Rückblick transport logistic 2023: Worauf es jetzt ankommt

Die transport logistic 2023 in München war mit mehr als 75.000 Besuchern aus über 120 Ländern eine Rekordmesse. Die DVZ fasst einige wesentliche Botschaften der Veranstaltung zusammen.

Die transport logistic 2023 in ­München war mit mehr als 75.000 Gästen aus über 120 Ländern eine Rekordmesse. ­Sowohl die Ausstellung als auch das Kon­ferenzprogramm waren geprägt von den Themenfeldern Nachhaltigkeit, Digitalisierung, alternative Antriebe und Fachkräftemangel. Die zahlreichen Besucher der Messestände hatten Nachholbedarf in Sachen Netzwerken. Die DVZ fasst einige wesentliche Botschaften zusammen.

MariLog: Wer warten muss, verliert  

In der Seeschifffahrt ist die Vereinbarung von Platz wichtiger als von Raten. Das stellte Thorsten Meincke, COO Air & Ocean bei DB Schenker, fest anlässlich der internationalen Konferenz für maritime Logistik, MariLog, im Rahmen der transport logistic. Ähnlich sah es Volker Blume. „Unser Werk ist geplant wie ein Schweizer Uhrwerk. Was nicht pünktlich kommt, geht per Flugzeug“, erklärte der Vice President und Leiter Materialsteuerung bei der BMW Group. „Verladern, die warten müssen, entgeht Geschäft.“

Das mit einem Anteil von etwa 30 Prozent an der weltweiten Flotte mit rund 25 Millionen TEU größte Orderbuch der Geschichte sei laut Jan Tiedemann, Chefanalyst bei Alphaliner, zwar durchaus „sportlich zu füllen“, man müsse aber auch Gegeneffekte wie Slow Steaming und die Verschrottung weniger effizienter Schiffe aufgrund immer strengerer Umweltanforderungen berücksichtigen. Allerdings: „Noch viel mehr Bestellungen und ich hätte langsam ein bisschen Bauchschmerzen“, räumte er ein.

Auch das Ende der Allianzen war ein Thema: „Das Ratenniveau hat nichts mit den Allianzen zu tun“, sagte Meincke. Operativ hingegen wirke es sich sehr wohl aus: „Würden hypothetisch alle Allianzen verboten werden, würde nur noch die Hälfte der Port Pairs bereitgestellt werden können.“ Schließlich könne eine Reederei allein nur etwa sieben oder acht Häfen pro Rundlauf anlaufen, sonst wäre die Transitzeit zwischen erstem und letztem Hafen zu lang. „Allianzen spielen eine bedeutende Rolle“, unterstrich auch Mingfeng Wang, President Cosco Shipping Europe. Und Michael Blach, Vorsitzender Gruppengeschäftsführung Eurogate, beobachtet, dass die Trennung von Maersk und MSC nicht erst 2025 beginnt, „bereits jetzt werden einige Strings allein bedient“. (cb)

Fachkräfte: Branche muss sich mehr anstrengen 

Der Fachkräftemangel verursacht bei Speditionen und Logistikunternehmen gewaltige Kosten. Allein 2022 habe der Mangel an qualifiziertem Fahrpersonal die Branche um die 10 Milliarden Euro gekostet, sagte Prof. Christian Kille von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Er appellierte dabei an die Eigenverantwortung und den Willen der Branche. Möglichkeiten wie Weiterbildungsmaßnahmen oder die Schaffung einer positiven Unternehmenskultur gebe es reichlich: „Es liegt an uns als Logistikwirtschaft, dieses Problem zu lösen.“ Das meint auch Steffen Küpper, Chief People & Culture Officer bei Leschaco. Die Logistik müsse ihre Hausaufgaben machen und trete am Arbeitsmarkt und in der Außendarstellung noch sehr zurückhaltend auf. (ab)

