Logistikweise fordern Masterplan für Deutschland

Das Expertengremium hat am Montagabend seinen Jahresbericht an Steffen Bilger, den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, übergeben. Vor allem die darin enthaltenen Handlungsempfehlungen für die Politik haben sein Interesse geweckt.

Die Logistikweisen haben am Montagabend ihren Jahresbericht an Steffen Bilger, den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, übergeben. Neben den Analysen zur Wirtschaftsentwicklung der Branche haben vor allem die Handlungsempfehlungen für die Politik sein Interesse geweckt.

„Das sind viele gute Impulse“, kommentiert Bilger die Handlungsempfehlungen, der zudem betont, dass sein Ministerium die Expertise des Fachgremiums sehr zu schätzen weiß. So plädiert das Expertengremium für einen Masterplan, der die Anforderungen an die digitale Infrastruktur und die Verkehrsinfrastruktur berücksichtigt und gezielte Investitionsentscheidungen ermöglicht. Bilger unterstreicht in dem Zusammenhang, dass das BMVI stets dafür kämpft, „hohe Investitionen tätigen zu können“. Diese durchzusetzen sei aber je nach Verkehrsträger unterschiedlich einfach – bei der Schiene habe man Rückenwind, bei der Straße werde es schwieriger. „Das wird nach der Bundestagswahl nicht einfacher werden“, prognostiziert der Parlamentarische Staatssekretär.

Investitionen richtig zu tätigen wird immer komplexer, „denn es geht nicht mehr nur um schlichte Verbindungen von einzelnen Regionen und Ballungszentren, wie es im Mittelpunkt der transeuropäischen Netze (TEN) gestanden hatte. Vielmehr ist in logistischen Ketten vom Anfang bis zum Ende einer Supply Chain zu denken“, schreiben die Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft in ihrem Bericht. So sollten nicht nur Transportmengen und Transportleistungen berücksichtigt werden, sondern beispielsweise auch die Volumentransporte der Paketdienste. Das Verhältnis zwischen Volumen, Gewicht und Fahrzeug sei hinsichtlich des Infrastrukturbedarfs deutlich anders zu bewerten als bei der Versorgung der Automobilindustrie.

Nachholbedarf bei Digitalisierung

Investitionen stehen auch bei der Digitalisierung im Zentrum. Deutschland solle sich als „Weltmeister der digitalen Logistik“ verstehen und entsprechende Standards setzen, vergleichbar mit den bewährten DIN-Verfahren. Dafür sollte jetzt eine Strategie entwickelt werden. Das würde die Attraktivität des Standorts für Logistikinvestitionen steigern. Positiv heben die Logistikweisen hervor, dass das BMVI über 30 Förderprogramme für Digitalisierung unterhält. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, dass die Förderlandschaft auch den kleinen und mittleren Unternehmen der Branche zugute kommt. Denn es müsse verhindert werden, dass den Akteuren der Logistik das gleiche Schicksal widerfährt wie dem Einzelhandel und am Ende ein Global Player aus dem Ausland dominiert.

Hinsichtlich digitaler Abläufe zeigen sich gerade jetzt in der Coronakrise Schwächen im deutschen Verwaltungsapparat. Das betrifft beispielsweise die Testung von Lkw-Fahrern an Grenzen. „Hier sind wir schnell wieder in der analogen Steinzeit“, kommentiert Klemens Rethmann, Vorstandsvorsitzender von Rhenus. Statt einer digitalen Dokumentation müssten die Fahrer mühselig Zettel ausfüllen.

Kleine und mittlere Unternehmen beteiligen

Als einen Bestandteil des Masterplans empfehlen die Logistikweisen einen Leitfaden für Kommunen mit Orientierungs- und Entscheidungshilfen, der die Ansiedlung von Logistikinfrastruktur und Logistikimmobilien und deren Akzeptanz in der Bevölkerung fördert. Kleine und mittlere Unternehmen, die die Struktur der Branche prägen, sollten an der Entwicklung notwendiger Infrastruktur beteiligt werden. Dies kann von einer Ladesäule an einem Logistikzentrum bis zu einem Verkehrskonzept für die Ansiedlung einer Logistikimmobilien reichen. „Die Bevölkerung sollte in diesem Zusammenhang wahrnehmen, dass die Bedürfnisse an Klima- und Naturschutz sowie Lebensqualität erhalten bleiben“, heißt es in dem Bericht.

