Thesencheck: Das Öko-Potenzial der Auflieger

Die Rahmenbedingungen im Straßengüterverkehr ändern sich angesichts der Klimaziele der EU-Kommission rasant – und das betrifft auch die Hersteller von Aufliegern und Anhängern.
 Die DVZ-Redaktion hat vier Thesen zu möglichen Veränderungen formuliert, die von den großen deutschen Branchenplayern eingeordnet wurden.

Frank Albers, Geschäftsführer Sales und Marketing beim Fahrzeugwerk Bernard Krone, Helmut Fliegl, Eigentümer und Geschäftsführer von Fliegl Fahrzeugbau, Christian Renners, Geschäftsführer der Kögel Trailer GmbH, und Andreas Schmitz, Vorstandsvorsitzender der Schmitz Cargobull AG, (v.l.n.r.) kennen sich in der Branche gut aus und geben Einblicke in die zukünftigen Veränderungen und Entwicklungen im Straßengüterverkehr. Fotos: Fiegl; Schmitz Cargobull; Schoening Fotodesign; Kögel

Die Rahmenbedingungen im Straßengüterverkehr ändern sich angesichts der Klimaziele der EU-Kommission rasant – und das betrifft auch die Hersteller von Aufliegern und Anhängern.
Die DVZ-Redaktion hat vier Thesen zu möglichen Veränderungen formuliert, die von den großen deutschen Branchenplayern eingeordnet wurden.

E-Antrieb

Mit einer elektrisch angetriebenen Schubachse ausgestattete Auflieger helfen, den CO2-Ausstoß eines Lastzugs und den Energiebedarf für den Transport deutlich zu senken. In spätestens fünf Jahren wird sich dieses Konzept von der Nischenlösung zum Standard für Kofferfahrzeuge und Curtainsider entwickelt haben.

FRANK ALBERS: Richtig. Als einer der Megatrends der Zukunft ist die Elektrifizierung eines der Kernthemen in der Entwicklung innovativer Transportlösungen bei Krone. Wir sind uns sicher, dass die elektrisch angetriebene Schubachse sich schnell von der Nischenlösung zum Standard bei Aufliegern entwickeln wird. Unser in Zusammenarbeit mit Trailer Dynamics entwickelte eTrailer beweist, dass das Konzept alles andere als Zukunftsmusik ist. Mit einer batterieelektrischen Sattelzugmaschine kombiniert, erhöht dieser die Reichweite des Lastzugs, so dass mehr als 1.000 Kilometer mit einem einzigen Ladezyklus zurückgelegt werden können. Gekoppelt mit einer Diesel-Sattelzugmaschine hilft das zusätzliche Antriebssystem des Trailers, den Kraftstoffverbrauch der Sattelzugmaschine um bis zu 40 Prozent zu verringern. Voraussetzung für den standardmäßigen Einsatz ist natürlich eine gute Ladeinfrastruktur. Der Ausbau sollte mit Hochdruck angegangen werden.

ANDREAS SCHMITZ: Falsch. Auflieger sind gezogene Einheiten. Ein weiterer Antriebsstrang, auch wenn er im Trailer sitzt, bedeutet einen höheren Energiebedarf. Dazu kommt noch ein höheres Gewicht, das die Nutzlast senkt. Ein weiterer Antrieb ist ineffizient und kostet mehr: mehr CO2 und mehr Geld. Eine fehlgeleitete Subventionspolitik, fehlgeleitete Mautanreize oder fehlgeleitete Anreize via Vecto sind das Einzige, was einer angetriebenen Trailerachse zu einem Erfolg verhelfen könnte. Es wäre für die Umwelt, die Gesellschaft und den Spediteur günstiger, in eine elektrisch angetriebene Zugmaschine zu investieren anstatt in einen angetriebenen Trailer.