Elektronischer Lieferschein: Digitalisierung kann ganz einfach sein 

Den von der Bundesvereinigung Logistik (BVL) und GS1 Germany entwickelten digitalen Lieferschein (Cloud4Log) nutzen derzeit 50 Unternehmen. Die Verwendung ist unkompliziert, es ist lediglich über einen Link eine Registrierung erforderlich. Spezielle Soft- oder Hardwareimplementation ist nicht notwendig. „Es ist wie eine Art Dropbox für die Logistik“, sagte Oliver Püthe, Leiter des Projekts bei GS1 Germany. In einer zentralen Cloud werden digitale Transportdokumente abgelegt und können dort angeschaut oder um weitere Informationen ergänzt werden – beispielsweise Mengenabweichungen, Qualitätsmängel oder Schäden. Die Drogeriemarktkette DM setzt den digitalen Lieferschein ein. „Wir haben den Fokus auf eine einfache Handhabung für das Personal bei der Implementierung und Umsetzung gelegt“, sagt Mira Honemann, verantwortlich für das logistische Lieferantenmanagement bei DM. Mit der Cloudlösung sei es gelungen, einen Prozess ohne größere Anpassungen vollständig zu digitalisieren. (rok)

Management: Verantwortung ist beim Wandel gefragt 

Die größte Herausforderung für die Luftfrachtbranche ist, die physische Welt mit der digitalen zu verbinden. Das sagte Ashwin Bhat, CEO von Lufthansa Cargo. „Wir müssen die technischen Veränderungen als Chance und nicht als Problem sehen.“ Es sei eine Tatsache, dass die Branche vollständig digital wird. Der Wandel bringe jedoch auch eine große Verantwortung mit sich, so Bhat. „Wann immer man über Digitalisierung spricht, löst das in den Unternehmen Besorgnis und Angst aus, weil die Menschen befürchten, dass ihre Arbeitsplätze ersetzt werden.“ Zvi Schreiber, Gründer und CEO von Freightos, sprach sich dafür aus, dass die Branche die bereits vorhandenen Möglichkeiten der Digitalisierung besser nutzen sollte. „Wir erhalten durchschnittlich 35.000 Kapazitätsanfragen pro Tag von Luftfrachtspediteuren auf unserer Buchungsplattform Web Cargo, die wir dann in Echtzeit an die Spediteure weiterleiten.“ In 80 Prozent der Fälle schicken die Fluggesellschaften dann ein Dokument mit ihrem Preis, anstatt die Möglichkeiten der digitalen Preisgestaltung auszuschöpfen. (ol)

CO2-Emissionen: In drei Schritten zu mehr Klimaschutz 

2030 muss der Verkehrssektor seine CO2-Emissionen auf 85 Millionen Tonnen reduzieren – fast die Hälfte zum Referenzjahr 1990. „Der Verkehr wird und muss seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, sagte Gerhard Schulz von Toll Collect mit Blick auf das Ende des Jahrzehnts. Drei Schritte sind nötig, um die Ziele zu erreichen:

Erstens: Fahrzeuge mit neuen Antrieben müssen in größeren Mengen verfügbar werden. Daimler Nutzfahrzeuge kündigte an, dass die Zahl emissionsfreier Trucks ab 2025 deutlich steigen werde. Aktuell fokussiere der Hersteller auf die Entwicklung von Trucks mit Wasserstoffantrieb. Parallel würde die Produktion des E-Actros-Trucks hochgefahren.

Zweitens: Energienetze und Infrastruktur für die neuen Antriebe müssten ausgebaut werden. Dafür sei ein gewisses Risiko nötig, sagte Andreas Gentzsch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Die Netze müssten vorausschauend gebaut werden, auch wenn noch nicht klar sei, ob sie wirklich gebraucht würden. „Wir müssen vor die Welle kommen.“

Drittens: Die geplante Einführung der CO2-Maut zum Jahresende schafft Anreize für die Investition in neue Flotten. (alb)

Versorgung: Logistiker erzeugen Energie selbst 

Für Logistikdienstleister jeglicher Größe spielt die eigenständige Energieerzeugung mit Photovoltaikanlagen oder anderen Technologien eine immer größere Rolle. „Heute wird keine Logistikimmobilie mehr ohne PV gebaut“, erklärte Logivest-CEO Kuno Neumeier. Andererseits seien von den Bestandsflächen bislang nur rund 20 Prozent entsprechend genutzt.

