So steht es um die Altersdiversität in Logistikvorständen

Das Digital-Native-Netzwerk Digital8 hat im Rahmen einer Studie die Altersverteilung in den umsatzstärksten Logistikunternehmen in Deutschland analysiert. Kein Vorstandsmitglied ist unter 40 Jahre alt.

Viele Logistikunternehmen haben mit Blick auf die Diversität in ihrer Belegschaft einen gravierenden Aufholbedarf. (Illustration: Istock [M])

Der demografische Wandel fordert in Unternehmen einen Perspektivwechsel im Recruiting und mehr Offenheit in puncto Diversität ein. Sowohl beim Frauenanteil als auch mit Blick auf die kulturelle Vielfalt, Altersdiversität, Menschen mit Behinderung oder Quereinsteiger gibt es in der Logistikbranche dringenden Aufholbedarf, lautete eine der Botschaften auf dem Deutschen Logistik-Kongress. 

Um mehr Transparenz auf Basis konkreter Daten zu schaffen, hat das Digital-Native-Netzwerk Digital8 die 83 Vorstandsmitglieder der nach Umsatz 20 größten deutschen Logistikunternehmen untersucht – davon ausgenommen wurden jene, die keinen Hauptsitz in Deutschland haben. Das Ergebnis: Kein Vorstandsmitglied ist unter 40 Jahre alt, der Altersdurchschnitt beträgt 54 Jahre. „Die Erkenntnis des Mehrwerts und der Mut, jüngeren Menschen Führung zuzutrauen, ist noch die große Ausnahme“, heißt es dazu in der Auswertung.

Vorbilder für junge Mitarbeitende

Dies ist ein Ergebnis, das gerade mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel und die Attraktivität des ­eigenen Unternehmens für junge Mitarbeitende ein Problem sein kann. „Die jungen Menschen in unserem Netzwerk bekommen sehr schnell ein Gefühl dafür, welche Perspektiven sie in einem Unternehmen haben – und das hängt oft sehr stark mit der Person gegenüber zusammen und wer am Ende darüber entscheidet, wie sie sich innerhalb des Unternehmens weiterentwickeln können“, erklärt Paul von Preußen, Gründer von Digital8.„Da ist es wichtig, Vorbilder zu haben und zu sehen, dass man auch im jungen Alter aufsteigen kann.“  

Das jüngste Vorstandmitglied hat der Auswertung zufolge das Osna­brücker Logistikunternehmen Hellmann Worldwide Logistics mit Friederike­ Prasuhn (Jahrgang 1983), Chief People Officer. Damit ist sie neben Martin Rademaker (Fiege) und Torben Seebold (HHLA) eine der nur drei Vorstandsmitglieder, die laut der Studie der Generation der Digital Natives (ab Jahrgang 1981) angehören. 

„Junge Vorstandsmitglieder können ein ganz entscheidender Vorteil sein, wenn es darum geht, überhaupt erst mal mit der jungen Generation in Kontakt zu kommen und diese im zweiten Schritt an das Unternehmen zu binden“, meint von Preußen. „Außerdem kann ein offener Austausch zwischen verschiedenen Generationen auch großen Spaß machen.“

Neubesetzungen wie beispielsweise KI-Expertin Kenza Ait Si Abbou, die seit dem 1. September 2023 neu im Vorstand des Grevener Logistikdienstleisters Fiege ist, sind im Rahmen der im Juli 2023 erfolgten Auswertung der Studie allerdings nicht mehr inbegriffen.

Grafik: Digital8

Alle Generationen einbeziehen

Gerade als Innovationstreiber können junge Menschen eine entscheidende Rolle innerhalb eines Unternehmens spielen. Um dessen Zukunftsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten, sind jedoch die Erfahrungen und Ansichten aller Generationen wichtig. Am Ende zählt die „wirkliche Vielfalt an Hintergründen, Haltung und Werten“ und nicht nur die „Vielfalt auf dem Papier“, wird in der Studie deutlich.  

„Es geht uns nicht darum, dass Vorstände nur noch aus 30-­Jährigen bestehen sollten“, betont Jonas Sowa, Managing Director und Co-Gründer von Digital8. „Aber in einem Vorstand aus etwa fünf Personen kann es erfolgsentscheidend sein, wenn zumindest eine Person dabei ist, die die Themen der jüngeren Generationen aus erster Hand vertreten kann. Gerade weil wir uns in einem Umfeld befinden, das sich immer schneller verändert und in dem Innovation, ein digitales Grundverständnis und die Nähe zur Zielgruppe immer wichtiger werden.“

Grafik: Digital8

Die Zeiten ändern sich

Ein zentrales Argument, warum jüngeren Menschen Führungspositionen verweigert werden, ist Sowa zufolge die fehlende Berufserfahrung. Ein Kriterium, das gerade in Zeiten des digitalen Wandels, in dem sich Berufsbilder und Inhalte immer schneller verändern, nicht mehr zeitgemäß sei.

