Corona-Schockwelle erreicht die Lotsen

Nachdem das deutsche Lotsenwesen lange Zeit als krisensicher galt, bekommt es nun auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise zu spüren.

Fahrzeugexporte über den Hafen Emden sind stark rückläufig. (Foto: NPorts)

Die wirtschaftlichen Folgen der weltweiten Corona-Pandemie erreichen jetzt auch immer mehr Branchen und Bereiche, die bislang als „krisensicher“ galten: das deutsche Lotsenwesen gehört auch dazu. Die zuständige Bundeslotsenkammer fordert daher auch für die Lotsenbrüderschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts eine Einbeziehung in entsprechende Konjunkturpakete der Bundesregierung, damit die Lotsen weiter ihre für den sicheren Schiffsverkehr lebensnotwendigen Aufgaben problemlos erfüllen können.

Darauf weist der Chef der Bundeslotsenkammer, Erik Dalege, in einem Schreiben an die THB-Redaktion hin. Unter dem Dach der Bundeslotsenkammer, die ihren Sitz in Hamburg hat, sind derzeit rund 800 Lotsen, die sich wiederum auf sieben Lotsenbrüderschaften verteilen, zusammengefasst. Dalege, der seit Sommer 2018 an der Spitze der Bundeslotsenkammer steht, weiter: „Während die 10- bis 15-prozentigen Rückgänge bei den Schiffsbewegungen auf den Revieren Weser und Elbe durch die zuständigen Kollegen, so wie in anderen Bereichen auch, akzeptiert werden müssen, geraten vor allem die Lotsenbrüderschaften in Bedrängnis und damit auch in wirtschaftliche Gefahr, deren Reviere und Häfen sich besonders stark auf eine Verkehrsart spezialisiert haben.“

Kapitän Dalege führt zwei Beispiele an, bei denen es in den dortigen Lotsenbrüderschaften besonders hart zur Sache geht. Erstens: das Ems-Revier. Zweitens: Die Lage im Bereich der Ostsee-Küste von Mecklenburg-Vorpommern. So hat die Lotsenbrüderschaft Ems vor allem damit zu kämpfen, dass die Fahrzeugexporte über den Hafen Emden stark rückläufig sind, das wiederum sei vor allem eine Folge von Corona, ergänzt um die schwierige Lage der Autoindustrie auch bereits vor dem Ausbruch der Seuche. Emden ist der Verschiffungshafen für den VW-Konzern, dessen Produktion unter Druck steht.

Mit Wucht treffen die Folgen von Corona auch Daleges Berufskollegen, die in der Lotsenbrüderschaft Wismar-Rostock-Stralsund vereint sind. Der Hamburger Chef-Lotse weiter: „Die Brüderschaft dieser Kollegen ist wirklich am stärksten betroffen. Denn ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt dieser Lotsen ist die Passagierschifffahrt.“

Doch die Kreuzschifffahrt, die bis Ende 2019 nur steile Zuwachsraten bei den Passagierzahlen aufwies, ist seit diesem Frühjahr praktisch zum Erliegen gekommen, wie im THB in den zurückliegenden Monaten fortwährend berichtet. Alle Saisonstarts der wichtigen Reedereien, die für die deutschen Häfen relevant sind, entfielen bislang. Die Cruise-Reedereien befinden sich im akuten Krisenmodus. Aktuell verschiebt sich eine vorsichtige Wiederaufnahme der Cruise-Reisen von Monat zu Monat weiter nach hinten. So hatte jetzt Cunard erklärt, bis November die Reisen auszusetzen. Auch Super-Sonderkonditionen der verschiedenen Reedereien, die aktuell versandt werden, können die potenziellen Kunden derzeit offenbar nur schwer für eine Reise begeistern.

Doch auch der Schiffsverkehr auf dem wichtigen Nord-Ostsee-Kanal (NOK), der in wenigen Tagen sein 125-jähriges Bestehen feiern kann, wird nicht verschont, sagt Dalege: „Auch die Landeshauptstadt Kiel und damit die Brüderschaften im Nord-Ostsee-Kanal sind vom Rückgang der Schiffsverkehre stark betroffen.“

Ist der Rückgang der Verkehrsmengen schon mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen für den einzelnen Lotsen verbunden – er ist ja das, was seit Corona-Zeiten mit dem Begriff „Solo“-Selbständiger umschrieben wird –, so wirkt auch dieser Umstand belastend. Dalege erläutert: „Die ständige Verfügbarkeit des Lotswesens muss kraft Gesetzes permanent aufrecht erhalten werden. Dabei ist es gleichgültig, ob zehn Schiffe das Revier befahren oder sogar bis zu 100 Einheiten.“

Da die Lotsen mit ihren Einnahmen im Rahmen der Selbstverwaltung auch die Strukturen der verschiedenen Brüderschaften mit unterhalten – dazu gehören Dienstgebäude, weitere Angestellte in der nachgeordneten Land-Organisation, oder auch die Einsatzleiter, die die „Jobs“ der Lotsen koordinieren – wirkten sich „die drastischen Einnahmeverluste eben nicht nur auf die ohnehin in den am meisten betroffenen Brüderschaften um 40 bis 50 Prozent geschrumpften Lotseneinkommen, sondern auch auf die Existenz der gesamten Seelotsorganisation aus“, präzisiert Dalege.

Die Bundeslotsenkammer ist dabei in den zurückliegenden Monaten nicht untätig geblieben. Im Gegenteil: Sie hatte schon sehr frühzeitig, das heißt Ende März dieses Jahres, das zuständige Bundesverkehrsministerium in Schreiben und Gesprächen darauf hingewiesen, dass bei einer Fortsetzung dieser Negativentwicklung die Arbeit der Lotsen gefährdet wird. Und das, obwohl die Lotsen diese Arbeit quasi per Gesetz erfüllen müssen. Dalege: „Was wir also brauchen, sind flankierende Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket des Bundes, damit unsere Kollegen weiterhin ihre wichtigen Aufgaben in einer stabilen Organisation erfüllen können.“ EHA

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