Die Mission: Helfern helfen

Humanitäre Organisationen sind mit Logistik oft überfordert. Hilfe finden sie beim Verein Humanilog, den Logistik- und IT-Enthusiast Benjamin Brich vor zehn Jahren gegründet hat.

Auf einem Gelände in Hamburg-Altenwerder trainiert die Organisation den Umgang mit dem Rettungsballon, der zum Beispiel als mobiler Kran oder zur großräumigen Beleuchtung von Einsatzflächen genutzt werden kann. (Foto: HLO/Jorg von Gablenz)

Streng genommen ist die Schließung von Humanilog der größte Wunsch von Benjamin Brich und seinen Kollegen. Für Menschen, die in der Logistikbranche tätig sind, ist das ein ungewöhnliches Ziel. Für eine humanitäre Organisation wie Humanilog – auch als Humanitarian Logistics Organisation (HLO) bekannt – ein folgerichtiges. Auf der Website liest sich das so: „Wir streben nach einer Welt ohne Armut, Intoleranz, Ungleichheit und soziale Ungerechtigkeit, in der humanitäre Hilfe nicht mehr vonnöten ist.“

Dass dieses Ziel nicht zu erreichen ist, darüber macht sich Benjamin Brich keine Illusionen. Trotzdem arbeitet er daran. Die Tätigkeit von Humanilog ist schnell erklärt: Als Non-Profit-Organisation unterstützt der Verein weltweit Hilfsorganisationen und Social Businesses bei der Durchführung und Optimierung von logistischen Herausforderungen. Dabei geht es sowohl um die Lagerung und den Transport von Gütern als auch darum, den Organisationen im Bereich IT unter die Arme zu greifen. Transportiert wird alles von medizinischem Equipment über Nahrungsmittel und Kleidung bis hin zu Technik.

Die Logistik wird in ihrer Komplexität unterschätzt

„Gerade in kleinen und mittelgroßen Non-ProfitOrganisationen und Social Businesses ist logistisches Know-how oft wenig vorhanden. Mit unserem Wissen und unserem Netzwerk können wir erheblich dazu beitragen, Kosten und Risiken zu minimieren“, sagt Brich. Logistik werde im Allgemeinen schwer unterschätzt. Dass es nicht damit getan ist, irgendwo anzurufen und einen Container zu buchen, sei vielen Akteuren im humanitären Umfeld nicht immer klar. Was für Benjamin Brich und seine Kollegen Routine, Herausforderung und Vergnügen ist, nämlich Zoll- und Versandpapiere, Ein- und Ausfuhrbestimmungen sowie Verpackungsvorschriften zu managen, sei für viele Organisationen schwer zu überblicken. Hinzu kommt, dass es in Krisengebieten und im Katastrophenfall unvorhersehbare Unwägbarkeiten geben kann, die zusätzlich zu meistern sind.

„Gerade in kleinen und mittelgroßen Non-Profit-Organisationen ist logistisches Know-how oft wenig vorhanden." Benjamin Brich,
Vorstandsvorsitzender HLO (Foto: Katharina Petzholdt)

Benjamin Brich denkt groß. Als er vor zehn Jahren startete, schwebten ihm für die Zukunft 1.000 Mitarbeiter in 50 Ländern vor. Davon ist er aktuell 950 Mitarbeiter und gut 40 Länder entfernt. Aber das stört ihn nicht. Gute Grundlagen zu schaffen ist ihm wichtiger. Logistiker und ITler, aber auch Designer und Texter: Rund 50 Mitarbeiter – zehn hauptamtliche und 40 ehrenamtliche – sind derzeit für Humanilog im Einsatz. „Old Work hat es bei uns nie gegeben. Wir haben von Anfang an von überall gearbeitet“, erzählt Brich. Die meisten Mitarbeiter leben in Deutschland und Österreich. Das Hauptbüro befindet sich in einem Industriegebiet im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld in einem Gebäude, in dem auch andere NGOs wie „Der Hafen hilft“ oder „Hamburger Hilfskonvoi e. V.“ ihren Sitz haben.