„Veränderung ist immer unbequem. Zum Beispiel, wenn im Vorstand plötzlich eine 35-Jährige sitzt und den ,alten Hasen‘ in puncto Digitalisierung oder fehlender Social-Media-Aktivitäten den Spiegel vorhält. Gute Führungskräfte erkennen hier aber auch den Mehrwert für sich und das Team“, meint Sowa. „So wird eine unbequeme Veränderung schnell zum mutigen Gamechanger. Wer hier früh ,investiert‘, ist besser auf die kommenden Jahre vorbereitet, denn dann wird die Rentenwelle der Babyboomer ihren Höhepunkt erreichen.“

Um Unternehmen in Sachen Altersdiversität zu unterstützen, haben die Herausgeber der Studie folgende Tipps formuliert:

Kurzfristige Maßnahmen

  1. Vorleben und Exempel statuieren. Es gilt, mutige Entscheidungen zu treffen, beispielsweise den ausscheidenden Vorstand*in bewusst jung und divers nachzubesetzen. Nicht durch einen weiteren „Schornstein-Karrieristen“ aus der gleichen Branche mit über 25 Jahren Erfahrung, sondern durch einen innovativen Digital Native, der das Team ergänzt. Durch ganz neue Denkweisen, andere Hintergründe und Erfahrungen.

  2. Diese Entscheidungen klar und breitenwirksam kommunizieren: „Wir machen das, weil ...“. Vorbilder und Role-Models von und für die junge Generation etablieren. 

  3. Transparenz durch öffentlich zugängliche Reports schaffen, zum Beispiel die Diversitätsberichte explizit um das Thema Altersdiversität erweitern.

  4. Personalberater und Headhunter entsprechend briefen oder spezialisierte Experten beauftragen.

Quelle: „Vorstandsstudie Logistik 2023“ von Digital8

Langfristige Maßnahmen

  1. Recruiting- und Promotion-Strategie anpassen, größtmögliche Objektivität bei Einstellungen und Beförderungen, zum Beispiel durch segmentübergreifende „Culture Boards“, die jede Einstellung / Beförderung ab C-2 Position hinsichtlich der Diversität bestätigen müssen.

  2. Interne Ziele aufstellen (zum Beispiel mindestens ein Vorstand sollte unter 45 Jahre beziehungsweise Digital Native sein). Diese Ziele sollten auf KPIs basieren, die beobachtet und auf regelmäßiger Basis bewertet werden.

  3. Ein „Reverse Mentoring-Programm“ aufsetzen. Aufsichtsrat und Vorstand können zum Beispiel junge Mentoren mit möglichst unterschiedlichen und diversen Hintergründen bekommen. Dies führt langfristig zu neuen Ansätzen und einer Veränderung der Arbeitskultur.

Quelle: „Vorstandsstudie Logistik 2023“ von Digital8

Schwierige Datenbasis

Wie es um die anderen Diversitätsfaktoren steht, ist aufgrund fehlender Studien nur schwer mit konkreten Zahlen zu untermauern. Der Frauenanteil in Logistikunternehmen liegt laut Dr. Klaus Wohlrabe vom Ifo Institut in München seit Jahren weitgehend unverändert bei rund 19 Prozent. Der Anteil an ausländischen Mitarbeitenden habe sich indes von 13 auf 31 Prozent mehr als verdoppelt. 

Auch branchenübergreifend gibt es Nachholbedarf in Sachen Diversity. Schwerbehinderte Menschen machen branchenweit nur rund 4,6 Prozent aller Beschäftigten in deutschen Unternehmen aus, teilte der Deutsche Gewerkschaftsbund 2022 mit. Im Gender Equality Index 2022 landet Deutschland mit 68,6 Punkten lediglich im Mittelfeld und damit deutlich hinter Ländern wie Schweden, Dänemark oder den Niederlanden, kritisierte Martina Weihing, Head of Division Electronics & Health Care bei der LGI Logistics Group International, im Rahmen einer Session auf dem Deutschen Logistik-Kongress.

„Unternehmen scheitern oft daran, dass die Geschäftsleitung nicht wirklich hinter dem Thema Diversity steht“, ­ergänzte Josip Tomasevic, Senior Vice President und Chief People Officer beim amerikanischen Industriekonzern AGCO ­Corporation. 

Brücken bauen

Mit Blick auf die schwelenden Generationskonflikte gab es auf dem Kongress jedoch versöhnliche Botschaften. „Die Bedürfnisse in den Generationen sind im Kern gar nicht so verschieden“, argumentiert Prasuhn. Lediglich die Gewichtung einzelner Aspekte sei individuell. 
Ziel müsse es daher nicht sein, zwei Unternehmenskulturen gleichzeitig zu etablieren, sondern Mitarbeitende aller Altersstufen über bestimmte Werte miteinander zu verbinden und Brücken zwischen den Generationen zu bauen.

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