Michael Wallraven: So wichtig ist Supply-Chain-Visibility

Den Einstieg bei Project44 beschreibt Michael Wallraven als „nach Hause kommen in eine Branche, die sich immens verändert hat“. Wallraven ist seit April Managing Director für die DACH-Region des US-amerikanischen Supply-Chain-Visibility-Anbieters. Im DVZ-Gespräch berichtet er, wie er miterlebt hat, dass Anbieter, die mit Cloud-Technologie arbeiteten, in den 2010er Jahren meist damit beschäftigt waren, Kunden davon zu überzeugen, dass es sich bei der Technologie nicht um einen vergänglichen Trend handelt. Das habe sich nun geändert. Besonders in den letzten 24 Monaten zeigt sich, dass die Kenntnis über Vorgänge in der eigenen Wertschöpfungskette einen großen Wert für Unternehmen hat, so Wallraven. Gerade nicht vorhersehbare Ereignisse wie die Corona-Pandemie und die Blockade des Suezkanals haben die Nachfrage bei Project44 erhöht. Sowohl Spediteure, aus Industriesegmenten wie Pharma, Chemie und Einzelhandel, als auch große Logistikunternehmen wollen den Dienst nutzen, erzählt der Manager.
Auf der Plattform des Unternehmens werden die Daten aus den Lieferketten der Kunden gesammelt und für unterschiedlichste Anwendungen genutzt. Dabei gehe es darum, die Informationen so schnell wie möglich zu liefern, damit die Prozesse, die sich an die Technologie der Supply-Chain-Visibility anschließen, verbessert werden können, erklärt Wallraven. Kunden können, mit den zur Verfügung gestellten Daten, ihrem Netzwerk Echtzeit-Verfolgung bieten oder in ihren Planungssystemen Informationen über Materialverfügbarkeit einbinden. Dabei setze man vor allem auf Geschwindigkeit, ergänzt Wallraven. Project44 garantiert seinen Kunden mit einem Service-Level-Agreement, dass sie innerhalb von 30 Tagen mindestens 90 Prozent der Carrier, mit denen sie zusammenarbeiten, auf die Plattform holen können.
Ziel des Unternehmens ist es, Marktführer auf dem Gebiet Real-Time-Visibility zu werden. Einfach wird das Unterfangen nicht, da es auf dem europäischen Markt bereits einige etablierte Anbieter für Supply-Chain-Visibility gibt, dazu zählt beispielsweise Shippeo. Project44 sammelt Komponenten und Knotenpunkte aus dem Wertschöpfungsnetzwerk auf der Plattform, über die Verlader und Anbieter vernetzt werden. Mit dem Geld aus den kürzlich geschlossenen Investitionsrunden soll zum Erreichen des Vorhabens in die Bereiche Technologie, Mitarbeiter und Präsenz investiert werden. So dienen die Akquisitionen von Unternehmen wie Gateway Logistics, ein dänisches Supply-Chain-Unternehmen oder Ocean Insights nicht nur dazu, die Reichweite auszubauen. „Wir akquirieren nur dann, wenn das Unternehmen eine bessere Technologie hat, die wir in unsere Plattform integrieren können“, erklärt Wallraven. In Europa hat das US-amerikanische Unternehmen bereits mehrere Standorte, drei in Deutschland und je einen in Dänemark, Frankreich, Polen und den Niederlanden. Zwei der deutschen Standorte, in Rostock und Hamburg, wurden mit der Akquisition von Ocean Insights Anfang dieses Jahres übernommen und sollen weiterhin bestehen bleiben. In München entsteht der Hauptsitz für die DACH-Region.
Expansion nach Asien und Lateinamerika geplant
Als Logistikweltmarktführer sei die Region besonders interessant für die Wachstumspläne von Project44, so Wallraven. Gerade auf dem deutschen Markt finden sich viele Firmen, bei denen das Thema Supply-Chain-Visibility einen hohen Stellenwert hat. Der Manager geht davon aus, dass das Unternehmen gerade zu Beginn ein Umsatzwachstum von 60 bis 90 Prozent auf dem regionalen Markt erlangen kann. Bei der Kundengewinnung sehe er ein ähnliches Wachstumspotenzial, sagt Wallraven.
Zu den Kunden des Unternehmens, die zu Teilen aus den Akquisitionen übernommen wurden, gehören unter anderem Rewe, Amazon, Schenker und Gebrüder Weiss. Die 50 Mitarbeiter in Deutschland werden bei der Betreuung von anderen europäischen Standorten aus unterstützt, so beispielweise durch das Carrier-Onboarding-Team aus Krakau.
Nach Europa stehen Asien und Lateinamerika auf der Liste der Expansionspläne des Plattformanbieters. In den beiden Regionen steht der Anbieter noch ganz am Anfang, berichtet Wallraven. Es gibt zwar schon einige Daten zu den chinesischen Wertschöpfungsketten, die von dort agierenden Kunden geliefert werden, doch wolle man nun mit den ansässigen Unternehmen direkt Kontakt aufnehmen, um deren Informationen direkt auf der Plattform einbinden zu können. In Lateinamerika plant Project44 gerade ein Pilotprojekt mit einem Pharmaunternehmen.
In Sachen Transportwege sieht sich das Unternehmen auf den Verkehrsträgern Straße, See und Luft gut aufgestellt, fügt er hinzu. Aktuell gibt es Gespräche mit Hafenbetreibern, um die Seefrachtsparte noch weiter auszubauen. Zudem arbeite man mit Bahnunternehmen zusammen, um die Daten für Schienengüter in Deutschland auf die Plattform zu bringen, so wie es in den USA und Kanada bereits geschehen ist. Michael Wallraven sieht positiv in die Zukunft, denn er ist sich sicher: „Das Thema Supply-Chain-Visibility wird weiter stark an Bedeutung gewinnen.“ (cs)