr um 0,1 Prozent geschrumpft ist. Das war der erste Rückgang in einem Jahr seit der Finanzkrise 2009. Das saisonbereinigte Volumen ging im Schlussquartal 2019 bereits um 1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum und um 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zurück.

Zahl kommerzieller Flüge 2020, Index, Woche vom 1. Januar = 100

Quelle: Open Sky Network, WTO-Berechnungen (via WTO)

Die erste Grafik zeigt die Anzahl der kommerziellen Flüge pro Tag, die seit Anfang 2020 vom Open Sky Network aufgezeichnet wurden. Zwischen Ende Februar und Mitte April gingen die Flüge demnach weltweit um fast 80 Prozent zurück, internationale Flüge stärker als Inlandsflüge. Die Gesamtzahl der Flüge hat sich bis Ende Juli allmählich erholt, liegt aber immer noch rund 40 Prozent unter dem Niveau von Anfang des Jahres. Kommerzielle Flüge sind laut WTO ein wichtiger Indikator für den Zustand der Weltwirtschaft, da sie eng mit dem Waren- und Dienstleistungshandel verbunden sind.

Wöchentliche Hafenanläufe von Containerschiffen bis 1. August 2020*

* Erste Woche 2020 aufgrund unvollständiger Informationen geschätzt;
Quelle: United Nations Global Working Group on Big Data for Official Statistics (via WTO)

Die zweite Grafik zeigt die wöchentlichen Hafenanläufe von Containerschiffen, die mit dem von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) der Vereinten Nationen entwickelten Automatic Identification System (AIS) erfasst werden. Die Hafenanläufe gingen im Februar stark zurück, erholten sich dann wieder, bevor sie im April bis Mai, als sich das Coronavirus weiter ausbreitete, wieder zurückgingen. Anfang August waren die Hafenanläufe von Containerschiffen im Jahresvergleich immer noch um rund 7 Prozent rückläufig (Mai: minus 11 Prozent).

Kupfer-Terminkontrakte in USD/Pfund

Quelle: Chicago Mercantile Exchange (via WTO)

Die Preise von Terminkontrakten (Futures) für Kupfer sind laut WTO aufgrund der Bedeutung dieses Metalls in vielen Bereichen der verarbeitenden Industrie ein weithin anerkannter Frühindikator für wirtschaftliche Aktivitäten. Standardisierte Kontrakte werden an der Comex-Börse, einem Bereich der bedeutenden Rohstoffbörse Chicago Mercantile Exchange (CME), gehandelt. Kupfer-Futures waren Mitte März im Vergleich zum Jahresanfang um 27 Prozent rückläufig, sind seither jedoch um 37 Prozent gestiegen, was laut WTO die steigenden Erwartungen einer wirtschaftlichen Erholung widerspiegelt. Ob diese Erwartungen gut begründet sind, werde vom Verlauf der Pandemie abhängen, einschließlich weiterer Infektionsspitzen und verbesserter Behandlungsmöglichkeiten.

Tägliches Volumen und Ton der Presseberichte zu wirtschaftlichen Aktivitäten in Prozent und als Index (neutral = 0)

Quelle: The GDELT Project Summary Service (via WTO)

Diese Grafik zeigt das tägliche Volumen und den durchschnittlichen Tonfall (positiv/negativ) der Nachrichten zu wirtschaftlichen Aktivitäten. Die Presseberichterstattung war bereits vor der Pandemie negativ geworden und erreichte ihren Tiefpunkt im März, als die Bedrohung für die Weltwirtschaft offensichtlich wurde und das Interesse an den wirtschaftlichen Auswirkungen in der Folge zunahm. Seitdem hat sich der Ton der Berichterstattung geändert, was laut WTO darauf hindeutet, dass sich die Einschätzungen zur Weltwirtschaft allmählich verbessern. Sie fallen zwar weiterhin überwiegend negativ aus, die Berichterstattung über diese Bedenken nimmt aber langsam ab. (cs)

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