Bahn und Schiff sollen Vorrangspuren für Güterverkehr entlasten

Die EU-Kommission hat Leitlinien dafür vorgelegt, wie die Mitgliedstaaten die Grenzkontrollen und Verkehrsbeschränkungen schrittweise wieder aufheben sollen. Dabei dürfe der mühsam wieder flottgemachte Güterverkehr nicht leiden, mahnt sie. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verlängerte die Grenzkontrollen indes bis zum 15. Juni.

Wenn die EU-Staaten anfangen, die wegen der Covid-Pandemie eingeführten Grenzkontrollen und Reisebeschränkungen wieder zu lockern, sollen sie darauf achten, dass dies nicht zulasten der „grünen Vorrangspuren“ für den Güterverkehr geht. Das hält die EU-Kommission in Leitlinien zur Wiederbelebung des Verkehrs fest. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, sowohl ihre Anstrengungen zu verstärken, den Güterverkehr über die Vorrangspuren flüssig zu halten, als auch zusätzliche Wege zu suchen, um Staus zu vermeiden. Etwa durch die stärkere Nutzung Kombinierten Verkehrs.

„Da der Verkehr wieder zunehmen wird, verdient die Nutzung multimodaler Hubs wie Häfen oder Containerterminals besondere Beachtung, um die Vorrangspuren zu unterstützen“, schreibt die Kommission. Um die Lieferketten aufrechtzuerhalten, sollten die Kapazitäten aller Verkehrsträger, inklusive Eisenbahn und Binnenschiffen, bestmöglich genutzt werden. Die Kommission empfiehlt, für Güterverkehr und Transportmitarbeiter auch Vorrangspuren zu Häfen und Bahnterminals einzurichten. Es sei unverzichtbar, dass sich LKW-Fahrer und andere Transportmitarbeiter frei und ungehindert bewegen können, heißt es in den Leitlinien.

An den Landgrenzen sollen die derzeit angestrebten maximal 15 Minuten für das Passieren mit einem Gütertransport weiter nicht überschritten werden, auch wenn der Verkehr wieder zunimmt. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die Gesundheitskontrollen schrittweise und koordiniert wieder aufzuheben, so dass schließlich der Güterverkehr wieder so wie vor der Pandemie rollen kann.

Systematische Quarantäne und Konvoifahrten abschaffen

In der Übergangsphase sollen die EU-Staaten die Gesundheitskontrollen bei LKW-Fahrern und anderen Transportmitarbeitern schrittweise reduzieren und diese ohne konkreten Verdacht auf Infektion auch nicht mehr systematisch nach einem Grenzübertritt in Quarantäne schicken. Abgeschafft werden solle auch die Verpflichtung, bestimmte Länder im Konvoi durchqueren zu müssen.

Sobald der Verkehrsfluss das zulässt, sollen auch Einschränkungen wie Wochenend- und Nachtfahrverbote wieder eingeführt werden, und ab Juni sollen die derzeitigen Ausnahmen von den Lenk- und Ruhezeiten in den einzelnen Mitgliedstaaten stärker einander angeglichen und auf das „strikt Notwendige“ begrenzt werden, „um schrittweise zu gleichen und leicht durchsetzbaren EU-Regeln zurückzukommen“, schreibt die Kommission.

Entscheidung liegt bei den Mitgliedstaaten

„Unsere Priorität ist es, Mobilität so schnell wie möglich wiederherzustellen, aber nur mit klaren Vorgaben für Sicherheit und Gesundheit“, sagte Verkehrskommissarin Adina Valean. Wichtig sei, dass sich die Mitgliedstaaten beim Aufheben von Kontrollen und Einschränkungen eng miteinander abstimmten. Man wolle nicht wieder die gleichen „bitteren Erfahrungen“ machen wie beim Einschränken der Reisefreiheit, so Valean.

Die Kommission ist weiter der Ansicht, dass sich die Auswirkungen des Virus durch Grenzkontrollen nicht effektiv stoppen lassen. Sie empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Beschränkungen stufenweise aufzuheben. Kriterien dafür seien ein vergleichbares Infektionsniveau in Regionen beidseits von Grenzen, die Möglichkeit, Abstands- und Hygieneregeln während der gesamten Reise einzuhalten, und auch ausreichende Kapazitäten der nationalen Gesundheitssysteme, sich um neu infizierte Reisende zu kümmern.

„Wir können nicht vorschreiben, wann ein Mitgliedstaat seine Grenzen öffnet. Das entscheiden die Regierungen selbst“, sagte Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Die Öffnung werde schrittweise erfolgen. „Auch das Timing kann man im Vorhinein nicht festlegen“, sagte Ylva Johansson, die EU-Innenkommissarin. Die Entwicklung der Lage müsse ständig überwacht werden. Um die Öffentlichkeit über die Infektionen in europäischen Regionen zu informieren, will die Kommission eine Webseite des EU-Zentrums für die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zugänglich machen. Johansson sagte, sie sehe bei allen Mitgliedstaaten den Willen, die Grenzkontrollen so rasch wie möglich aufzuheben. Nach den Regeln des Schengener Grenzkodex sind zum Schutz der öffentlichen Sicherheit Kontrollen für maximal zwei Monate möglich.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte Mittwoch bekanntgegeben, dass er die Grenzkontrollen bis zum 15. Juni verlängern werde. Allerdings dürften künftig wieder alle Grenzübergänge zu Frankreich, Österreich und der Schweiz genutzt werden. An der Grenze zu Luxemburg sollen die Kontrollen am kommenden Wochenende ganz wegfallen.

BDI fordert Lockerung bis zum 15. Juni

Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), forderte, pauschale Reisewarnungen und Grenzschließungen müssten „spätestens bis zum 15. Juni“ durch speziellere Vorgaben ersetzt werden, die mehr Verkehr erlauben. Dabei müsse ein „Chaos“ durch unterschiedliche nationale Regeln vermieden werden. „Ein noch so guter und überlegter Plan allein für Deutschland und seine Anrainerstaaten reicht noch nicht aus, um europäische und internationale Lieferketten sicher wiederherzustellen“, sagte Lösch. Freier Waren- und Personenverkehr seien von großer Bedeutung, um die europäische Wirtschaft wieder zu beleben. Die Luftfracht dürfe beim Aufheben von Einschränkungen nicht vergessen werden. „Die Hälfte aller Güter in der Luft wird normalerweise als Beifracht in Passagiermaschinen transportiert. Für eine exportorientierte Wirtschaft ist dies eine der wichtigsten Transportketten, zumal über ein Drittel unserer Außenhandelswerte per Flugzeug ihren Weg zum Kunden finden“, sagte Lösch.

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Nach oben