Am B2C kommt kein Stückgutspediteur mehr vorbei

Mit dem steigenden Onlinehandel wächst der Druck für die Stückgutspediteure, entsprechende Lösungen anzubieten. Prozesse, Kommunikation und Vertrieb werden dabei digitaler, zeigt die aktuelle DVZ-Marktumfrage.

Foto: Istock

Die Auswirkungen der Coronakrise haben das Stückgutgeschäft im vergangenen Jahr maßgeblich beeinflusst – und verändert. Die Unternehmen und die Kooperationen mussten nicht nur in allen Bereichen schneller handlungsfähig werden, sie mussten auf den kräftigen Schub des E-Commerce und in der Digitalisierung reagieren – zwei Entwicklungen, die eng zusammenhängen und über Corona hinaus wirken werden.

Grundsätzlich hat die Coronakrise viele Themen rund um die Digitalisierung vorangetrieben – die Branche ist digitaler geworden. Die Marktteilnehmer nennen Stichworte wie digitale Kommunikation im Homeoffice, verbesserte Reaktionsmöglichkeiten, automatisierte Prozesssteuerung, beleg- und kontaktlose Ablieferungen, elektronische Avisierung oder voll integrierte Sendungsabwicklung.

Anteil der Privatempfänger steigt kräftig

Dies gilt zweifellos für die üblichen B2B-Geschäftsfelder, ist aber maßgeblich verstärkt worden von dem durch Corona deutlich forcierten Trend zu Privatkundenzustellungen. Lag der Anteil dieser Sendungen bisher bei vielen Systemen im niedrigen einstelligen Prozentbereich, so ist er 2020 bei fast allen gestiegen: In einigen Netzen beträgt er bereits zwischen 15 und fast 20 Prozent, hat die diesjährige DVZ-Stückgutumfrage ergeben (siehe Tabelle).

Und niemand geht davon aus, dass der stationäre Handel nach Überwinden der Pandemie wieder auf das alte Niveau zurückkehrt. Wer also bisher noch nicht die Voraussetzungen für B2C-Geschäft geschaffen hat, ist gezwungen, das jetzt zu tun. Denn es geht nicht mehr nur um reine Onlinehändler, sondern auch um zahlreiche Bestandskunden, die neben traditionellen Vertriebswegen einen Onlinevertrieb aufgebaut haben – Omnichannel heißt die neue Herausforderung für die Stückgutspedition. „Wer für diese Sendungen keine Lösung parat hat, droht in letzter Konsequenz diese Kunden komplett zu verlieren“, warnt Jörn Peter Struck, Geschäftsführer der Kooperation Cargoline.

Spezielle Produkte und Prozesse

Folglich geht es für die Speditionen um spezielle Produktangebote, interne Prozesse und neue Vertriebswege. Während der Verbund IDS bereits seit 2011 mit einem B2C-Produkt am Markt ist, haben viele Netze inzwischen nachgezogen – Produktnamen wie targo on-site, CTL home, Pallets to customer oder B2C-Line sind auf dem Markt. Die übrigen Stückgutnetze haben etwas Vergleichbares in Vorbereitung.

Im Vordergrund stehen dabei definierte Prozesse und Abrechnungsmodalitäten innerhalb des jeweiligen Netzes, aber auch die Avisierung beim Empfänger. „Wir müssen analog zum B2B-Geschäft strukturierte Prozesse vorhalten“, beschreibt System-Alliance-Geschäftsführerin Gudrun Raabe die Aufgabe. Wer zudem besondere Leistungen wie Entsorgung der Verpackung oder Rückführung von Ladungsträgern bietet, wird Wettbewerbsvorteile haben, ist Abraham Garcia Martinez, Geschäftsführer von Palletways Deutschland, sicher.

Trotz optimierter Avisierung bei den Endempfängern erfordert B2C größere Hallenflächen, weiß IDS-Geschäftsführer Michael Bargl. Denn „die Hallenstandzeiten sind länger als im B2B-Sektor“. Dennoch müsse es immer das Ziel sein, „die Verweildauer im Netz von der Übernahme bis zur Zustellung so gering wie möglich zu halten“, ergänzt Cargoliner Struck.

An den KEP-Standards orientieren

Letztlich wird sich die Stückgutspedition „an den KEP-Standards orientieren müssen und versuchen, sukzessive nachzuziehen“, ist 24plus-Geschäftsführer Stefan Rehmet überzeugt. Dabei müssen die Spediteure berücksichtigen, dass B2C-Empfänger „ihre Likes dort hinterlassen, wo sie den besten Service haben“, mahnt Raabe. Und die Spediteure müssen sich nach Einschätzung von Tim Bittner, Head of Terminals bei Schenker, auf andere Saisonalitäten einstellen, die sich nach den Gepflogenheiten des E-Commerce richten – wie den Black Friday bei Amazon, was zu einer noch höheren Volatilität des Marktes führen dürfte.

