Indien: Ein Markt mit großem Potenzial

Wer nach Wachstumsmärkten Ausschau hält, kommt an Indien nicht vorbei. Langfristig gesehen werden dem Land sogar größere Chancen eingeräumt als China.

Sehen große Chancen im indischen Markt (von links): Moderator Markus Mau (Mau Consulting), Christian Erlach (Jungheinrich AG) und Dirk Matter (Deutsch-Indische Handelskammer). (Foto: Dierk Kruse/DVZ)

Auch wenn Indien China in diesem Jahr überholt hat, was die Bevölkerung betrifft: China gilt immer noch als das Land, mit dem deutsche Unternehmen lieber und vor allem mehr Geschäfte machen. Das verdeutlichen auch die nackten Zahlen: Der deutsche Außenhandel mit China belief sich 2022 auf 298,9 Milliarden Euro. Mit keinem anderen Land pflegt Deutschland intensivere Handelsbeziehungen. Demgegenüber beträgt das bilaterale Handelsvolumen mit Indien 31,4 Milliarden US-Dollar. Rang 24 in der deutschen Außenhandelsstatistik. Eine andere Größe: Das Pro-Kopf-Bruttonationaleinkommen in Indien liegt bei 2.200 Dollar (Zahlen jeweils für 2021). In China ist die von Inländern erbrachte Wertschöpfung mit 11.200 Dollar fünfmal so hoch.

Vorteil China, Vorteil Indien

Klarer Vorteil für China könnte man meinen. Das sahen jedoch die Referenten auf zwei Foren auf dem Deutschen Logistik-Kongress zum indischen Markt völlig anders. Denn Indien holt auf: „Das Land ist mittlerweile die fünftgrößte Volkswirtschaft auf der Welt“, sagte Dirk Matter, Geschäftsführer der Deutsch-Indischen Handelskammer. Und es hat damit seine einstige Kolonialmacht – Großbritannien – überflügelt. Dass Indien mittlerweile auch mehr Einwohner hat als China, diesem Umstand wollte Matter keine große Aufmerksamkeit schenken. Ein anderer Aspekt war ihm viel wichtiger: „In Indien sind 44 Prozent der Menschen unter 25 Jahre. Damit hat das Land die jüngste Bevölkerung auf dem Globus.“ Zugleich sei damit jedoch auch eine große Verantwortung verbunden. Denn pro Monat müsse die Regierung dafür sorgen, 1,4 Millionen Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt zu bringen. China hingegen mit seiner Ein-Kind-Politik würde Gefahr laufen, als Gesellschaft zu überaltern. Vorteil Indien.

Das ist aber nicht der einzige Vorteil Indiens gegenüber seinem mächtigen Nachbarn. „Indien ist eine lebendige Demokratie. Auch das Rechtssystem funktioniert“, sagte Matter. Eine Politik des Decoupling durch westliche Unternehmen, also das Zurückfahren von Investitionen in China aufgrund seiner politischen Strukturen, sei in Indien nicht zu befürchten. Julian Zix wies zudem darauf hin, dass sich in Indien eine ausgeprägte Start-up-Szene etabliert habe. Je nach Quelle ist laut Zix die Rede von 60.000 bis 80.000 Start-ups, die es dort gäbe. „Das sind genauso viele wie in den USA“, sagte der Projektleiter des German Indian Startup Exchange Program (GISEP). Er schätzt, dass es etwa 3.000 Start-ups mit Logistikbezug in Indien gibt.

Viele Fachkräfte mit IT-Know-how

Generell seien die Menschen in Indien sehr technikaffin, insbesondere die Jüngeren. Deshalb würden auch so viele Inder in westlichen IT-Firmen arbeiten. Aber auch das Internet spiele eine wichtige Rolle. „Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist online“, so Zix. Das Bezahlen kleinerer Beträge selbst im Straßenverkauf mit dem Handy sei in den großen Städten eine Selbstverständlichkeit, während in Deutschland häufig noch Bargeld genutzt werde.

Aber natürlich gibt es auch Bereiche, wo Indien hinterherhinkt. So entsprechen die Verkehrswege vielfach nicht dem westlichen Standard. „Hier hat Indien einen großen Nachholbedarf“, sagte Matter. Aber Indien versucht, die Lücke zu schließen, und investiert kräftig. So fließt laut Matter ein Großteil der Haushaltsmittel in Logistikprojekte. Als ein weiteres Beispiel nannte er die staatliche indische Eisenbahngesellschaft Indian Railways. Die hat Anfang des Jahres den Kauf von 1.200 Lokomotiven mit jeweils einer Leistung von 9.000 PS beschlossen. Auftragnehmer ist Siemens Mobility. Der Auftrag hat ein Volumen von 3 Milliarden Euro. Die Lokomotiven werden für den Gütertransport eingesetzt und können Ladungen von bis zu 4.500 Tonnen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometer pro Stunde befördern. Laut Siemens Mobility zählen sie zu den leistungsfähigsten Güterzuglokomotiven der Welt. Es handelt sich um umweltfreundliche Elektro-Loks.

„Indien ist ein Wachstumsmarkt, während in China die Dynamik nachlässt“, sagte Matter. Nicht jedes Unternehmen könne gleich große Gewinne erwirtschaften. Man brauche Geduld und Zeit. Aber für viele sei es ein lohnendes Geschäft. Über 2.000 deutsche Unternehmen seien auch bereits in Indien präsent. Die würden Geld verdienen: Deren Umsatzrendite bezifferte Matter auf durchschnittlich 15 Prozent.

Für Jungheinrich ist Indien eine Erfolgsstory

Zu den Unternehmen, die in Indien tätig sind, zählt Jungheinrich. Seit knapp zehn Jahren ist der Anbieter von Intralogistik-Lösungen und Flurförderzeugen in dem Land mit einer Vertriebsniederlassung präsent. 2014 hat Jungheinrich in Indien 6 Millionen Euro Umsatz gemacht. „Im letzten Jahr waren es 40 Millionen Euro“, sagte Christian Erlach, Mitglied des Vorstandes von Jungheinrich. Allein im Jahr 2022 habe der Umsatz um 44 Prozent zugelegt. Die Mitarbeiterzahl sei in den knapp zehn Jahren von 27 auf knapp 200 angewachsen.

In absoluten Größen sei Indien für Jungheinrich noch keiner der ganz großen Märkte. „Aber es gibt dort noch viel Potenzial“, sagte Erlach. Manchmal gäbe es noch nicht mal eine Palette, sondern werde die Ware in Säcken befördert. Deshalb rechnet er für im Warehousing auch mit einem größeren Plus als im Wirtschaftswachstum für Indien.

„Wenn Sie in Indien Chancen sehen, dann warten Sie nicht“ 

Mittlerweile hat Jungheinrich die Belegschaft auf ein rein lokales Management umgestellt. „Damit erhalten sie einen besseren Zugang zur dortigen Kultur“, sagt Erlach. Von den Mitarbeitern war er sehr beeindruckt. „Es gibt kaum Personalwechsel. Die Loyalität ist sehr hoch. Somit konnten wir einen größeren Erfahrungsschatz sammeln.“ In diesem Jahr war er bei dem Annual Meeting. „Dieses Ausmaß an positiver Energie war unfassbar und habe ich so nirgendwo anders erlebt“, zeigte er sich begeistert. Seine Empfehlung an die Zuhörer: „Wenn Sie in Indien Chancen sehen, dann warten Sie nicht.“ 

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