Verspätete Schnäppchen
In diesen Tagen liegen die Schnäppchenjäger auf der Lauer. Aktionstage wie der Cyber Monday oder Black Friday sorgen jedes Jahr für Umsatzspitzen im Handel. Derzeit sind allerdings manche Artikel knapp oder gar nicht verfügbar. So gibt es bei Elektrowaren teils lange Lieferzeiten. Gleiches gilt für Textilien sowie Spielzeug- und Freizeitwaren. Selbst der Musikinstrumentenhandel ist mittlerweile von Lieferschwierigkeiten betroffen. Der Händler Music Store bringt es auf seiner Webseite kurz auf den Punkt: „Große Lieferengpässe bei E-Pianos wegen fehlender Microchips und Frachtcontainer!“
Laut Ifo-Institut haben bereits im September drei Viertel der Einzelhändler Schwierigkeiten in der Beschaffung gehabt. Zwar gibt es in Kaufhäusern und Online-Shops immer noch eine große Auswahl an Produkten und ein breites Sortiment. Doch selbst wenn man es nicht sieht, so verzeichnet beispielsweise der Modehandel teils enorme Lieferausfälle. So meldete Victoria’s Secret, dass 45 Prozent der für Herbst/Winter bestellten Ware verspätet geliefert wird.
Entspannung vielleicht im Frühjahr 2022
Der Handelsverband Textil berichtet analog zum Ifo-Institut, die Lieferprobleme hätten sich bereits ab September gezeigt. Mit einer Entspannung wird erst im Frühjahr 2022 gerechnet. Aldi Nord – dessen Sortiment auch Textilien umfasst – hat den Verkaufsstart einer neuen Fashion-Kollektion in Deutschland mancherorts verschieben müssen. Der Handel müsse sich auf zunehmend unberechenbare Transportwege, Produktionsengpässe und steigende Produktions- und Beschaffungskosten einstellen, teilt der Handelsverband Deutschland mit.
Der Händler Grover hat einen Preisindex für Elektronikartikel in 50 Ländern aufgestellt. Die Länder wurden anhand der Verfügbarkeit von Daten, ihren Importzöllen und jüngsten Währungsschwankungen ausgewählt. Die Preisermittlung erfolgte anhand der Preise in klassischen Ladengeschäften und auf Onlinehandelsplattformen. Dabei zeigt sich, dass vor allem Spielkonsolen in diesem Jahr in vielen Ländern aufgrund der Lieferengpässe nicht verfügbar sind.
Im Weihnachtsgeschäft wird also die Auswahl deutlich begrenzter als in den Jahren zuvor sein. Bereits der Aktionstag Black Friday, den manche Händler auf eine ganze Woche ausdehnen, bietet 2021 nicht die exzessiven Shopping-Möglichkeiten der Vergangenheit. Nichtsdestotrotz ist in den meisten Produktkategorien noch genug vorhanden; nur wer unbedingt einen Fernseher oder ein E-Piano von einem bestimmten Hersteller haben möchte, muss unter Umständen ein paar Wochen länger warten.
Lieferungen nach Weihnachten
Viele Waren, die jetzt als Geschenkartikel zu Weihnachten oder Schnäppchen am Black Friday laufen, kommen aus Fernost und haben damit automatisch eine längere Laufzeit durch die Staus in den Lieferketten. Prof. Christian Kille, Handelsexperte von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt, rechnet mit einer Entspannung bereits zu Beginn des kommenden Jahres. „Wohlgemerkt aus Sicht des Verbrauchers. Der Grund liegt darin, dass wahrscheinlich manche der Waren erst nach Weihnachten eintreffen könnten und damit die möglichen ausbleibenden Lieferungen ausgleichen.“ Es könnte Kille zufolge sogar sein, dass ein paar Schnäppchen im Januar zu machen sind.
Eine weitere angespannt Lage kann sich wieder gegen Ende Q1 ergeben, sofern sich die Probleme nicht lösen lassen. „Der Grund liegt auch darin, dass – wiederum in Richtung der Verbraucher – die reduzierte Produktion von Rohmaterialien wie Metallen tendenziell erst zu den wichtigeren Industriekunden wandern wird, bevor die Endproduktehersteller mit Schwerpunkt Privathaushalte bedient werden.“
Bei Produkten aus der EU hängt es von den Komponenten und Zulieferprodukten ab, die für die Produktion notwendig sind. So haben Produkte aus Holz oder mit Einzelteilen aus Holz lange Lieferzeiten aufgrund der Knappheit.
Der AHK World Business Outlook Herbst 2021 verdeutlicht, dass zwar mehr deutsche Unternehmen im Ausland von Problemen in der Lieferkette und Logistik berichten. „Die Herausforderungen scheinen aber stärker in den USA zu sein als in anderen Regionen“, sagt Kille. „Und aus den USA kommen nach Wert nur halb so viele Produkte wie aus China.“ Der Handelsexperte geht davon aus, dass sich insgesamt die Handelsströme im dritten Quartal stabilisiert haben werden. Allerdings schränkt Kille auch gleich wieder ein: „Es muss nur wieder ein Hafen geschlossen, ein Schiff quer stehen, eine Chip-Fabrik abbrennen oder andere uns nicht bekannte Ereignisse die Flaschenhälse der Lieferketten verstopfen. Da viele Unternehmen meist aus Kostengründen am Limit operieren, kann eine Störung eine Kettenreaktion bedeuten.“
3G: Sonderregeln für Transport gefordert
Die Situation könnte sich aktuell auch aufgrund neuer Regelungen verschärfen. So sieht das Deutsche Verkehrsforum (DVF) in der neu im Infektionsschutzgesetz vorgeschriebenen 3G-Regelung für Arbeitsstätten die Gefahr eines „Lockdowns der Lieferketten“. Problematisch werde es vor allem bei der grenzüberschreitenden Belieferung. Oftmals sei das Personal mit in Deutschland nicht zugelassenen Impfstoffen immunisiert, Tests vor der Belieferung seien nicht möglich.
„Die bisher berechtigte Ausnahme von Transportpersonal von der Testpflicht wird damit faktisch außer Kraft gesetzt. Betriebsgelände und Logistikzentren können somit nicht befahren oder betreten werden, die Lieferketten werden lahmgelegt“, sagt Florian Eck, Geschäftsführer des DVF. Wichtig seien jetzt pragmatische Ausnahmeregelungen für das Transportpersonal. „Analog zur Einreiseverordnung müssen Transportmitarbeiter von der Testpflicht ausgenommen werden, soweit der Aufenthalt in der jeweiligen Betriebsstätte nur vorübergehend ist und Hygiene- sowie Schutzmaßnahmen getroffen werden“, fordert das DVF. Zugleich müssten die Testkapazitäten an den Grenzen ausgebaut werden.
Rekordgeschäft erwartet
Trotz aller Probleme in den Lieferketten und manchen Lücken in den Angeboten der Elektronikmärkte und Textilhändler: Der Weihnachtshandel wird vermutlich wieder Rekorde brechen. Der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) rechnet damit, dass in diesem Jahr allein im November und Dezember rund 445 Millionen Pakete an private Haushalte zugestellt werden.
Sollte der Stationärhandel aufgrund der sich zuspitzenden Pandemiesituation weiter eingeschränkt werden, dürfte das sogar noch mehr werden.