Neben dem Trend zum Onlinehandel hat Bittner eine weitere Entwicklung in der Coronazeit notiert: Die Warenannahmezeiten haben sich im B2C-Bereich verkürzt – den Tag über, aber auch freitags werde häufiger keine Ware mehr angenommen. Gleichzeitig arbeiten kleinere Empfänger zunehmend mit Zeitfensterbuchungen. „Dies führt vermehrt zu Zwischenlagerungen und zu geringerer Effizienz. Das hat Strukturänderungen im Eingangsprozess zur Folge.“

Digitale Vertriebskanäle

Zudem gewinnen digitale Vertriebskanäle schon seit einiger Zeit an Relevanz – und der zunehmende Onlinehandel in der Coronazeit erhöht den Handlungsdruck. „Eine Öffnung zu digitalen Vertriebswegen ist erforderlich, um eine neue Generation von Kunden und auch kleinere Kunden zu gewinnen“, ist Rehmet überzeugt. „Das private Kaufverhalten wird sich im B2B-Bereich bei kleineren Firmen durchsetzen, die keinen Rahmenvertrag und keine DFÜ-Anbindung an ihren Versandspediteur haben.“

Während die Nutzung digitaler Portale für Preis- und Buchungsanfragen im B2B-Geschäft schon seit längerem vorangetrieben wird, gewinnt jetzt das Spotgeschäft an Bedeutung. So hat Cargoline 2019 das Start-up Cargoboard gelauncht, das vor allem Geringversender und Firmen ohne eigene Logistikexpertise anspricht. Zwei weitere Corporate Start-ups will Struck noch 2021 an den Start bringen. CTL und Palletways kooperieren mit der Plattform Pamyra: „Wir haben das CTL-Netz digitalisiert und von überall zugänglich gemacht“, berichtet Vorstand Francesco de Lauso. Zudem können Verbundpartner über Pamyra „praktisch auf Knopfdruck den eigenen Vertrieb deutlich erweitern.“ Aber allen neuen Vertriebsformen zum Trotz: „Das Empfehlungsmarketing ist auch im digitalen Zeitalter das beste Instrument, um neue Kunden zu erreichen“, ist Angelika Hinsch, Geschäftsführerin der Online Systemlogistik, überzeugt.

Der steigende Onlinehandel hat dazu geführt, dass viele Netze mengenmäßig besser durch 2020 gekommen sind als zu Beginn der Coronakrise befürchtet. Der Rückgang in den Bereichen Automotive und Maschinenbau konnte so meist kompensiert werden. Dennoch fallen die Bilanzen sehr unterschiedlich aus (siehe Tabelle). Vor allem die großen Systeme konnten sich behaupten oder ihre Mengen sogar steigern, einige Netze kleinerer Spediteure mussten zum Teil deutliche Rückgänge hinnehmen.

Mehrkosten können kaum weitergegeben werden

Gleichzeitig sind die Kosten gestiegen – für Personal, IT, durch coronabedingte Hygieneauflagen, aber auch durch kleinere Sendungsgrößen und schwankende Ladungsmengen. Es ist aber nicht immer ganz einfach, dies angemessen an die Kunden weiterzugeben, so der überwiegende Tenor der Umfrageteilnehmer. Manche Kunden stehen selbst stark unter Druck, „den sie in Form von Ausschreibungen an ihre Dienstleister weitergeben“, hat Struck beobachtet.

„Die Mehrkosten konnten nicht vollumfänglich weitergegeben werden; Preisgespräche waren unter den gegebenen Umständen schwierig“, berichtet Emons-Chef Ralf Wieland. Zudem hätten „marktdominante Wettbewerber aufgrund der niedrigen Sendungsmengen beziehungsweise zur Linienauslastung auf Preisnachlässe und Niedrigpreisofferten gesetzt“, klagt Palletways-Geschäftsführer Garcia Martinez. Darüber hinaus sieht er einen Trend zum Spotmarkt auf Tagespreisbasis. Auf diese Weise wollten Kunden je nach Transportart gezielt den günstigsten Service einkaufen – auch unter Einbindung von Plattformen. Dachser äußert sich traditionell nicht konkret zur Preisgestaltung. Der neue Landverkehrsvorstand Alexander Tonn weist aber darauf hin, dass immer die Prozesskosten ausschlaggebend sind. Und: „Qualität ist das beste Argument in den regulären Preisgesprächen“, unterstreicht er.

Mengenplus für 2021 erwartet

Für 2021 sind die meisten Netze zuversichtlich, was die zu transportierenden Mengen angeht. Sie kalkulieren in der Mehrheit mit Zuwächsen zwischen 2 und 5 Prozent. Gleichzeitig wird mit weiteren Insolvenzen und einer weiteren Konsolidierung des Marktes gerechnet. CTL-Vorstand de Lauso sieht zudem auf Verladerseite zwei Trends: So gebe es den Wunsch nach einer langfristig ausgerichteten Partnerschaft mit einem Dienstleister und dem Ziel, alle Eventualitäten abdecken zu können. Oder als „komplettes Gegenmodell eine rein kostengetriebene, verpflichtungsfreie Ausrichtung“.

Grundsätzlich gehe es immer um die Entscheidung, ob Lieferketten möglichst robust oder möglichst kosteneffizient gestaltet werden sollen, sagt Dachser-Vorstand Tonn. „In den vergangenen Jahren wurde Logistik eher als Kostenfaktor im Einkauf gesehen, der optimiert werden musste. Unter dem Eindruck der Coronakrise wird nun das strategische Management mehr Einfluss nehmen – dieses verortet die Logistik als ganzheitliche Disziplin im Vorstand.“ Was dafür spricht, dass die Coronakrise zu einer höheren Bedeutung der Liefersicherheit im Stückgutgeschäft geführt hat.

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