Klimaneutralität muss nicht teuer sein

Auf dem Weg zur Klimaneutralität müsse massiv in alternative Antriebe und neue Technologien investiert werden. Doch das heiße nicht, dass der Kunde am Ende zur Kasse gebeten werde, sagten die Teilnehmer einer Diskussionsrunde beim Deutschen Logistik-Kongress.

Der Weg zur Klimaneutralität ist noch lang, aber machbar, sagen die Teilnehmer der Panel-Diskussion auf dem Deutschen Logistik-Kongress in Berlin. (Foto: BVL/Bublitz)

Egal ob im Schiffsverkehr, der Luftfracht oder auf der Straße – Kunden wünschen sich immer häufiger nachhaltige Transportprodukte. In dem Punkt waren sich die Teilnehmer der Panel-Diskussion „Auf dem Weg zur Klimaneutralität“ auf dem Deutschen Logistik-Kongress in Berlin einig.

Nur wie kann das gelingen? Denn sowohl politische Rahmenbedingen, aber insbesondere der Preis und die Verfügbarkeit von grünen Treibstoffen stellen weiterhin eine Herausforderung für die Logistikbranche dar. Allein um die Energie für die Produktion von alternativen Kraftstoffen für Europa herzustellen, müssten im Jahr 2050 rund 50 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands und 15 Prozent der Nordsee für die Produktion von Wind- und Solarenergie genutzt werden, sagte Moderator Sven Rutkowsky vom Beratungsunternehmen Kearney, am Anfang der Diskussion.

Keine steigenden Kosten

Obwohl massiv in umweltfreundliche Verkehre und Treibstoffe investiert werden muss, glaubte keiner der Panelisten, dass es für den Endkunden unterm Strich teurer werde.

„Nachhaltigkeit darf kein Luxusgut werden“, betont Pietro D'Arpa, Vice President, Supply Chain Europe von Procter & Gamble. Und das müsse es auch nicht. Natürlich müsse investiert werden, beispielsweise im Bereich der Seefracht. Aber es gäbe genügend Ansätze effizienter zu arbeiten, um die entstehenden Mehrkosten für umweltfreundlichere Transporte wett zu machen. „Allein wenn wir bedenken, wie viele Transporte leer oder teilweise leer unterwegs sind, muss uns klar werden, da ist noch Potenzial“, sagt D'Arpa.

„Es ist beängstigend, wie viel Luft wir alle durch die Gegend transportieren“, stimmt Rolf Habben Jansen, CEO von Hapag-Lloyd, zu. Würde Transportraum besser genutzt und mit effizienteren Antrieben kombiniert, hätte man schon 60 bis 70 Prozent des Weges zur Klimaneutralität in der Logistik zurückgelegt, so Habben Jansen. „Wenn wir vier alte Schiffe mit einem neuen ersetzen können, dass mehr Kapazität hat und gleichzeitig effizienter ist, können wir die benötigte Energiemenge senken.“

Bei der Umsetzung von Klimazielen gäbe es zwei Aspekte zu beachten, fügte Tim Scharwath, CEO Global Forwarding, Freight bei Deutsche Post DHL Group, hinzu. Zum einen müsse weniger Treibstoff oder Energie verbraucht werden. Zum anderen sollten Unternehmen auf umweltfreundlichere Alternativen setzen. Und, „je mehr Nachfrage für saubere Treibstoffe wir schaffen können, desto mehr werden die Preise sinken“, sagt der Logistiker. So würden die Preise nur kurzfristig steigen und sich langfristig aber wieder normalisieren.

Treibstoffe und Infrastruktur

Laut Rolf Meyer, Gesellschafter und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Meyer & Meyer Unternehmensgruppe aus Osnabrück, liege die Verantwortung aber nicht nur bei den Transportunternehmen. „CO2-Einsparungen von 20 oder 30 Prozent sind ambitioniert, insbesondere, weil es noch an Infrastruktur fehlt.“ Es mache keinen Sinn, elektrische LKW fahren zu lassen, wenn das Aufladen der Batterien zu teuer ist.

Nicht nur die Verfügbarkeit zähle, fügte D'Arpa von Proctor & Gamble hinzu. Der Strom oder auch andere klimaneutrale Treibstoffe müssten ebenfalls CO2-neutral hergestellt werden. Sonst ginge die Rechnung nicht auf. Aus seiner Sicht sei auch der Kombinierte Verkehr ein wichtiger Baustein. Aber nur, wenn EU-Länder im Bereich Schienengüterverkehr besser zusammen arbeiteten und es einheitliche Regularien gäbe. In dem Fall könnte Proctor & Gamble in 10 Jahren rund 50 Prozent seiner Waren auf der Schiene transportieren. Eine Verdopplung im Vergleich zu heute.   

Hapag-Lloyd will in den kommenden Jahren massiv Treibstoff einsparen und investiert in Schiffe, die sowohl mit herkömmlichen als auch mit synthetischen Kraftstoffen angetrieben werden können. „Sich auf einen Treibstoff für die Zukunft festzulegen ist erstens zu teuer und zweitens wissen wir noch gar nicht, welcher Treibstoff es am Ende werden wird.“ Auf die Frage, ob seine Schiffe in Zukunft auch Wind- oder Solarenergie nutzen würden, sagte er: „Die politisch korrekte Antwort lautet: vielleicht, aber die ehrliche: eher nicht.“ Solche Ideen würden bei kleineren Schiffen Sinn ergeben, aber nicht bei Containerschiffen.

Gemeinsam zur Klimaneutralität

Ein weiterer Punkt, bei dem sich alle einig waren – und ein Aufruf an die Branche – war: Klimaneutralität kann nur gemeinsam erreicht werden.

„Ganz ehrlich, ich hoffe, dass sie vor uns an diesen Punkt gelangen“, antwortete Meri Stevens, Worldwide Vice President Supply Chain auf die Frage, wie Johnson & Johnson beauftragte Logistiker dazu bewegen will, weniger bis gar kein CO2 auszustoßen. Das amerikanische Unternehmen produziere zum Teil schon eigenen grünen Strom. Es sei aber ausgeschlossen, diesen beispielsweise in Form von Zertifikaten kleineren Partnerunternehmen aus der Logistik bereitzustellen. Natürlich könne die Lieferkette nur klimaneutral werden, wenn alle beauftragten Speditionen auch auf Umweltfreundlichkeit setzten. Sie hofft in dem Fall auf genügend Motivation aus den eigenen Reihen.

„Eine der größten Herausforderungen wird sein, alle Akteure an einen Tisch zu bekommen“, sagt D'Arpa. Jedes Unternehmen entlang der Lieferkette hätte ein anderes Verständnis davon, wie man traditionelle Logistik auf die Zukunft vorbereitet. Ein Grund, warum Scharwath die größte Herausforderung darin sieht, alles so zu erklären, „dass es auch jeder versteht.“ Das gelte besonders für die Politik, sagt Meyer. Die müsse zunächst das Problem verstehen, denn man könne nicht klimaneutral werden, wenn es beispielsweise gar keine Treibstoffe gibt.

Das Schlusswort hatte Stevens, die für das Panel extra früh aufgestanden ist. Von der Ostküste der USA zugeschaltet sagt sie, dass der Weg zur Klimaneutralität noch lang ist. Wichtig sei, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und sich nicht von der nächsten Katastrophe vor der eigenen Haustür ablenken zu lassen. Alle Unternehmen müssten an einem Strang ziehen und langfristig denken.

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