So sieht der neue Markt für Trucker-Hotels aus

Weil die wöchentliche Ruhezeit nicht länger in der Fahrerkabine ­verbracht werden darf, wächst der Markt für Übernachtungsangebote in Autobahnnähe. Dabei wollen neue sowie etablierte Anbieter mitmischen. So ergibt sich ein spannendes Rennen um die beste Position.

Hotels oder andere Übernachtungsmöglichkeiten für Trucker und LKW-Fahrer sprießen aktuell vielerorts aus dem Boden. Grund für diesen signifikanten Anstieg des Angebots ist, dass die reguläre Wochenruhezeit laut dem Mobilitätspaket 1 nicht länger im Fahrzeug verbracht werden darf. Der EuGH hatte das Verbot zwar bereits im Jahr 2017 richterlich bestätigt, jedoch nicht ausdrücklich im Rechtstext geregelt und damit einen unerwünschten Interpretationsspielraum geschaffen. Jetzt gilt dieses Verbot jedoch unumstößlich.

Durch die Neuregelung darf die reguläre wöchentliche Ruhezeit sowie jede andere wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden, die als Ausgleich für eine vorherige verkürzte wöchentliche Ruhezeit eingelegt wird, nicht im Fahrzeug oder auf Parkflächen verbracht werden. In diesem Zusammenhang ist auch von einem sogenannten Rückkehrrecht des LKW-Fahrers die Rede.

Ursprünglich sollte sogar eine Rückkehrpflicht für Fernfahrer festgeschrieben werden, berichtet Ismail Ertug, Mitglied des Europäischen Parlaments: „Im Zentrum dieser Überlegung stand immer der Fahrer und dass dieser ein Recht auf Teilhabe am sozialen Leben in seiner Heimat hat.“ Allerdings sei während einer juristischen Prüfung der Rückkehrplicht aufgefallen, dass diese das Grundrecht auf Bewegungsfreiheit verletzen würde. „Erschwerend kam hinzu, dass die Minister der Mittelländer wie beispielsweise Tschechien, Slowenien, Slowakei oder Spanien dagegen gestimmt haben“, sagt Ertug auf DVZ-Nachfrage. So habe man sich als Kompromiss auf das Rückkehrrecht geeinigt.

Sofern der Fahrer jedoch nicht an seinen Wohnort zurückkehrt, muss die Ruhezeit laut Gesetzgeber „in geeigneten und geschlechtergerechten Unterkünften mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen“ verbracht werden. Allerdings gibt es diese geeigneten Übernachtungsmöglichkeiten für LKW-Fahrer nicht gerade wie Sand am Meer. Nichtsdestotrotz sehe man beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) keinen Nachholbedarf, wie der Verband auf DVZ-Anfrage erklärte: „An uns sind Probleme im Hinblick auf mangelnde Kapazitäten für Unterkünfte im Zusammenhang mit dem Kabinenverbot nicht herangetragen worden.“

75.000 Betten fehlen

Der emeritierte Logistikprofessor Peter Klaus hingegen errechnete schon im Jahre 2018 für die DVZ, dass bereits damals gut 50.000 Fahrerbetten fehlten – allein in Deutschland wohlgemerkt. Daran habe sich auch nicht viel geändert. Ganz im Gegenteil. Der Mangel an geeigneten Park- und Übernachtungsmöglichkeiten sei nach wie vor „ein reales Problem, das nicht durch neue Vorschriften aus der Welt geschafft wird“, sagt Klaus und bemisst den heutigen Bedarf auf bundesweit 75.000 Hotelbetten – Tendenz steigend.

Durch diesen exponentiell gestiegenen Bedarf an Hotelbetten wächst der Anbietermarkt von Übernachtungsmöglichkeiten in Autobahnnähe nun in vergleichbar rasantem Tempo. Rund 50 Hotels an Autobahnen werden bereits von Tank & Rast betrieben. Neben weiteren vereinzelten Ansiedlungen von Hotels wie am Autohof Lohfelder Rüssel, das Anfang September eingeweiht wurde, oder einem Hotel in Kapelleburg – in den Niederlanden direkt an der Grenze zu Belgien –, gibt es auch Unternehmen, die skalierbare Konzepte an den Markt bringen wollen.