Sinnvoll wäre eine Rekuperationsachse zur Rückgewinnung von Energie, um damit dann Nebenabtriebe wie ein Kühlgerät anzutreiben. Da kann dann das Betreiben eines ganzen Dieselmotors, ja sogar der Dieselmotor selber entfallen. Für den vollelektrischen S.KOe Cool haben wir bereits eine Typgenehmigung, und diese Kühlfahrzeuge sind heute schon im Feld. Das ist übrigens gewichts- und nutzlastneutral möglich.

CHRISTIAN RENNERS: Teils, teils. Angetriebene Achsen sind einer von vielen vielversprechenden Ansätzen, um die CO2-Emissionen im Straßengüterverkehr zu senken. Allerdings gilt es noch große Hindernisse zu überwinden: hohes Eigengewicht, Abstimmung mit Zugmaschinen, Unfallverhalten der Batterien, Zulassungsverfahren, Kosten, Tauschbarkeit mit herkömmlichen Zugmaschinen et cetera. Ich betone: Es ist eines von vielen gangbaren Konzepten, bei dem vor allem Komponentenhersteller stark im Lead sind. Wir müssen den gesamten Trailer betrachten, der aus mehr als den Achsen besteht. Wir forschen deshalb in vielen Bereichen, von Rekuperation über Photovoltaik bis hin zur Optimierung des Kombinierten Verkehrs.

HELMUT FLIEGL: Teils, teils. Der Sachverhalt ist etwas komplexer und kann nicht auf ein Ja oder Nein heruntergebrochen werden. Ist die Zugmaschine mit einem herkömmlichen Verbrennermotor ausgestattet, bringt eine elektrisch angetriebene Achse des Trailers/Anhängers mehr Vorteile als bei einem E-Lkw. Doch prinzipiell sollte man infrage stellen, wie sinnvoll diese ist. Elektrisch angetriebene Achsen wiegen deutlich mehr als herkömmliche Achsen, erhöhen also den Rollwiderstand, die Reifenabnutzung und somit den CO2-Ausstoß. Zudem ist die Anschaffung sehr kostenintensiv, vor allem in Kombination mit einem E-Lkw. Deshalb denke ich nicht, dass sich das Konzept zum Standard für Gardinensattel entwickelt.

Fahrzeugkosten

Auflieger, die konsequent auf Energieeffizienz und Spritsparen ausgelegt sind, werden in der Produktion so teuer werden, dass sie künftig nur noch über ein Trailer-as-a-service-Konzept vermarktet werden können.

ANDREAS SCHMITZ: Falsch. Ein anderes Betreibermodell senkt nicht die Kosten. Der Erwerb von klimaeffizienten Aufliegern, die etwa durch aerodynamische Ausstattungen gekennzeichnet sind, wird auch künftig zu bezahlbaren Preisen möglich sein. Mehrkosten können durch Einsparungen im Betrieb dank der Kraftstoffeinsparung aufgrund einer besseren Aerodynamik kompensiert werden. Eine Ausnahme bilden kostenintensive elektrische Antriebskonzepte, die je nach Leistung ein Vielfaches von heutigen Aufliegern kosten sowie weder praxistauglich noch ohne fehlgeleitete Förderkulisse wirtschaftlich sind.

CHRISTIAN RENNERS: Richtig. Die Fahrzeuge werden über Leichtbau, aerodynamische Bauteile, rollwiderstandsoptimierte Reifen und Energierückgewinnungssysteme in der Anschaffung teurer werden. Durch Einsparung bei den Spritkosten sowie einer besseren Transporteffizienz könnte ein Teil dieser Kosten über die Laufzeit der Fahrzeuge kompensiert werden. Das Angebot „Trailer-as-a-service“ wird in diesem Zusammenhang sicherlich eine größere Rolle spielen.

HELMUT FLIEGL: Falsch. In unserem Haus gibt es jetzt schon eine Vielzahl von Anhängern und Aufliegern, die unter diesen Aspekten konstruiert wurden und werden. Es kommt auf clevere Innovationen, durchdachte Fahrzeugkonzepte und Konstruktionen an und nicht auf überteuerte Technologien, die den Trailer zusätzlich anfälliger für Reparaturen, Wartungen und somit unnötige Standzeiten machen.

