Das waren die Top-Themen der transport logistic

Ob künstliche Intelligenz, neue Formen der Tourenplanung, Quantentechnologie, Prozessdigitalisierung, nachhaltige Antriebe oder strukturelle Innovationshemmnisse: Die Messe transport logistic vorige Woche in München hat einmal mehr gezeigt, in welch vielfältigem Spannungsfeld sich die Transport- und Logistikbranche derzeit befindet.
Künstliche Intelligenz als Ergänzung
Das Schlagwort, das in den meisten Vorträgen und Podiumsdiskussionen mitschwang, war „künstliche Intelligenz“ (KI). Ihr Einsatz ist kein Zukunftsthema mehr, sondern entwickelt sich zunehmend zur tragenden Säule in einer Branche, die unter steigender Komplexität, zunehmendem Zeitdruck sowie strukturellem Fachkräftemangel leidet. Vor diesem Hintergrund ist KI nicht als Ersatz für menschliche Arbeitskraft gedacht, sondern als Ergänzung in einem hybriden System. Besonders betont wurde die Rolle des Menschen als Entscheider, dem KI datenbasierte Vorschläge liefert und operative Prozesse erleichtert.
Gleichzeitig stehen viele kleinere Logistikunternehmen vor dem Problem, dass sie aufgrund mangelnder Datenqualität, technischer Ressourcen oder interner Expertise nicht von der Technologie profitieren können. Modular aufgebaute Softwarelösungen sollen hier Abhilfe schaffen und auch diesen Unternehmen Zugang zu praxiserprobten KI-Anwendungen bieten. Für eine erfolgreiche Implementierung sind jedoch intuitive Bedienbarkeit, die frühzeitige Einbindung der Mitarbeitenden und Vertrauen in transparente Systeme entscheidend.
Anspruch an Tourenplanung wird immer größer
In der Routen- und Tourenplanung halten KI-gestützte Assistenzsysteme Einzug. Die Komplexität der Transportnetze lässt sich ohne digitale Unterstützung kaum noch bewältigen. Dabei bleibt der Mensch weiterhin unverzichtbar: Disponenten übernehmen Aufgaben, die weit über das bloße Zuweisen von Touren hinausgehen, beispielsweise die Kommunikation mit Fahrern oder die Bewältigung unerwarteter Ereignisse. Darüber hinaus muss der Fahrer stärker in den digitalen Planungsprozess eingebunden werden, damit auch er Einfluss nehmen kann und so den Nutzen erkennt. Gleichzeitig ermöglicht eine intelligente Routenplanung ökologische Effekte, etwa durch die Vermeidung von Leerfahrten oder die Integration alternativer Antriebe. Die Vision vom selbst disponierenden Fahrzeug ist allerdings noch Zukunftsmusik. Voraussetzung dafür sind eine Erhöhung der Datenqualität und eine weitere Systemintegration.
Quantencomputer sind der nächste große Schritt
Der breite Einsatz des Quantencomputings ist ebenfalls noch eine Zukunftsvision. Obwohl sich die Technologie noch in der Grundlagenforschung befindet, eröffnen sich bereits heute erste Anwendungsfelder. Insbesondere bei hochkomplexen Optimierungsaufgaben wie der Fahrplanerstellung oder Produktionsplanung könnten Quantencomputer klassische Rechenmethoden übertreffen. Der Weg dorthin ist jedoch lang: Technisch sind viele Systeme noch nicht ausgereift, zudem fehlen standardisierte Schnittstellen und belastbare Anwendungen für die Industrie. Dennoch zeigen Pilotprojekte bei Unternehmen wie der Deutschen Bahn oder BMW, dass quanteninspirierte Verfahren bereits erste Effizienzgewinne ermöglichen, etwa durch die Kombination klassischer Hochleistungsrechner mit neuen algorithmischen Ansätzen. Die Logistikwirtschaft steht hier noch am Anfang, doch die Potenziale beflügeln bereits jetzt die Fantasie.
