Flops der Logistik

Innovationen gibt es jedes Jahr. Bei der Suche nach Verbesserungen geht aber auch schon einmal etwas schief. Manches Infrastrukturprojekt, manche technische oder politische Idee hat die Erwartungen nicht erfüllt – zumindest bis heute.

(Fotos: Cargolifte; mago / Kirchner-Media; SSI Schäfer; iStock)

Einfallsreichtum ist eine wichtige Eigenschaft der Akteure in der Transport- und Logistikwelt. Schließlichgeht es immer darum, Transportaufgaben optimal zu lösen. Innovationen gibt es jedes Jahr. Bei der Suche nach Verbesserungen geht aber auch schon einmal etwas schief. Manches Infrastrukturprojekt, manche technische oder politische Idee hat die Erwartungen nicht erfüllt - zumindest bis heute.

Lastenluftschiffe

2001 gab Airbus Pläne für den Cargolifter auf. (Foto: Cargolifte)

1996 geht die Cargolifter AG mit hochfliegenden Plänen für ein Lastenluftschiff mit bis zu 160 Tonnen Nutzlast an den Start. Airbus prüft ab Sommer 2000, ob das geplante CL-160-Luftschiff Flugzeugteile in Europa kostengünstig transportieren könnte. Kritiker warnen, dass Entwicklungszeitplan und -kosten aus dem Ruder laufen. Airbus macht 2001 einen Rückzieher, Cargo­lifter landet 2002 in der Insolvenz. Die Ende 2000 fertiggestellte Luftschiffhalle in Brandenburg lockt heute mit Tropical Islands. Nächste Luftnummer: 2008 gibt Boeing bekannt, mit einem kanadischen Partner das Hybrid-Hubschrauber-Luftschiff SkyHook HL-40 mit einer Nutzlast von 40 Tonnen zu entwickeln. Zwei Jahre später wird das Projekt wegen finanzieller Probleme gestoppt. 2016 meldet Amazon ein Patent für Warenhaus-Luftschiffe an, um aus 13 Metern Höhe innerhalb von Minuten nach Bestellabgabe mit Drohnen zustellen zu können. Konkret werden diese spacigen Pläne nie – stattdessen hebt Amazon-Chef Jeff Bezos 2021 ab ins All. (kk)

Tower 24

Der Logistikturm für Selbstabholer hat sich nicht durchgesetzt. (Foto: SSI Schäfer)

Im März 2003 starten das Fraunhofer Institut für Mate­rialfluss und Logistik (IML) und der Lagertechnik­anbieter SSI Schäfer Noell im Dortmunder Technologiepark ein automatisiertes Selbstabholer-Terminal für E-Com­merce-Kunden. Technisch wurde beim „­Tower24“ an alles gedacht: Das geschlossene Hochregallager kann pro Stunde bis zu 100 Pakete einlagern und gibt eine Sendung in weniger als einer Minute aus. Der Durchbruch soll mit einem Frischebereich gelingen, Pilotprojekt-Partner ist ein lokaler Rewe-Markt. Experten bescheinigen dem 10 Meter hohen Logistikturm gute Chancen, doch die Pilotkosten sind mit rund 900.000 Euro sehr hoch. Die Partner wollen ab Mitte 2003 weitere Pakettürme für jeweils unter 300.000 Euro realisieren, bis zu 700 halten sie bundesweit für möglich. Bei Betriebskosten von je 55.000 Euro pro Jahr finden sich keine Investoren, Ende 2015 wird der Tower24 in Dortmund abgerissen. Stattdessen setzen sich von 2003 an die billigeren Packstationen von Deutsche Post DHL 
durch. (kk)

Pkw-Maut

Der EuGH kippte 2019 die Pläne für eine deutsche Pkw-Maut. (Foto: Imago / Kirchner-Media)

Als CSU-Chef Horst Seehofer im Bundestagswahlkampf 2013 mit einer „Ausländer-Maut“ auf Stimmenfang geht, beteuert Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“ Doch zwei CSU-Bundesverkehrsminister treiben das umstrittene Thema stetig voran, trotz europarechtlicher Bedenken. Alexander Dobrindt stellt 2014 sein Konzept vor für eine „Infrastrukturabgabe“, die Fahrzeughaltern in Deutschland über die Kfz-Steuer erstattet werden soll. 2015 unterzeichnet Bundespräsident Joachim Gauck das entsprechende Gesetz, die Einigung mit der Europäischen Kommission folgt. Obwohl Österreich 2017 Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht hat, erteilt Dobrindt-Nachfolger Andreas Scheuer 2018 unbeirrt Milliardenaufträge an das Betreiberkonsortium Kapsch und CTS Eventim. Als die Pkw-Maut durch ein EuGH-Urteil im Juni 2019 endgültig platzt, hat sie die Steuerzahler fast 80 Millionen Euro gekostet, zusätzlich drohen 560 Millionen Euro Schadenersatzzahlungen an das Betreiberkonsortium. (kk)