FRANK ALBERS: Teils, teils. Es kommt hier auf den Einsatzzweck des Fahrzeuges an, zum Beispiel, ob es im Nah- oder Fernverkehr fährt oder ob es Stückgut, Sammelladungen oder Komplettladungen transportiert. Entsprechend unterscheiden sich die Kalkulationen, die hinter einem solchen Trailer stehen. Es werden auch nicht alle Trailer gleich ausgestattet werden. In Bezug auf vollausgestattete, aerodynamisch optimierte sowie mit einer elektrifizierten Achse plus Batteriepack versehene Trailer ist die These sicherlich zutreffender. Wir als Trailerhersteller werden hier unseren Kunden unterschiedliche Angebote machen können, die auch zum Businessmodell der Kunden passen.

Maße und Gewichte

Überlange Lastzugkombinationen haben sich vielfach in der Praxis bewährt. In weniger als fünf Jahren werden sämtliche Streckenrestriktionen in Europa der Vergangenheit angehören. Zugleich werden zumindest für die 25-Meter-Lastzüge die Gewichtsgrenzen nach oben verschoben.

CHRISTIAN RENNERS: Falsch. EMS-Züge (European Modular System) sind für einige Anwendungen sinnvoll, aber sicher nicht für alle Transportaufgaben. Zwar werden die Gewichtsgrenzen moderat angehoben werden, aber die Netto-Nutzlast bliebe für gängige Ladungsträger zu gering. Für Volumentransporte hingegen ist das Konzept geeignet.

HELMUT FLIEGL: Falsch. Wir glauben nicht, dass es so kommt. In Deutschland gibt es – egal ob von Fahrzeugbauern, Verbänden oder Politikern – einige Gruppen mit Befindlichkeiten, die alles daransetzen, um dies und eine ausgedehnte Weiterführung der Lang-Lkw zu verhindern.

FRANK ALBERS: Weitgehend richtig. Europaweit werden sicherlich die bisherigen Längenbeschränkungen größtenteils aufgehoben werden. In Schweden werden demnächst Fahrzeuge mit bis zu 35 Meter Gesamtlänge zugelassen werden können, aber das wird die Ausnahme bleiben. Wir rechnen damit, dass für die Fahrzeugkombinationen eine Länge von 25,50 Meter oder – unter Einbeziehung des verlängerten Aufliegers – von 26,80 Meter erlaubt werden, allerdings bei weiterhin restriktiven, möglicherweise leicht angepassten Gewichtsbeschränkungen. Ob es eine Harmonisierung in allen europäischen Ländern geben wird, ist aber fraglich. Wir können uns vorstellen, dass grundsätzlich zwischen Fern- und Nahverkehr respektive zwischen Autobahnen und untergeordnetem Straßennetz differenziert wird. Längere Fahrzeuge können ohne Beschränkungen die Fernverkehrsstraßen nutzen, für den Nahverkehr respektive den Verteilerverkehr werden vornehmlich kleinere/kürzere Fahrzeuge eingesetzt.

ANDREAS SCHMITZ: Leider falsch. Der aktuelle Entwurf der EU-Kommission „Gewicht und Abmessungen“ sieht künftig keine verpflichtende Umsetzung in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vor. Daher gehen wir weiterhin davon aus, dass es in Europa unterschiedliche nationale Vorgaben für den Einsatz von Lang-Lkw-Kombination geben wird. Die vorgesehenen Vereinfachungen für den grenzüberschreitenden Verkehr für EMS-Fahrzeugkombinationen bewerten wir positiv, allerdings erfolgen diese auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Wir werden uns auch weiterhin für eine Vereinheitlichung und gemeinsame Standards auf europäischer Ebene einsetzen. Neue Abmessungen entwerten die hochwertigen, langlebigen und standardisierten Auflieger. Ein europaweites Positivnetz für den Eco-Duo mit zwei Standard-Sattelaufliegern wäre erstrebenswert.