Das Potenzial ist also groß. Probleme bereitet den Logistikern nicht der Bau von PV-Anlagen, sondern die Nutzung des Stroms. Harald Seifert, Beirats-Vorsitzender der Seifert Logistics Group, forderte die Politik auf, einfachere und bessere Rahmenbedingungen für die Eigennutzung zu schaffen. (fw)

„Die größte Herausforderung ist, die physische mit der digitalen Welt zu verbinden.“ Ashwin Bhat, CEO Lufthansa Cargo

Open-Source-Lösungen: Mehr Kollaboration ist notwendig

Deutschland liegt im Logistics Performance Index der Weltbank auf Platz drei – nach Singapur und Finnland. Die Rückkehr an die Spitze kann durch mehr Zusammenarbeit gelingen. „Wir müssen in der Branche weg vom Inseldenken“, sagte Mario Cavallucci, Vice President Europe beim amerikanischen Unternehmen AIT Worldwide Logistics. Kollaboration bietet sich vor allem bei IT und Software an. „Wir sind für Mitarbeiter unattraktiv, wenn jedes Unternehmen sein eigenes monolithisches IT-System verwendet“, warnte Stephan Peters, Vorstand der Rhenus-Gruppe. Er ist seit vorigem Jahr Vorstandsvorsitzender der Open Logistics Foundation, einer Stiftung, die Logistikfirmen dazu animieren will, Open-Source-Löungen, die Standards abdecken, mit anderen zu teilen. (rok)

Alternative Antriebe: Wasserstoff-Lkw werden getestet 

Bei grünen Antrieben zeichnet sich eine neue Welle ab. Nach E-Lastwagen werden nun verstärkt Lkw mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb in der Praxis getestet, und erste Fahrzeuge gehen in den Regelbetrieb. Bei der Infrastruktur besteht indes noch Nachholbedarf: H2 Mobility beispielsweise betreibt derzeit knapp 90 Tankstellen für Pkw in Deutschland, erst die künftigen sind aber auch für Nutzfahrzeuge ausgelegt. „Der Verkehr nimmt nur ein kleines, aber trotzdem wichtiges Segment ein“, berichtete Lorenz Jung, Sprecher der H2-Mobility-Geschäftsführung. Anders als ein Stahlwerk akzeptiere der Sektor aber nur Kraftstoffkosten, die in der Nähe des Dieselpreises liegen. Daher sei der Verkehr wichtig, um das Thema Dekarbonisierung insgesamt voranzutreiben. (cb)

Fossile Kraftstoffe: Langsamer Abschied vom Diesel

Es wird noch lange dauern, bis kein Diesel mehr benötigt wird. Das sagte Michael Brell, Sales Manager von Aral/BP. Die Dieselnutzung werde sich sukzessive bis 2035 um 70 Prozent verringern. Zum Einsatz von Elektrofahrzeugen sagte Daniel Rehm vom Mittelständler Denkinger Logistik: „Es funktioniert zwar, ist aber nicht wirtschaftlich.“ Nur aufgrund der Förderung würde sich die Anschaffung von alternativen Antrieben aktuell lohnen. Auch die Infrastruktur mit Ladesäulen müsse schnell ausgebaut werden. (fw)

Elektromobilität: Bedarf an speziellen Logistikimmobilien

Die urbane Logistik der Zukunft wird durch Elektromobilität geprägt sein. 2030 sollen 15 Millionen E-Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein. Schon jetzt sind zunehmend Logistikimmobilien gefragt, die für die Lagerung von Lithium-Ionen-Batterien geeignet sind. „Das ist ein starker Trend“, sagte Philipp Feige von Prologis. Die Herausforderung dabei: „Es gibt viele verschiedene Batteriesysteme, die unterschiedliche Anforderungen an die Immobilie mit sich bringen“, so Feige. Ein weiteres Problem sei, „dass die Behörden das Thema Batterie noch nicht wirklich in der Tiefe begriffen und erfasst haben“. In den Bundesländern gelten verschiedene Bauordnungen, was den Immobilienentwicklern das Bauen erschwert, zumal dann auch noch benachbarte Landkreise mitunter unterschiedliche Anforderungen haben. (rok)

Alternative Kraftstoffe: Rahmenbedingungen jetzt definieren

Die Logistik wird beim Markthochlauf alternativer Kraftstoffe eine wichtige Rolle spielen. Das betonte Prof. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Präsidiums des Deutschen Verkehrsforums (DVF). Doch es müssten auch neue Transportketten für den Aufbau der Produktionskapazitäten und die Verteilung der Treibstoffe definiert werden. Auf der anderen Seite gehe es darum, die Unternehmen bei der Transformation hin zu nachhaltigen Transporten zu unterstützen. Die Logistik brauche neben einer langfristigen Planungssicherheit transparente Regulierungen und einen Finanzierungsrahmen, der dem Transformationsprozess Rechnung trage. Hier sieht Klinkner vor allem bei den restriktiven Taxonomie-Regeln der EU Nachbesserungsbedarf. (ben)

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