Dabei sind diese neuen Player auf dem Markt allerdings auf Partnerschaften mit Rastplätzen, Tankstellen oder anderen autobahnnahen Gewerbetreibenden angewiesen. Denn die haben das wichtigste Asset: Fläche. So ergibt sich aktuell ein spannendes Rennen, um die beste Marktposition. Tank & Rast bestätigte beispielsweise gegenüber der DVZ, dass man sich dazu mit verschiedenen Anbietern und Dienstleistern austausche, wollte jedoch nicht weiter ins Detail gehen. Auch bei der Vereinigung Deutscher Autohöfe (Veda) erklärte Alexander Quabach, Geschäftsführer Veda, gegenüber der DVZ, dass sich Anfragen „mobiler Übernachtungsangebote“ mehren würden. Demnach seien Autohofbetreiber grundsätzlich offen für derartige Gespräche, würden aber immer öfter auch selbst Hotels bauen. „Am Ende muss sich das Geschäftsmodell rechnen“, sagt Quabach trocken.

Eine nicht zu vernachlässigende Größe in dieser Rechnung sind die LKW-Fahrer selbst. Denn die würden ihre Ruhezeiten immer noch am liebsten in ihrer eigenen Fahrerkabine verbringen, meint Udo Skoppek, Fernfahrer seit mehr als 30 Jahren. Mit dieser Ansicht steht Skoppeck nicht allein da; viele Branchenkenner wie Georg Dettendorfer, Geschäftsleitung der Johann Dettendorfer Spedition Ferntrans, oder Nikolja Grabowski, Unternehmenssprecher der Elvis AG, pflichten ihm bei. Auch Veda-Chef Quabach schlägt in die gleiche Kerbe, indem er sagt, dass sich kaum ein Konzept oder Projekt rentieren werde, wenn die Akzeptanz in der Fahrer-Community fehle. So seien beispielsweise Mehrbettzimmer erfahrungsgemäß keine Option für die meisten Trucker.

Ein Projekt, das sich auf dem Markt etablieren möchte, ist „Truckerbase“. Die Macher wollen eine neue Art des „minimalen Übernachtungsangebots“ schaffen und hoffen, mit dem Konzept „Rasten 2.0“ den Nerv der Fahrer zu treffen. Entwickelt wurde das Konzept dahinter von Strohecker Architekten aus Graz. Dort habe man sich bereits nach dem EuGH-Urteil vor zweieinhalb Jahren die Frage gestellt, was diese neue Regelung für Folgen haben würde und sich an ein älteres Projekt auf einer Raststätte in der Steiermark erinnert, das nun als Blaupause für das neue Konzept fungiert, sagt Geschäftsführer Arch Strohecker.

Der bewohnbare Reifenstapel

Dabei handelt es sich um eine turmförmige Konstruktion, die auf den ersten Blick an einen Reifenstapel erinnert. Diese auffällige Optik soll auch bei künftigen Bauten erhalten bleiben, allerdings werde die Bauweise verändert. Strohecker: „In der Steiermark haben wir eine feste Konstruktion aus Stahlbeton gebaut. Um die Attraktivität sowie Skalierbarkeit des Konzepts für Investoren zu steigern, mussten wir eine kosteneffizientere Lösung finden und haben uns für Holz entschieden.“ Das biete noch einen weiteren essentiellen Vorteil für das Geschäftsmodell: Auf- und Abbau binnen eines Monats. Denn das Strohecker-Konzept sieht ein „temporäres Übernachtungsangebot“ vor.