Laderaumnutzung

Angesichts des dramatischen Fahrermangels wird darüber diskutiert, die Anzahl der Leerfahrten im Straßengüterverkehr durch eine bessere Koordination der Transportkapazitäten zu senken. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Fahrzeugkonzepte vereinheitlicht und standardisiert werden.

HELMUT FLIEGL: Richtig. Hier spielen wesentlich mehr Faktoren eine Rolle. Es liegen zum Beispiel logistische Probleme vor wie Ladezeiten, Transportpreise, et cetera. Wir hingegen können nicht verstehen, dass Lang-Lkw eine so geringe Nachfrage trotz eines so schwerwiegenden Problems verzeichnen. Mit unserem Fliegl Swap Train werden schließlich drei Wechselbehälter pro Fuhre transportiert. Solche innovativen Fahrzeugkonzepte wirken dem Fahrermangel schließlich aktiv entgegen.

FRANK ALBERS: Falsch. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt, nicht nur in Hinblick auf den Fahrermangel, sondern auch auf die Umwelt. Digitalisierung wird hier eine große Rolle spielen. Krone widmet sich schon seit Längerem diesem Problem und hat ein eigenes Telematiksystem entwickelt, das verfügbare Ladekapazitäten detektiert und besser ausnutzen lässt, um Leerfahrten zu vermeiden. Mit der intelligenten Laderaumerkennung Krone Smart Capacity Management wird dem Disponenten durch Kameras ein Blick in den Laderaum ermöglicht. Per Telematikanbindung kann er den Trailer in Echtzeit verfolgen, die Ladefläche einsehen und den Innenraum vor und nach einer Be- oder Entladung prüfen. Somit wird die Auslastung gesteigert, und Leerfahrten werden reduziert. Eine Vereinheitlichung und Standardisierung von Fahrzeugkonzepten hat hierbei aber nur einen marginalen Einfluss.

ANDREAS SCHMITZ: Teilweise richtig. Es gibt durchaus auch Warenflüsse in eine Richtung, da lassen sich keine Leefahrten vermeiden. Es gibt aber bestimmt noch Potenzial, um Leerfahrten zu vermeiden und eine bessere Transporteffizienz zu erzielen. Dafür ist eine Vereinheitlichung und Standardisierung von Fahrzeugkonzepten richtig. Deswegen treten wir für das EcoDuo-Konzept ein, also zwei Standard-Sattelauflieger, gezogen von eine Sattelzugmaschine. Das spart sofort etwa 25 Prozent CO2. Die Fahrzeuge bleiben modular, können in existierende Bahnwaggons, Schiffe, et cetera verladen werden, und auch der Einsatz in existierenden Logistikzentren und Verladepunkten bleibt weiterhin möglich. Eine europäische Vereinheitlichung und ein europäisches Positivnetz wären sinnvoll. Spanien, Finnland und Schweden sind bereits im Regelbetrieb, und wir könnten Fahrermangel, CO2-Ausstoß und steigenden Kosten entgegenwirken. Deutschland würde CO2 einsparen und endlich wieder etwas für seine Wettbewerbsfähigkeit tun. Es fehlt der politische Wille.

CHRISTIAN RENNERS: Richtig. Ein interessanter Ansatz: Transporteffizienz kann eben nicht nur durch Einsparung der notwendigen Aufwände gesteigert werden, sondern auch durch bessere Nutzung der Transportkapazität und die Vergrößerung der Kapazität. Basis ist immer der Ladungsträger für den Transport (Europalette, Industriepalette, Gitterboxen …). Für die bessere Nutzung der Transportkapazität helfen Softwareprogramme, gekoppelt mit Einrichtungen zur Überwachung des Ladezustands der Laderäume; eine Vergrößerung der Laderäume kann nur innerhalb der Systemgrenzen (Taschenwagen der Bahnen, Parkplätze an den Autobahnen et cetera) erfolgen. Letztlich hilft beides bei Einsparung von Emissionen und der Abfederung des Fahrermangels.

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