Nachhaltigkeit braucht realistische Strategien
Die Forderung nach klimaneutralem Transport stößt auf eine Realität voller technischer, finanzieller und regulatorischer Hürden. Zwar bieten alternative Antriebe wie Batterieelektrik oder Wasserstoff ökologische Vorteile, sie sind jedoch mit hohen Kosten, mangelnder Infrastruktur und unklarer Zukunftsperspektive verbunden. Biogene Kraftstoffe erscheinen als pragmatische Zwischenlösung, doch auch hier sind die Ressourcen begrenzt. Vor allem bei großflächig eingesetzten Nutzfahrzeugflotten zeigt sich die Kluft zwischen Anspruch und Machbarkeit. Der Aufbau einer Ladeinfrastruktur ist langwierig und die Versorgung mit Strom oder Wasserstoff ist vielerorts nicht gesichert. Gleichzeitig steigen die gesetzlichen Anforderungen, beispielsweise durch CO₂-Bepreisung, Quotenregelungen oder das Ende der Mautbefreiung. Eine Standardlösung gibt es für Unternehmen derzeit nicht. Sie müssen differenzierte Strategien entwickeln, die die Fahrzeugverfügbarkeit, das Einsatzprofil und die Standortbedingungen berücksichtigen. Dabei sind Investitionssicherheit, politische Planbarkeit und technische Verlässlichkeit entscheidend. Andernfalls drohen Fehlentscheidungen, die teuer sind und sich nur schwer korrigieren lassen.
Viele Transport- und Logistikunternehmen wollen nicht nachlassen bei ihren Bemühungen in Sachen Environmental, Social and Corporate Governance (ESG). Denn in vielen Ausschreibungen ist ESG ein Bewertungskriterium und somit ein Türöffner für Aufträge. Zwar besteht vereinzelt die Bereitschaft, entsprechende Anstrengungen auch zu honorieren, aber viele Kunden sind angesichts der derzeitigen Marktlage doch eher zurückhaltend, dafür zu bezahlen. Nachhaltigkeitskriterien fließen aber immer stärker in die Risikobewertung zur Finanzierung von Investitionen ein und wirken sich somit auch auf die Zinskalkulation aus. Zwar gibt es noch keine generellen Werte, doch aus Bankersicht ist zu erwarten, dass der Zinsunterschied zwischen Unternehmen, die ESG-Anstrengungen konkret nachweisen können, und Unternehmen, die dies nicht können, perspektivisch größer werden dürfte.
Technische Lösungen gibt es für nahezu alle Anforderungen
Die Transport- und Logistikwirtschaft beschäftigt sich außerdem grundsätzlich mit der Frage, wie die Zukunft des Mittelstands aussieht, denn viele Unternehmen der Branche gehören zu dieser Kategorie. Mittelständische Unternehmen dürfen sich nicht auf Standardaufträge fokussieren, sondern müssen sich spezialisieren, um schwer austauschbar zu werden. Dies gilt für alle Transportmodi. Im Straßengüterverkehr ist speziell die Frage des sicheren Zugriffs auf Transportkapazitäten von entscheidender Bedeutung. Dafür wird es auch in Zukunft unterschiedliche Ansätze geben: einen großen eigenen Fuhrpark, eine Mischung aus Eigen- und fest angebundenen Fremd-Lkw sowie weitere verbesserte digitale Modelle, in denen Logistik und IT noch stärker miteinander verschmelzen.
Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sie muss konkrete betriebliche Vorteile bringen, Mitarbeitende einbeziehen und auf ein gemeinsames Verständnis von Qualität und Prozessverantwortung treffen. Dies ist gerade beim Einsatz von Anwendungen mit KI noch längst nicht immer der Fall.
Technologie kann Prozesse beschleunigen, Daten ordnen und Fehler vermeiden – doch die Kompetenz, die Erfahrung und das Urteilsvermögen der Menschen bleiben nach wie vor unersetzlich. Die Kunst der Transformation besteht also darin, beides zu verbinden: digitale Leistungsfähigkeit und menschliche Urteilskraft.
Mitarbeit: Lutz Lauenroth