Ein funktionierender Transportmarkt braucht Fairness

Immer mehr Lkw-Fahrern aus Drittstaaten fehlt durch Niedriglöhne in der EU die Perspektive auf ein besseres Leben. Wenn sich nichts Grundlegendes ändert, wird darunter auch bald die Wirtschaft leiden. Höchste Zeit umzudenken, meint Tobias Loew.

Sie sind auf der europäischen Bühne angekommen: die sogenannten Drittstaatler. Gewerkschafter und Arbeitgeber wollen den sozialen Schutz und die Rechte der nicht aus der Europäischen Union stammenden Fahrer verbessern und haben dazu eine gemeinsame Erklärung beim zuständigen EU-Kommissar abgegeben. Doch es klingt wie ein frommer Wunsch, dass der Luxemburger Nicolas Schmit als Antwort betont: „Schlechte Arbeitsbedingungen haben in der EU keinen Platz.“

Wenn sich nun mit der IRU, der Weltorganisation der Unternehmer im Straßengüterverkehr, die Arbeitgeber an die Seite der in der ETF organisierten europäischen Transportgewerkschaften stellen, um Selbstverständliches zu fordern, zeigt das die Schieflage im europäischen Transportmarkt. Schließlich sollten Arbeitgeber selbst dazu in der Lage sein, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Gestörter Wettbewerb

In Ostdeutschland müssen immer mehr Fuhrunternehmen Insolvenz anmelden, weil ihnen der Spagat zwischen steigenden Kosten und dem Preisdruck durch die osteuropäische Konkurrenz nicht mehr gelingt. Damit verliert nicht nur der regionale Markt dauerhaft Transportkapazitäten; angesichts der allmählich anziehenden Nachfrage ist absehbar, dass so auch schneller wieder deutschlandweit Laderaummangel entsteht.

Faire Arbeitsbedingungen für alle Lkw-Fahrer hängen von kostendeckenden Transportpreisen ab.

Wenn polnische und litauische Transporteure die Drittstaatler zu Tagespauschalen unter Mindestlohn dazu nötigen, monatelang im Lkw zu leben, erschleichen sie sich Kostenvorteile. Doch dieses Modell funktioniert nur, weil der deutsche Staat die Einhaltung der geltenden Gesetze viel zu wenig kontrolliert.

Deutschland hätte mehr zu bieten

Zudem hat es die Bundesregierung versäumt zu ermöglichen, dass Usbeken, Kasachen und Turkmenen mit deutschen Arbeitsverträgen auch ganz legal in Deutschland arbeiten können. Es dient bestimmt nicht der viel zitierten Verkehrssicherheit, wenn sie für polnische und litauische Frachtführer Tag für Tag mehr als zwölf Stunden am Steuer sitzen und dabei fast 1.000 Kilometer zurücklegen.

Auftraggeber sind in dieser Situation Leidtragende und Verursacher zugleich. Wenn sie weiter um den allerletzten Cent feilschen, treiben sie rechtskonform arbeitende deutsche Frachtführer in die Pleite. So sorgen sie selbst mit dafür, dass sich das Angebot auch strukturell weiter verknappt.

Anders lässt sich der Verzweiflungsruf der Transportverbände kaum interpretieren: Verbessern sich die Arbeitsbedingungen nicht, bleiben Lkw und Waren stehen. Doch faire Arbeitsbedingungen kosten mehr Geld – wenn Fahrer kranken- und sozialversichert sind, den jeweils gültigen Mindestlohn erhalten, spätestens nach vier Wochen zu ihren Familien kommen und sich alle 14 Tage für 48 Stunden außerhalb ihres Fahrzeugs erholen können. Oder wenn auch die Drittstaatler ohne Angst vor Ausweisung in den Arbeitskampf ziehen können und marktgerechte Einkommen erstreiten.

Es wird Zeit, dass Fuhrunternehmer, Speditionen und Verlader ihre gemeinsame Verantwortung erkennen. Von fairen Preisen und ihrem Miteinander als Geschäfts- wie als Sozialpartner hängt nicht nur das Wohlergehen der Fahrer ab. Dass die europäische Transportwirtschaft weiterhin funktioniert, ist auch Grundvoraussetzung für einen starken Binnenmarkt.

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