Tegut führt Viertagewoche in neuem Logistikzentrum ein

Die Supermarktkette wird 2023 ein großes Logistikzentrum vor den Toren Fuldas eröffnen. Insgesamt sollen an dem Standort künftig rund 800 Mitarbeiter tätig sein. In der gewerblichen Logistik will das Unternehmen nun auch die Viertagewoche anbieten. Ein Pilotprojekt sei bereits sehr erfolgreich verlaufen.

Nach und nach müssen rund 17.000 Produkte in das 90.000 Quadratmeter große Logistikzentrum gebracht werden, das dieses Jahr noch in Betrieb gehen soll. (Visualisierung: Tollé Planungsgesellschaft mbH & Co. KG)

In diesem Jahr wird der Lebensmitteleinzelhändler Tegut sein neues Logistikzentrum im Logistikpark „Hessisches Kegelspiel“ in Michelsrombach nach und nach hochfahren. An dem Standort vor den Toren Fuldas entstehen dem Unternehmen zufolge 800 Arbeitsplätze. Ab sofort können sich Kommissionierer, Staplerfahrer, Mitarbeitende im Wareneingang, Warenausgang und in der Wertstoffabwicklung für eine Viertage-Arbeitswoche entscheiden.

Tegut erhofft sich von dem Angebot der Verteilung der 38 Wochenstunden auf vier statt fünf Tage, die Arbeitsplätze in der gewerblichen Logistik attraktiver zu machen und die Zufriedenheit der Beschäftigten zu verbessern. Das Unternehmen habe in Michelsrombach noch immer vakante Positionen zu besetzen, sagt der Leiter des Trockensortimentelagers Dominik Roth. Ein Pilotprojekt zur Viertagewoche Anfang des Jahres, das auf drei Monate ausgelegt war, sei „sehr erfolgreich“ verlaufen.

„Die Viertagewoche ist für Arbeitnehmende sehr attraktiv“, sagt Roth. Daher bietet das Unternehmen das Arbeitszeitmodell nun zusätzlich zur klassischen Fünftagewoche an. „Die Mitarbeitenden können sich dann für eine Variante entscheiden“, fügt Roth hinzu.

Studie belegt Vorteile

Die Viertagewoche wird schon seit längerer Zeit intensiv diskutiert. Dabei gehen manche Unternehmen allerdings noch viel weiter als Tegut. Denn eigentlich geht es sogar darum, das gleiche Wochenpensum mit einem Arbeitstag weniger zu schaffen, bei gleichem Lohn.

Eine umfangreiche britische Studie dazu hatte ein besseres Wohlbefinden der Angestellten und leichte Umsatzsteigerungen bei den Unternehmen festgestellt. Knapp 3.300 Angestellte von 61 Firmen hatten in Großbritannien im vergangenen Jahr sechs Monate lang das Modell bei vollem Lohnausgleich getestet. Die Mitarbeitenden mussten sich im Gegenzug verpflichten, ihre bisherigen Arbeitsaufträge so zu organisieren, dass sie sie auch in der kürzeren Zeit abarbeiten können. Initiiert wurde der Test von der Organisation „Four Day Week Global“ aus Neuseeland, die schon Erfahrung mit solchen Versuchen hat. Wissenschaftler der Universitäten Cambridge und Oxford, vom Boston College in den USA und der britischen Denkfabrik Autonomy begleiteten die Firmen.

Letztlich hatten 92 Prozent der teilnehmenden Unternehmen beschlossen, die Viertagewoche auch nach Abschluss der Pilotphase Ende 2022 weiterzuführen. Mit den Auswirkungen auf Umsatz und Erträge war die Mehrzahl sehr zufrieden. Im Schnitt stiegen die Umsätze trotz der geringeren Arbeitszeit sogar leicht um 1,4 Prozent.

Ifo-Präsident spricht sich dagegen aus

Trotzdem gibt es auch Kritiker. So hatte sich diesen Monat Clemens Fuest, der Präsident des Münchner Ifo Instituts, gegen die Viertagewoche ausgesprochen. Die Arbeitszeit bei unverändertem Monatslohn um ein Fünftel zu kürzen, entspräche einer Erhöhung des Stundenlohns um 25 Prozent. „Für die Unternehmen wäre das nur dann finanzierbar, wenn die Produktivität der Beschäftigten im gleichen Umfang steigen würde – sie also an vier Tagen das leisten, wofür sie heute fünf Tage brauchen“, schreibt Fuest in seinem Aufsatz. Die Produktivität könnte seiner Einschätzung nach bei kürzerer Arbeitszeit zwar durchaus zunehmen, aber kaum in diesem Umfang.

