Fahrerstress treibt Krankheitskosten

Wer am Steuer eines Lkw sitzt, ist deutlich länger krank als Menschen in anderen Berufen. Das kostet die Branche jedes Jahr Hunderte von Millionen Euro. Die Barmer Krankenkasse und Jobmatchme haben die Problematik durchleuchtet.

Fahrer sind knapp, und fallen sie aufgrund von Krankheit aus, kann es richtig eng werden. Doch wie ernst ist die gesundheitliche Lage beim Fahrpersonal wirklich? Das hat die Barmer Krankenkasse gemeinsam mit Jobmatchme, einer Matching-Plattform für die Jobsuche von Fachkräften, untersucht: So fehlen Lkw-Fahrer krankheitsbedingt im Schnitt zehn Tag länger als andere Arbeitnehmer. Im „Gesundheitsreport Logistik“ analysieren die beiden Partner, warum das so ist, wo die Ursachen liegen und wie Fuhrunternehmen Abhilfe schaffen können.

Ein wichtiger Aspekt: Der erhöhte Krankenstand bei den Lastwagenfahrern kostet die Logistikbranche jährlich zwischen 800 und 900 Millionen Euro. Zudem verschärft sich auch der Mangel an qualifiziertem Fahrpersonal, denn die zehn zusätzlichen Krankheitstage entsprechen auf den gesamten Berufsstand umgerechnet der Arbeitsleistung von 24.000 Lkw-Fahrern und -Fahrerinnen. Grund genug, sich über das Thema Gesundheitsmanagement ernsthafte Gedanken zu machen.

Überalterter Berufsstand

Doch wie aussagekräftig sind die Daten? Ausgewertet wurden die anonymisierten Angaben von 75.405 Kraftfahrern und -fahrerinnen, die im Jahr 2021 bei der Barmer versichert waren. In der Mehrzahl (91,4 Prozent) handelte es sich um Männer. 76,5 Prozent der Stichprobe waren über 40 Jahre alt, 37,2 Prozent lagen über der Marke von 55 Lebensjahren, und noch 3,59 Prozent hatten bereits die Regelaltersgrenze überschritten.

Doch welche Umstände führen zu den signifikant langen Fehlzeiten? Hier geben die Zahlen von Jobmatchme Aufschluss. Auf dieser Plattform sind 365.000 Jobsuchende aktiv, die auch zum Teil Auskunft zu den Wechselgründen geben. Die Liste der Gründe für den Wunsch nach einem Jobwechsel ist lang. Hierzu zählen:

  • Lärm
  • soziale Isolation
  • Schichtarbeit
  • Zeitdruck
  • Abgase und chemische Arbeitsstoffe
  • Monotonie
  • Bewegungsarmut
  • Handhabung von Lasten
  • Fehlende Work-Life-Balance

Die angespannte Situation auf deutschen Autobahnen und Straßen trägt ebenfalls sehr zu der Belastung bei: 54 Prozent der Fahrer und Fahrerinnen geben an, dass sie den Druck durch andere Verkehrsteilnehmer als größten Stressfaktor wahrnehmen würden. So fordern die stetig zunehmende Verkehrsdichte und daraus resultierende Konflikte eine permanente Reaktionsbereitschaft der Fahrenden. Hinzu kommt die am Ende des Arbeitstages im Fernverkehr mitunter nervenaufreibende Suche nach einem Parkplatz für die Nacht auf einem Autobahnrastplatz oder bei der innerstädtischen Belieferung.

Das Fahrpersonal ist häufig großen Belastungen ausgesetzt. Das führt laut dem Gesundheitsreport zu diversen Krankheitsbildern. Besonders häufig treten Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (29,6 Prozent) auf. In weiteren 8,6 Prozent der Fälle waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen für den Ausfall verantwortlich. Daneben attestiert der Report dem Beruf ein im Vergleich zu anderen Berufsgruppen hohes Verletzungsrisiko. 14,4 Prozent der Fahrer und Fahrerinnen fallen aus, weil sie beim Handhaben der Fracht oder bei Verkehrsunfällen Schaden genommen haben.

Langfristige Beeinträchtigung

Doch es geht nicht nur um die rein physisch wirkenden Krankheiten. Der Report hat sich auch mit den psychomentalen Belastungen des Fahrerberufs auseinandergesetzt. So verursachen Müdigkeit, Erschöpfungszustände aufgrund von Überlastung sowie ein hoher Stresslevel erheblichen Leidensdruck bei den Betroffenen. Das wiederum erhöht die Gefahr von folgenschweren Unfällen, die ihrerseits zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen können. In diesem Fall muss dann mit einer mehr oder weniger eingeschränkten Arbeitsfähigkeit gerechnet werden. Im Extremfall gehen die Betroffenen der Branche als Fahrer verloren.

Betriebliche Maßnahmen

Der Report führt aber nicht nur Krankheitsursachen und -wirkungen auf, er vermittelt auch konkrete Ansatzpunkte für das betriebliche Gesundheitswesen (siehe Kasten). Damit lässt sich nicht nur das gesundheitliche Wohlbefinden der Fahrer verbessern. Die Investition in diesen Ansatz senkt die direkt und indirekt mit der Krankheit verbundenen Kosten, erhält die Produktivität des Einzelnen, verbessert die Identifikation mit dem Unternehmen und macht dieses als Arbeitgeber attraktiver.

Interventionskonzepte

Arbeitsplatzbezogene Maßnahmen

✔ergonomische Arbeitsplatzgestaltung (zum Beispiel Optimierungen der Fahrzeugkabine)

✔Fahrsicherheitstrainings

✔Aufmerksamkeitsmanagement zur Prävention von Müdigkeit am Steuer

✔Maßnahmen zur Optimierung der Dienstplangestaltung (zum Beispiel Anpassung von Dienstplänen für ältere Kollegen)

✔Verbesserung der Betriebskultur (zum Beispiel Optimierung von Kommunikationsstrukturen)

 

Lebensstilbezogene Maßnahmen

✔Trainings für erfolgreiches Stress- & Konfliktmanagement (zum Beispiel Deeskalationstrainings)

✔Fitnessangebote (zum Beispiel Rückenschulungen, Kontaktvermittlung/Integration von Fitnessstudios)

✔Ernährungsberatung (zum Beispiel Schulungen, Kooperationsprojekte mit Raststätten)

✔Raucherentwöhnungsprogramme

✔Suchtprävention

✔Integration psychosozialer Beratungsstellen

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