Rund 1.000 Aufträge hat der Verein mittlerweile abgeschlossen. Die meisten kommen von Organisationen, die in der Entwicklungshilfe arbeiten. Aber auch Organisationen, die in der Katastrophenhilfe tätig sind, und andere gemeinnützige Projekte wissen die Unterstützung von Humanilog zu schätzen. Mit vielen Auftraggebern wie Viva con Agua, Malteser, dem ASB oder auch der Vereinigung der Ukrainer Norddeutschlands arbeitet der Verein regelmäßig zusammen. Neue Kontakte kommen übers Internet auf Humanilog zu oder durch Mund-zu Mund-Propaganda. „Wir sehen uns mögliche neue Auftraggeber immer sehr genau an und manchmal lehnen wir sie ab. Wir hatten schon den Fall, dass eine Organisation, gegen die wir uns damals entschieden hatten, es zwei Jahre später mit dem Verfassungsschutz zu tun bekam. Es gibt eben auch schlechte Leute“, sagt Zeineb Ghanemí, die schon seit acht Jahren erst ehrenamtlich und dann als Emergency Managerin sowie in der strategischen und operativen Logistik für Humanilog tätig ist. Entscheidet sich Humanilog für eine Zusammenarbeit, geht es darum herauszufinden, in welchem Umfang Unterstützung nötig ist. Von einer Kurzberatung bis hin zur kompletten Übernahme der Logistik ist alles drin.

Professionell Gutes tun

Der Verein finanziert sich durch Mitgliederbeiträge, Spenden von Privatleuten und Stiftungen sowie durch die Aufwandsentschädigungen, die die Organisationen Humanilog zahlen. Reich werden kann man damit nicht. Aber das war auch nie Brichs Plan. Er wollte professionell Gutes tun und hat deshalb den Verein gegründet. Zwei Studiengänge im Bereich Logistik in Kombination mit langjähriger Tätigkeit bei Speditionsriese Schenker liefern beste Voraussetzungen, genauso wie sein Spaß am Netzwerken und an der IT.

Neben der Transportplanung und -abwicklung spielt die IT eine immer größere Rolle. Dreiviertel der hauptamtlichen Mitarbeiter sind in diesem Bereich mittlerweile tätig. „Viele Hilfsorganisationen nutzen zur Verwaltung Excellösungen. Das sind aber immer Notlösungen, die nicht nachhaltig funktionieren. Wir nutzen Open-Source-Software, weil die sich besser an die Anforderungen anpassen lässt und Kosten reduziert. So räumen wir das Chaos auf und liefern eine solide Grundstruktur, die wir in der Cloud zum Laufen bringen“, erzählt Benjamin Brich, der sich selbst als Logistik- und IT-Nerd sieht.

Hebt bald ab: Der Humanilog Rettungsballon

Zum Laufen bringen will Humanilog noch etwas anderes – den Humanilog Rettungsballon. Ein Ballonsystem, das auf der Leichter-als-Luft-Technologie beruht und per Seilwinde gesteuert wird. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Denkbar ist die Nutzung als Ballon-Kran oder als Halterung für eine weiträumige Beleuchtung etwa über Trümmerfeldern. Das Projekt hängt nun schon seit Jahren in der Warteschleife, auch weil es an Spendengeldern fehlt. Lange hat Humanilog versucht, Kooperationspartner in größeren Organisationen zu finden. „Die hatten zwar grundsätzliches Interesse und passende Einsatzmöglichkeiten, sind aber vor den Aufwänden zurückgeschreckt“, erzählt Zeineb Ghanemí. Jetzt nimmt Humanilog die Sache selbst in die Hand. Aktuell wird ein eigenes Team trainiert, das bald zum Einsatz bereitsteht.

Man könnte meinen, dass das schiere Ausmaß der Not und die durch die Klimakrise immer häufiger auftretenden Naturkatastrophen dazu führen, dass Helfer wie die Mitarbeiter von Humanilog den Mut verlieren. Mit diesem Gedanken konfrontiert, wirkt Brich überrascht. Einen winzigen Moment muss er überlegen. „Ganz klar nein!“, sagt er dann, und Kollegin Ghanemí ergänzt: „Das spornt uns eher an.“ (alb)

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Nach oben