Obendrein erscheine es abwegig, in einer Volkswirtschaft wie Deutschland, in der wegen des demografischen Wandels die Arbeitskräfte immer knapper würden, kürzere Arbeitszeiten auch noch gesetzlich vorzugeben oder zu fördern. Politik und Tarifpartner sollten die Bedingungen vielmehr so gestalten, dass Anreize für Erwerbstätigkeit gestärkt würden. Fuest: „Dazu gehört es, beim Bürgergeld Teilzeitarbeit weniger und Vollzeitarbeit stärker zu fördern. Dazu gehört auch, die Kinderbetreuung weiter auszubauen, die Ehegattenbesteuerung zu reformieren und öffentliche Ausgaben zu begrenzen, damit Spielräume entstehen, Steuern und Abgaben auf Arbeitslöhne zu senken. Nicht zuletzt lässt sich Arbeitskräfteknappheit auch durch höhere Löhne lindern.“

Erster Logistiker mit Viertagewoche

Die DVZ konnte bisher nur einen einzigen Logistiker in Deutschland ausfindig machen, der auf eine Viertagewoche umgestellt hat: das Düsseldorfer Unternehmen Cargo Truck Direct. Nach langwierigen Vorbereitungen und einer Testphase hatten die Geschäftsführer Andreas Hohnke und Muhammet Altindas entschieden, die Viertagewoche ab April vorerst dauerhaft für die 20 Beschäftigten des Unternehmens einzuführen. Das Modell: gleiches Monatsgehalt, aber nur noch 40 statt 45 Wochenstunden. Lesen Sie die komplette Story hier.

Umfrage: Viertagewoche wird zum Wechselgrund

Die Einführung einer Viertagewoche ist derzeit in aller Munde und findet großen Anklang bei Jobsuchenden, wie der aktuelle Jobwechsel-Kompass zeigt, den die Königsteiner Gruppe und die Jobbörse Stellenanzeigen.de quartalsweise erheben. Demnach wird die Viertagewoche zum Wechselgrund für viele Fachkräfte. So suchen 42 Prozent der Befragten, die offen für einen Wechsel sind, gezielt nach Arbeitgebern, die eine Viertagewoche anbieten. 81 Prozent der Wechselwilligen würden generell gerne in diesem Arbeitszeitmodell arbeiten. Zum Vergleich: Die derzeit weniger wechselwilligen Beschäftigten sind zu einem Anteil von 68 Prozent daran interessiert. Für den aktuellen Jobwechsel-Kompass hat die Marktforschungsfirma Bilendi bundesweit 1.075 Beschäftigte befragt. Im zweiten Quartal sind demnach 32 Prozent der Befragten wechselwillig.

Mehr als drei Viertel der Kandidaten (77 Prozent) finden Arbeitgeber, die in ihren Stellenanzeigen oder auf ihren Karrierewebseiten auf eine Viertagewoche verweisen, attraktiver als andere Unternehmen, die offene Stellen besetzen möchten. Allerdings: Nur 38 Prozent der potenziellen Jobwechsler würden bei dieser Arbeitszeitverkürzung auf Gehalt verzichten. Insgesamt würden auch nur 35 Prozent aller an einer Viertagewoche interessierten Befragten akzeptieren, in diesem Fall auch nur für vier Tage bezahlt zu werden. Aktuell arbeiten 15 Prozent aller Befragten tatsächlich nur an vier Tagen in der Woche. Insgesamt gehen 60 Prozent davon aus, dass diese irgendwann die heutige Fünftagewoche ersetzen wird.

Nils Wagener, Geschäftsführer der auf HR-Beratung und Personalmarketing spezialisierten Königsteiner Gruppe, kommentiert die Ergebnisse der Umfrage: „Unsere Zahlen zeigen die Bedeutung des Themas. Aus der individuellen Perspektive der Beschäftigten betrachtet ist ‚weniger Arbeit bei mehr Geld‘ auch absolut nachvollziehbar. Derartige Ansprüche an die Arbeitswelt durch wechselwillige Fachkräfte sind allerdings nur deshalb möglich, weil wir mehr freie Stellen als Kandidaten haben. Dieses Problem kann sich durch Arbeitszeitmodelle wie die Viertagewoche aber noch einmal verschärfen, da so noch mehr Mitarbeitende für die gleiche Menge Arbeit benötigt werden. Eine mögliche Folge sind steigende unternehmerische Kosten, die das Wachstum hemmen, die Preise für die Konsumenten erhöhen und den Spielraum für sonstige Mitarbeiter-Benefits einengen. Die Auseinandersetzung mit derartigen Konsequenzen sollte unbedingt erfolgen, bevor Arbeitgeber reflexartig auf die Vier-Tage-Woche umstellen.“

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