Verbände legen ihre Prioritäten für die Koalitionsverhandlungen vor

Seit gestern laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP. Transport- und Logistikverbände haben schon mal zusammengeschrieben, was sie von den Koalitionären erwarten.

Am Mittwoch haben SPD, Grüne und FDP mit ihren Koalitionsverhandlungen begonnen. Das Team für den Bereich Mobilität besteht aus zwölf Mitgliedern, darunter federführend die saarländische Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD), Anton Hofreiter, einer der Chefs der Grünen-Bundestagsfraktion, und Oliver Luksic, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag. Zum Start der Gespräche haben zwei große Verbände der Transportwirtschaft - der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik sowie der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung - ihre Empfehlungen in die Verhandlungen eingebracht.

Der DSLV hat seine Erwartungen an die Bundesregierung der 20. Legislaturperiode in fünf Handlungsfelder für die Verkehrs-, Umwelt-, Sozial- und Wettbewerbspolitik auf 17 Seiten formuliert. Im Kapitel „Infrastruktur solide finanzieren – Mobilität sichern“ rät er den Verhandlungsteams, Investitionen in die Verkehrsträger bei 19 Milliarden Euro zu verstetigen. So viel ist zunächst auch für das kommende Jahr geplant. Der Haushalt 2022 steht allerdings unter Vorbehalt und wird Beobachtern zufolge mit großer Wahrscheinlichkeit neu aufgestellt.

Dem Speditionsverband ist es zudem wichtig, dass der Finanzierungskreislauf Straße erhalten bleibt. Das heißt, dass die Mittel aus der Lkw-Maut in den Erhalt der Straßeninfrastruktur fließen sollen und nicht, wie beispielsweise von den Grünen gefordert, für alle Verkehrsträger zur Verfügung stehen sollen. Der DSLV warnt zudem vor einer Doppelbelastung durch den nationalen Emissionshandel, der seit dem 1. Januar 2021 gilt, und die geplante CO2-Maut ab 2023. Außerdem hält er es für notwendig, das Verbandsklagerecht zu prüfen. Er warnt, dass es selbst dann Anwendung findet, wenn der Bundestag über einzelne Projekte entscheidet oder Ersatzneubauten geplant sind.  

Im zweiten Kapitel „Digitalisierungstau auflösen – Logistikinnovationen unterstützen“ plädiert der DSLV unter anderem für eine zügige Einführung eines flächendeckenden E-Governments in der öffentlichen Verwaltung und die „rechtliche Akzeptanz von elektronischen Beförderungspapieren und Begleitdokument“ herzustellen. Er hält es ebenso für sinnvoll, Mautdaten für beispielsweise Verkehrsleit- und -lenkungszwecke zu nutzen. Bisher sind die Daten streng geschützt, eine Ausnahme gilt in Teilen für Kontrollen des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG).

CO2-Handel europäisch lösen

„Klimaschutz beschleunigen – Null-Emissions-Logistik“ fördern, heißt das dritte Kapitel. Hier erwartet der DSLV, dass die künftige Bundesregierung beim Emissionshandel alle nationalen Alleingänge aufgibt und stattdessen europäische Lösungen unterstützt. Das Förderprogramm zur Anschaffung klimafreundlicher Nutzfahrzeuge sollte inklusive der Lade- und Tankinfrastruktur inhaltlich und finanziell verstetigt werden. Die Bundesregierung soll dem DSLV zufolge zudem „aktiv zur Revision der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Antriebe (Afid) beitragen“.

Der Verband spricht sich auch dafür aus, Lang-Lkw grenzüberschreitend einzusetzen. Erst kürzlich hatten sich Deutschland und die Niederlande auf ein gemeinsames Projekt geeinigt. Bilaterale Abkommen sollten auch mit anderen Ländern geschlossen werden. Für Planungssicherheit der Unternehmen sei notwendig, den Einsatz des Lang-Lkw Typ 1 (verlängerter Sattelauflieger) über den 31. Dezember 2023 hinaus zu gewährleisten. Zur städtischen Logistik schreibt der Verband, dass für den Lieferverkehr mit emissionsfreien Fahrzeugen Vorrangregeln im Straßenverkehrsrecht verankert werden sollten.