Transrapid

Im Regelbetrieb fährt die Magnetschwebebahn nur in China. (Foto: iStock)

Deutsche Ingenieure tüfteln seit 1969 an einer Magnetschwebebahn für Hochgeschwindigkeitsverkehre. Auf der Internationalen Verkehrsausstellung 1979 in Hamburg ist der Transrapid auf einer Teststrecke Publikumsmagnet. Die Technologie mit bis zu 500 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit soll die Lücke zwischen Bahn und Flugzeug schließen. Seit 1983 gibt es im Emsland eine knapp 32 Kilometer lange Teststrecke, 1991 wird die technische Einsatzreife anerkannt, drei Transrapidstrecken sind geplant: Berlin–Hamburg, der Metrorapid durchs Ruhrgebiet und ein Flughafenzubringer in München. Zwar entwickelt das Joint Venture von ThyssenKrupp und Siemens in Deutschland neun verschiedene Fahrzeuggenerationen, doch alle Streckenpläne scheitern – vor allem wegen ausufernder Baukosten. 2006 sterben bei einem Transrapidunfall im Emsland 21 Menschen, die Strecke wird 2011 geschlossen. Den Steuerzahler hat das Projekt rund 1,4 Milliarden Euro gekostet. Die Cargo-Variante „Freightrapid“ wird nie gebaut. (kk)

„Leber-Plan“

Georg Leber (SPD) war von 1966 bis 1972 Bundesverkehrsminister. (Foto: dpa / Alfred Hennig)

Bundesverkehrsminister Georg Leber (SPD) verkauft es als Erfolg, als der Bundestag im Juni 1968 das „Programm zur Gesundung des deutschen Verkehrswesens“ verabschiedet. Dabei klingt nicht nur dieser offizielle Name des „Leber-Plans“ sperrig, viele Maßnahmen kommen nicht gut an. Ziel ist, Massengüter von der Straße zu verlagern, vor allem auf die Schiene. Unter anderem soll eine Verbotsliste bestimmte Güter wie Getreide oder Kies von der Straße holen. Außerdem will Leber eine Beförderungssteuer einführen – im gewerblichen Güterfernverkehr 1 Pfennig pro Tonnenkilometer, im Werkfernverkehr 3 bis 4 Pfennige. Der Widerstand ist so groß, dass es viele Ausnahmeregelungen gibt. Nicht nur Lebers Verbotsliste entfällt, sein ursprüngliches Vorhaben wird faktisch nicht umgesetzt. In seiner Zeit als Verkehrsminister (1966–1972) verdoppelt sich das Autobahnnetz, bis heute transportieren Lkw den größten Teil der Güter. 1966 befördert die Bahn gut 301 Millionen Tonnen, 1972 sind es fast 349 Millionen Tonnen. (kk)

Bimodale Verkehre in Europa

Den Sprung nach Europa schafften die Trailer-Waggons nicht. (Foto: iStock)

Ende der 80er Jahre erfasste große Begeisterung den Markt des Kombinierten Verkehrs in Europa: Waggonloser Schienengüterverkehr lockte. Auslöser war der Erfolg des bimodalen „Roadrailer“ in den USA, bei dem speziell verstärkte Trailer als Waggons eingesetzt und zu Kombizügen zusammengestellt wurden. 1991 wurde die Bayerische Trailerzug-Gesellschaft (BTZ) gegründet, um kommerzielle Angebote unter Einsatz von Roadrailern zu entwickeln. Doch Mitte der 90er Jahre setzte sich die Erkenntnis durch, dass der Erfolg in den USA nicht auf der Technologie gründete, sondern auf einem für Nordamerika innovativen Geschäftsmodell. Es zeigte sich, dass die vorgeblichen Vorteile der bimodalen Technik eher zum Nachteil gereichen. Und: Der Vertikalumschlag per Kran war viel schneller als die Horizontalverladung. Die BTZ bot mehrere Jahre alpenquerende Relationen an und gab schließlich 2003 auf. 2019 endete auch der vorerst letzte Versuch bimodaler Technik in Europa kläglich: Der US-amerikanische Anbieter Railrunner meldete Insolvenz an. (kl)

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