Das habe mehrere Gründe, wie Strohecker erklärt. Zum einen könne man sich so an die baulichen Veränderungen von Parkplätzen auf Rasthöfen, die mit der Zeit kommen würden, leichter anpassen. Zum anderen wolle man damit die deutsche Bauordnung umgehen: „Bei temporären Bauten gibt es immer erleichterte Bauauflagen – siehe Zirkuszelte oder Containerdörfer.“ Aufgrund des Geschäftsmodells ist auch das Architekturbüro auf Partner wie Tank & Rast oder andere Rasthofbetreiber angewiesen, um das Konzept autobahnnah realisieren zu können. Dabei sei Strohecker ausschließlich an Nutzungsvereinbarungen interessiert, sagt er. Denn im Vergleich zu Pacht- oder Mietvereinbarungen seien diese deutlich kurzfristiger und somit variabler angelegt.

Mit Tank & Rast sei das Architekturbüro zwar im Austausch über eine derartige Vereinbarung, habe aber noch keine Partnerschaft geknüpft. Dafür habe man aber Anfragen diverser mittelständischer Speditionen aus Deutschland erhalten, die für ihre eigenen LKW-Fahrer eine Truckerbase auf den firmeneigenen Rastplätzen in ganz Europa aufstellen möchten. „Die haben den Zahn der Zeit erkannt“, sagt Strohecker, der sich das Konzept Truckerbase durchaus als Franchisemodell vorstellen kann. Jetzt werden aber zunächst der erste Prototyp gebaut und anschließend die angefragten Projekte umgesetzt.

Strohecker ist sich sicher, dass der Markt bereits im nächsten Jahr „richtig durchstarten“ werde. Dabei sieht er sein Unternehmen in der Planung weit voraus, geht aber davon aus, dass sich noch einige neue Marktteilnehmer dazugesellen werden.

Die Nettokosten für eine Truckerbase liegen, je nach tatsächlicher Anforderung an das Gebäude, der Infrastruktur im Bereich Sanitär vor Ort sowie der notwendigen Ausstattung, zwischen 15.000 und 25.000 EUR pro Zimmer/Box. Bei diesem Wert handele es sich allerdings um einen Richtwert, der je nach tatsächlichen Anforderungen und Ausführung des Gebäudes abweichen kann.

Doch nicht nur neue Anbieter wähnen in der veränderten Verbringung der Wochenruhezeit ein ertragreiches Geschäftsmodell. Auch die etablierte Plattform „Deutschland-Monteurzimmer.de“ scheint diese Lücke erkannt zu haben und nun schließen zu wollen. Zumindest wurde dort ein Ratgeberbeitrag veröffentlicht, der die Vorzüge eines Monteurzimmers für LKW-Fahrer unterstreichen soll. Zudem wurde mit dem Ausstattungsmerkmal „LKW-Parkplatz“ eine neue Filterfunktion für Nutzer des Portals hinzugefügt. Fahrer sollen so einen besseren Überblick erhalten, bei welcher Unterkunft sie einen geeigneten Stellplatz vorfinden. Um diese neuen Angebote auf dem Markt zu ordnen und übersichtlicher zu gestalten, hat sich ein findiger Geschäftsmann bereits die Webadresse „Truckerhotels.de“ gesichert und bietet dort Betreibern solcher Herbergen ein digitales Schaufenster sowie eine Vermittlung an. Das Rennen um die Marktführerschaft bleibt spannend.

Gesetzgebung

Alle Gesetze des Mobilitätspakets sind am 31. Juli 2020 im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden und gleichzeitig in Kraft getreten. Bis sie angewendet werden müssen, gelten allerdings verschiedene Übergangsfristen. So muss die Lenk- und Ruhezeitenverordnung bereits seit dem 21. August dieses Jahres angewendet werden. Einzige Ausnahme: Für die Einführung neuer „intelligenter“ Fahrtenschreiber gelten gestaffelte Einführungsfristen, die von Alter und aktueller Ausstattung der LKW abhängig sind. Die letzten LKW müssen 2025 umgerüstet sein.

Die Verordnung zum Marktzugang – dazu gehören beispielsweise auch die Rückkehrpflicht für LKW sowie die neuen Kabotageregeln – muss allerdings erst ab dem 21. Februar 2022 angewendet werden.

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