Heil: Kurzarbeitergeld soll deutlich länger gezahlt werden

Die Wirtschaft zieht teilweise schon wieder kräftig an. Braucht es noch eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds? Und wenn ja – unter welchen Bedingungen? Das Konzept aus dem Arbeitsministerium sorgt für Diskussionen.

Beim Koalitionsausschuss an diesem Dienstag wollen die Spitzen des Regierungsbündnisses voraussichtlich auch über eine Verlängerung der Höchstbezugsdauer des Kurzarbeitergeldes beraten - von 12 auf 24 Monate. Im Gespräch ist, damit eine Qualifizierung der Beschäftigten zu verbinden. Das Bundesarbeitsministerium schlägt nach einem Medienbericht vor, die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes und die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge bis März 2022 zu verlängern. Das Ressort von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) habe ein entsprechendes Modell entwickelt, meldet die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf ein vertrauliches Konzept.

Demnach sollen den Arbeitgebern die Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeiter bis März 2021 vollständig erstattet werden, ab April 2021 nur noch zu 50 Prozent - es sei denn, die Unternehmen bildeten Kurzarbeiter weiter. In diesem Fall solle der Staat die Beiträge bis März 2022 komplett übernehmen, heißt es in dem Bericht.

Massive Jobverluste

Regulär beträgt das Kurzarbeitergeld 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns, für Berufstätige mit Kindern 67 Prozent. Die Bundesregierung hatte in der Coronakrise aber beschlossen, das Kurzarbeitergeld aufzustocken. Ab dem vierten Monat wird es nun auf 70 beziehungsweise 77 Prozent erhöht, ab dem siebten Monat auf 80 beziehungsweise 87 Prozent.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi befürwortet den Plan, denn ohne eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds seien massive Jobverluste in der Coronakrise zu befürchten. „Dann drohen im Dienstleistungsbereich Entlassungen in hohem Maß“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Union und SPD sollten daher den Weg für eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds freimachen. Werneke erläuterte, steigende Aufträge und Umsätze deuteten auf eine wirtschaftliche Erholung nach dem Corona-Einbruch hin. Es gebe aber auch Bereiche, vor allem im Dienstleistungssektor sowie etwa bei den Autozulieferern, die weiter stark betroffen seien. „Der Flugverkehr kommt nicht richtig in Gang“, sagte der Verdi-Chef.

Werneke forderte, die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge zugunsten der Unternehmen an die Verpflichtung zum Joberhalt zu knüpfen. „Es kann nicht auf der einen Seite Kurzarbeitergeld abkassiert werden, und auf der anderen Seite werden betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen“, sagte er.

Qualifizierung der Beschäftigten

In der Koalition ist im Gespräch, mit längerer Kurzarbeit Qualifizierung der Beschäftigten zu verbinden. Auch der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, befürwortet eine Bindung an Weiterbildungsmaßnahmen. „Kurzarbeitergeld kann nicht das Mittel der Wahl sein, um dauerhaft strukturelle Probleme zu lösen, die sich mit der Corona-Krise überlappen, etwa in der Autoindustrie“, sagte Scheele der „Rheinischen Post“ (Samstag). Vielmehr gehe es um notwendige Transformationen. „Es ist daher klug, das Kurzarbeitergeld mit Qualifizierung zu koppeln, wo es sinnvoll ist.“

Was für eine Qualifizierung die Kurzarbeitenden wann und wo machen sollten, das müssten die Sozialpartner und die Arbeitgeber selbst entscheiden. Der BA-Chef begrüßt auch eine mögliche Verlängerung der Bezugszeit für Kurzarbeitergeld auf 24 Monate: „Wir werden nicht am Jahresende mit der Corona-Krise und deren Auswirkungen am Arbeitsmarkt durch sein.“

Der Chef des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, hatte betont, eine Entscheidung pro Verlängerung sei verfrüht. „Grundsätzlich hat Kurzarbeit zwar den Vorteil, überflüssige Entlassungen zu vermeiden, aber den Nachteil, notwendigen Strukturwandel zu verzögern“, sagte er der „Rheinischen Post“. (dpa/ben)

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