Symbiotische Logistiksoftware?

Ohne vernetzte Systeme ist der zeitgemäße Betrieb eines Fuhrparks kaum mehr möglich. Die Verbindung von Transport Management Systemen (TMS) und automatischer Tourenplanung schafft Effizienz, senkt die Kosten und verringert den ökologischen Fußabdruck.

Die Koordination von Lkw-Fuhrparks kann effizienter werden, wenn die im Unternehmen
verwendeten IT-Systeme miteinander vernetzt agieren. (Foto: Istock)

Schuster, bleib bei deinem Leisten! An dieses Sprichwort, das auf eine Anekdote über den griechischen Maler Apelles zurückgeht, denke ich häufig, wenn es in unserem Haus um das Thema automatische Tourenplanung geht. Denn als Anbieter eines klassischen Transportmanagementsystems (TMS) haben wir mit dem Entwickeln von Algorithmen wenig zu tun. Und, so ehrlich darf man sein, deshalb können wir es auch nicht.

Das heißt aber natürlich nicht, dass wir uns nicht mit der Automatisierung von Prozessen im Allgemeinen und speziell mit dem Thema Tourenplanung beschäftigten. Schließlich ist unser Hauptziel seit über 40 Jahren, Disponentinnen und Disponenten ihre tägliche Arbeit zu erleichtern. Zudem sind die Anforderungen an Liefertreue, Qualität, Kommunikation und Transparenz auf Kundenseite so immens gestiegen, dass es ohne technische Unterstützung kaum noch geht. Die Frage ist vielmehr, mit welchem Anspruch und unter welchen Voraussetzungen man dies tut.

Mensch gegen Maschine?

Man muss die automatische Tourenplanung sehr differenziert betrachten. Selbstverständlich bieten die entsprechenden Softwarelösungen großes Potenzial für die Disposition. Denn in der heutigen Logistikbranche und einer vernetzten Gesellschaft gilt: Je mehr Daten vorliegen, desto effektiver und optimaler gestalten sich automatisierte und ständig komplexer werdende Prozesse. Davon profitieren die Anwender/innen.

Die Effekte sind zum einen wirtschaftlicher Natur. Die Reduzierung von Leerfahrten und zu fahrenden Gesamtkilometern oder höhere Flottenauslastungen senken die Logistik- und Transportkosten. Je nach Branche sind hier Einsparungen von bis zu 20 Prozent möglich. Zum anderen profitiert auch die Klimabilanz der Unternehmen von diesen Optimierungen. Denn durch einen effizienteren Einsatz von Fahrzeugen und eine höhere Auslastung bei weniger Leerkilometern können wir den ökologischen Fußabdruck der Unternehmen um 5 bis sogar 15 Prozent verringern.

Fairerweise muss man festhalten, dass es sich bei diesen Zahlen um allgemeine Werte beziehungsweise Konglomerate handelt. Denn so verschieden die Aufgabenstellungen zwischen Mehr-Tages-Touren im Fernverkehr oder der Distribution mit mehr als 20 Stopps auf jeder Route sind, so verschieden sind dann auch die Einsparpotenziale. Beispielsweise kann trotz automatischer Tourenplanung die gleiche Anzahl an Fahrzeugen erforderlich sein, welche auf den optimierten Routen aber weniger Zeit benötigen oder kürzere Strecken zurücklegen. Bei einer anderen Tour können drei Lkw gleich ganz im Depot bleiben.

Die automatische Tourenplanung, die unter Berücksichtigung zahlreicher Regeln und Restriktionen auf Knopfdruck erfolgt, spart aber auch wertvolle Zeit. Und darauf kommt es immer mehr an: Im schnelllebigen und wechselhaften Logistikgeschäft kommen immer wieder Fragen auf, die wir mit standardisierten Programmen nicht beantworten können. Gerade in der Disposition sind häufig situative Einschätzungen gefragt. Die Erfahrung langjähriger Profis – und auch ihr intuitives Bauchgefühl – spielen hierbei eine genauso wichtige Rolle wie ein leistungsfähiges Transportmanagementsystem.

Die Disposition spürbar entlasten

Um diese Erfahrungswerte zu Einsparungspotenzialen zu erlangen, stehen wir in engem Austausch mit Partnerunternehmen, deren Expertinnen und Experten eine realistischere Einschätzung der Grenzen von Routen- und Tourenoptimierung geben können als wir. Entsprechend vorsichtig bin ich selbst mit der Verkündung von solchen Zahlen und verweise hier lieber auf meine Kollegen Robert Recknagel, Vice President Manufacturing & Logistics bei der Flexis AG, oder Sebastian Wehowski und Claus Beer, beide Sales Manager bei der PTV Group.

In ihren Berechnungen gehen sie beispielsweise davon aus, dass man mit einer automatischen Tourenplanung rund 60 Prozent des Planungsaufwandes in der Dispo reduzieren kann. Denn das, was früher über Nacht geschehen musste oder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon um vier Uhr in der Früh in die Speditionen trieb, damit sie drei Stunden später die Distanzmatrizen für ihre Planungen vorliegen hatten, geschieht jetzt im Normalfall binnen weniger Sekunden.

Die erste Lösung, die die Programme ausspucken, ist dann nicht gleich das Nonplusultra. Aber es ist ein erster Schritt, der bereits die Geo-Koordinaten und alle relevanten Parameter berücksichtigt und auf dessen Basis die Algorithmen die Touren weiter optimieren können. Währenddessen sind die Disponentinnen und Disponenten handlungsfähig, um individuelle Kundenbedürfnisse, die der Computer nicht kennen kann, einfließen zu lassen.

Die Tools ergänzen sich

Letztlich geht es also auch beim Thema automatische Tourenplanung im Zusammenschluss mit Transportmanagementsystemen nicht darum, den Menschen durch Computer und Algorithmen zu ersetzen, sondern darum, die Disponentinnen und Disponenten von lästigen und zeitintensiven Aufgaben zu entbinden. Das gibt ihnen die Möglichkeit, sich ausschließlich auf die Bereiche zu konzentrieren, in denen manuelles Arbeiten unerlässlich oder die Technik unterlegen ist. Neben vielen vor- und nachgelagerten Prozessen ist dann plötzlich auch wieder mehr Zeit für eine serviceorientierte und transparente Kommunikation mit der Kundschaft.

Beide Programme, das TMS sowie automatische Tools zur Tourenplanung, können also nicht nur sehr gut koexistieren, sondern sollten voneinander lernen. Denn sie lösen Probleme, für die die jeweils andere Software keine Lösung bietet. Und das Know-how im Markt ist da. Keine der beiden Seiten muss das Rad neu erfinden, man muss nur aufeinander zugehen. Von den Effizienzgewinnen profitiert am Ende sowohl die Logistikbranche als auch die Umwelt. Diese Potenziale sollten unbedingt genutzt werden. (ben)

Rolf Hansmann ist Vorstand der LIS Logistische Informationssysteme AG.

20

Prozent geringere Kosten sind dank vernetzter IT-Systeme im Transportunternehmen möglich.
Rolf Hansmann, Vorstand LIS AG

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