„In Bezug auf Nachhaltigkeit empfehlen die Experten eine planbare und nachvollziehbare politische Strategie. Dazu gehörten transparente und klare Vorschriften beispielsweise hinsichtlich Antrieben, Logistikimmobilien oder CO2-Bilanzierung. Langfristige Planbarkeit verbunden mit einer ehrlichen Kommunikation würde die Investitionsentscheidungen von Logistikunternehmen stützen. Die Strategie und die gesteckten Rahmenbedingungen sollten über die Verbandslandschaft kommuniziert werden, rät die Expertengruppe. „Ich weiß, dass wir es Ihnen nicht immer einfach machen“, räumt Bilger ein. Er könne nicht versprechen, dass alles immer planbar ist. Hinsichtlich alternativer Antriebe betonte er, dass man in der Bundesregierung technologieoffen überlege und entscheide.

Im Zusammenhang mit alternativen Antrieben stellt Kerstin Wendt-Heinrich, Geschäftsführerin der Top Mehrwert-Logistik fest, dass die Mittelständler der Branche zwar durchaus innovationsfähig sind. Aber sie verfügen nicht unbedingt über die finanziellen Mittel, beispielsweise eine ganze Flotte auf alternative Antriebe umzustellen. „Daher brauchen wir Förderprogramme, bei denen nicht immer noch eine Bank dazwischen ist“, sagt Wendt-Heinrich. Mit Direktinvestitionen ließen sich auch die Klimaziele besser erreichen.

Attraktivität der Branche für Bewerber erhöhen

Den Logistikweisen zufolge ist eine Ausbildungsoffensive in Logistik und Informationstechnik notwendig. Denn die Branche werde wachsen und zu den wichtigsten Arbeitgebern der Zukunft zählen. In der aktuellen Bewerbersituation spiegele sich dies allerdings noch nicht wider. Für Bewerber habe die Branche eine zu geringe Relevanz. Das zeige sich am Trendence Arbeitgeber Ranking, in dem lediglich die Deutsche Post DHL und die Deutsche Bahn auftauchen.

Logistik spiele allerdings in vielen Unternehmen eine wichtige Rolle, auch wenn diese nicht direkt der Branche zugeordnet werden. Zu den Berufen gehören nicht nur klassische Tätigkeiten in Transport und Lager, sondern ebenso die komplette Steuerung gesamter Abläufe globaler Supply Chains, betont das Gremium. Die Potenziale der Branche müssten dem Nachwuchs vermittelt werden. „Da bereits aktuell ein Fachkräftemangel besteht, kann eine konkrete Förderung der Logistikbeschäftigung einen drohenden Engpass und damit eine Beeinträchtigung der Logistik verhindern.“ Dies könnte beispielsweise die Förderung des Lkw-Führerscheins sein.

Künftig ein Ministerium für Logistik?

Der Wirtschaftsbereich Logistik ist ein Alleinstellungsmerkmal für Deutschland, betonen die Experten. Sie vertreten die Auffassung, dass die Branche vor allem zu Beginn der Corona-Krise eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung erfahren hat. Dieser Schwung solle genutzt werden, damit zum einen die Akzeptanz in der Bevölkerung für Infrastrukturmaßnahmen und Ansiedlungen erhöht wird, sondern auch das Interesse an der Logistik als Arbeitgeber.

Zu einer Aufwertung der Branche könnte auch das BMVI einen Beitrag leisten, indem es den Begriff Logistik in die Bezeichnung des Ministeriums aufnimmt. Das könnte dann so lauten: Bundesministerium für Verkehr, Infrastruktur und Logistik. Der vollständige Bericht „Logistik 2021 – Stabilitätsfaktor in der Krise und Stütze des Aufschwungs“ steht im Internet.

Die Experten

Zu den Mitgliedern der Logistikweisen gehören neben den Initiatoren Prof. Christian Kille (Hochschule Würzburg-Schweinfurt) und Markus Meißner (AEB): Andreas Backhaus (BASF), Berit Börke (Partner For Pioneers), Andreas Froschmayer (Dachser), Christian Grotemeier (BVL), Gerd Hailfinger (Geberit International), Frauke Heistermann (Befesa), Christian Jacobi (Agiplan),  Matthias Klug (Still), Wolfgang Lehmacher (Berater), Michael Müller (Lila Logistik), Prof. Alexander Nehm (DHBW Mannheim), Klemens Rethmann (Rhenus), Torsten Rudolph (Rudolph Logistik Gruppe), Prof. Thorsten Schmidt (TU Dresden), Marc Schmitt (Evertracker), Arnold Schroven (Berater), Martin Schwemmer (Fraunhofer IIS), Stefan Schwinning (Miele), Harald Seifert (Seifert Logistics Group), Michael Sternbeck (DM), Prof. Wolfgang Stölzle (Uni St. Gallen), Jens Wagener (Commerzbank), Steffen Wagner (KPMG), Kerstin Wendt-Heinrich (TOP Mehrwert-Logistik), Patrick Wiedemann (Reverse Logistics Group) und Peer Witten (Logistik-Initiative Hamburg).

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