Beim Thema Verlagerung betont der Verband, dass die Schienen- und Wasserstraßeninfrastruktur ertüchtigt werden muss. Maßnahmen aus den Masterplänen sollten stärker in multimodale Logistikketten eingebunden werden und die Förderung von Gleisanschlüssen in Anlagen der Industrie, in Speditionsanlagen und Häfen konsequent weiterverfolgt werden. Bei der Schiene müsse die Bundesregierung die Trassenpreisförderung und ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs regelmäßig evaluieren und gegebenenfalls fortführen. „In die Evaluierung ist das tatsächliche Verlagerungspotenzial straßenaffiner Gütergruppen einzubeziehen, um auszuschließen, dass sich durch eine Trassenpreissenkung allein der Wettbewerb zwischen den Systemen Schiene und Binnenschifffahrt um Massengüter verschärft“, schreibt der DSLV. Er spricht sich ebenfalls dafür aus, die Maut im Vor- und Nachlauf des Kombinierten Verkehrs (KV) zu senken und Verlagerungsprämien für Speditionen in den Blick zu nehmen. So könnten die Gesamtkosten des KV verringert werden.

DSLV gegen Eingriff in die Tarifautonomie

Zum „Arbeitsrecht modernisieren – Tarifautonomie schützen“ schreibt der Verband, dass die Regierung sich um den allgemeinen Fachkräftemangel kümmern muss. Die Ausbildung ausländischer Fachkräfte – auch aus Drittstaaten – sollte einfacher anerkannt werden. Ausbildungsinhalte - sowohl bei den akademischen als auch berufsbildenden Lehrinhalten - müssten um digitale Medien und Techniken erweitert werden. Er plädiert ebenso dafür, die Arbeitszeitgesetze an die Digitalisierung anzupassen, um Beschäftigen und Arbeitgebern flexibles Arbeiten zu ermöglichen. Der DSLV spricht sich strikt gegen Eingriffe in die Tarifautonomie aus.

Im fünften und letzten Kapitel „Märkte öffnen – Wettbewerb sichern“ appelliert der Speditionsverband an die Bundesregierung, die Kontrollkapazitäten des BAG aufzustocken, um die Einhaltung von Entsende- und Kabotageregeln wirksam kontrollieren zu können. Auch das Prinzip der Auftraggeberhaftung sollte wieder aufgegeben werden. Für die Deutsche Bahn wünscht sich der DSLV, dass sie sich auf ihre Kernkompetenz als Carrier im Sinne der Daseinsvorsorge beschränkt. In der Seeschifffahrt empfiehlt er der Regierung, sich auf EU-Ebene für die Aufhebung der europäischen Gruppenfreistellungsverordnung einzusetzen.

BGL: Übernachtungen in Kleintransportern verbieten

Der BGL spricht sich vor allem dafür aus, Sozialdumping durch wirksame Kontrolle des EU-Mobilitätspaketes zu bekämpfen, Parkgebühren auf Lkw-Rastplätzen für Langzeitparker und ein Übernachtungsverbot in Kleintransportern einzuführen. Um den Fahrermangel zu beheben, sollten mehr Lkw-Parkplätze gebaut und Bürokratie beim Führerscheinerwerb abgebaut werden.

Der Verband hält es darüber hinaus für notwendig, bei Klimaschutzmaßnahmen ausländische Lkw nicht außen vorzulassen und die Mehrkosten für die Anschaffung von Lkw mit alternativen Antrieben zu fördern. So könne die künftige Regierung Investitions- und Planungssicherheit gewährleisten.

Um die Lkw-Verkehrssicherheit zu erhöhen, sollte EU-weit verpflichtend ein Abstandsregeltempomat eingeführt werden. Auch die Anforderungen an Notbremsassistenten müssten verschärft und Abbiegeassistenten hinreichend gefördert werden.

Zur Digitalisierung schreibt der Verband, dass durch die Einführung digitaler Verkehrslenkung Staus vermieden werden können. Die Regierung müsse zudem Rechtssicherheit für den elektronischen Frachtbrief sowie digitale, vereinheitlichte und beschleunigte Verfahren im Bereich der Großraum- und Schwertransporte schaffen.

BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt sagte: „Die mittelständische Transportwirtschaft ist angesichts des akuten Fahrermangels, des Dumpingwettbewerbs im Straßengüterverkehr sowie der Notwendigkeit zum Klimaschutz mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Wir setzen darauf, dass die sog. Fortschrittskoalition aus SPD, Grünen und FDP unsere Branche und ihre mittelständischen Unternehmer bei der Bewältigung dieser Aufgaben nicht allein lässt.“

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